Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Angelika
von Hörmann
(1843-1921)
Der Schönste bist du, Liebster, unter Allen,
Mag auch dein Aug' kein Adlerauge sein,
So stolz und blitzend, auch nicht marmorfein
Die Züge, und dein Mund nicht wie Korallen.
Wem wäre nie der Zauber aufgefallen,
Den oftmals webt der Abendsonnenschein
Um ein Stück Heide oder Felsgestein.
Dran achtlos wir am Tag vorüberwallen?
Das ist dein Bild. Gleichgültig scheinst du, arm
An Worten, bis ein Fühlen, tief und warm,
Die sonst verschloss'ne Brust begeisternd schwellt:
Dann leuchtet auf dein stilles Angesicht,
Als fiel' darauf mit wunderbarem Licht
Ein Strahl aus deiner reichen innern Welt.
Aus: Angelika von
Hörmann Neue Gedichte
Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 41)
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Du weißt, wie ich an
meiner Heimat hange,
Am Schnee der Firne, an der Kuppen Grün,
Am frischen Bergquell, dran die Rosen blüh'n,
Am Almenglück mit seinem Herdenklange;
Am Haus, wo ich gelauscht dem Wiegensange
Der Mutter, wo des Mädchens kindisch Müh'n
Der Puppe galt, am Stübchen, das erglüh'n
In Liebe sah der Jungfrau scheue Wange.
Doch seit du ferne, Liebster, ist verblichen
Der ganze Reiz, ein Friedhof scheint das Land
Voll Pracht doch todt: die Seele ist entwichen.
Was gilt dem Weib die Heimat? Wo es liebt,
Und wär's im Meer auf ödem Inselstrand,
Lacht ihm ein Himmel ewig ungetrübt.
Aus: Angelika von
Hörmann Neue Gedichte
Leipzig 1893 Verlag von Liebeskind (S. 59)
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