Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Sophie Hoechstetter
(1873-1943)



Botschaft

So viele lange Tage mußt' ich warten —
Dort, wo bei Felsgestein und feuchten Mosen
Zum Winkel des Vergessens wird der Garten,
Dort harrten längst schon dein die roten Rosen.

Und endlich sehe ich, daß du mit deinen zarten
Geliebten Händen hast für diese losen
Blumen mir hingelegt das Buch des Barden.
Ich lese — spüre fernen Sturmes Tosen.

Kein Wort von dir — nur die verlohten
Inbrünste alter Zeit. Nichts als die herben
Verklungenen Lieder eines großen Toten.

Oh du Geliebte, hat mein Sehnsuchtswerben
Mir keinen einz'gen Gegengruß entboten?
Da — halt — ein Bleistrich einsam muß ich sterben.
(S. 29)
_____



Am Teich

Vom Teich herüber klingt aus einem Nachen
Durch unsre Nacht der sanfte Ton von Flöten —
Wir sind am Uferrand — ich sehe seine flachen.
Bespülten Steine sich wie Kupfer röten.

Denn aus den Wäldern steigt in blutigem Entfachen
Seltsamen Lichts der Mond, als wie in Nöten —
Und plötzlich, da erstirbt dein liebes Lachen
Und eine Stille kommt, die keine Worte töten. —

Es suchen meine Hände sanft die deinen
Und über ihre Frauenanmut neigen
Sich meine Lippen. Klang es wie ein Weinen,

Das keines wollt' dem andern zeigen?
Oh du, ich fühle, wie sich unsre Seelen einen
In diesem ersten, schmerzerfüllten Schweigen.
(S. 30)
_____


Aus: Vielleicht auch Träumen
Verse von Sophie Hoechstetter
München und Leipzig
Bei Georg Müller 1906


 

 

zurück zum Liebessonette-Verzeichnis

zurück zur Startseite