Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Alma
Johanna Koenig
(1887-1942)
Einzug des Eroberers
Die Menge wich, des Rosses Hufschlag scheuend,
zurück, wie ein bewegtes, dunkles Meer.
Aus ihren Haufen ragte ehern: er,
und wie sein Auge, lidverhängt und dräuend,
mit einem Blick ganz fremd von ferne her
die Menge überflog, da sah er sie.
Die einzige, die nicht wie alle schrie,
denn ihre Glieder zitterten zu sehr.
Er sah sie lange an und sie ward rot
und hing an seinem Antlitz wie gebannt.
Dann sank sie neben seinem Roß ins Knie.
Auf seines Winkes herrisches Gebot,
kam, tief geneigten Haupts, der Adjutant.
Da sprach er kurz und kalt befehlend: "Die!"
Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 31)
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Die Fackel des Eros
Ein Sonettenkranz (1918-1928)
Ich dank dir, daß du
bist,
Daß du so lächelst, daß du blaue Augen
Und keine schwarzen hast!
Hebbel, Nibelungen
I.
Ich seh dich an und lerne, sanft besiegt,
an Knabengötter alter Mythen glauben.
Ich seh dich an, bis - wie Geschmack von Trauben -
mir deine Süße auf den Lippen liegt.
Von blonden Ringeln ungestümen Haares,
bis zur gewölbten Ferse deines Fußes,
vom Schreiten bis zum Nicken eines Grußes,
- stets nur Vollendetes, nur Wunderbares.
Von deines Mundes purpurnem Frohlocken,
von deines Blicks azurnem Glanz beglückt,
verströmt mein Schaun an dich all meine Kraft.
Ich knie, in mich gekauert und erschrocken,
und deine Helle findet mich gebückt
im tiefsten Dunkel meiner Leidenschaft.
(S. 71)
II.
In dunkler Arabeske deiner Brauen
hat sich verwirrt mein scheuer Blick verfangen.
In Fransen deiner Wimpern blieb er hangen,
verstrickt von allzu süßem dich-Beschauen.
Des Lippenbogens purpurne Gefahr
hat meinem Herzen lange fern gedroht.
Dein Lächeln trifft, als ein beschwingter Tod,
und ist viel schöner, als mein Leben war.
Gott hat in dir sein Denkmal aufgerichtet,
auf daß den Schöpfer man lobpreisend nenne.
Hat Helligkeit zum Antlitz dir verdichtet,
auf daß man ihn in deinem Glanz erkenne.
Wußte er's auch, wie er durch dich vernichtet,
die er aus Dunkel schuf? Denn ich verbrenne!
(S. 72)
III.
O süßer Tag! Luft, die uns lau umglitt!
O Vögel, die schon neuen Wohllaut fanden!
An Bäumen, die noch kahl gen Himmel standen,
glänzten Astflächen weiß nach frischem Schnitt.
Die Sträucher überperlt schon vom Grün
plötzlicher Knospen in zersprungner Hülle.
Und überall Vorahnung neuer Fülle
und Erdgeruch und Duft von neuem Blühn.
Und du, - und du bist neben mir geschritten,
die stets allein durch solche Tage ging!
Wie hab ich sonst den Frühling schwer erlitten,
eh ich aus deinen Händen ihn empfing.
Mir war, als müßt ich ihn um Gnade bitten.
- Nun strahle, Licht! Nun sing, du Amsel, - sing!
(S. 73)
IV.
Du weißt mich häßlich, lang verbrannt vom Gram,
du weißt dich selbst erzengelschön und jung.
Warum dies Wunder jäher Huldigung,
warum dies Glück, das mir den Atem nahm?
O, welche Frau auch solche Blicke träfen,
von wildem Blau, aus rasch erschlossnen Lidern,
sie wäre dein, erschlafft an allen Gliedern,
sie wäre dein, Blutpochen in den Schläfen.
Da du mich bittest, möcht ich vor dir knieen.
Da du mich küßt, möcht ich an dir vergehen.
Da du begehrst, - wie muß erst ich begehren.
Dein ist der Mai, du hast ihn mir geliehen,
du bist mein Glück - dies lernt ich schnell verstehen.
Doch daß du mein bist, mußt du erst mich lehren.
(S. 74)
V.
Er, dessen Tag sich dir heut traurig jährt,
dein junger Bruder, sag, - war er dir gleich?
War auch sein Mund wie deiner voll und weich -
nur noch von keinem Frauenmund begehrt?
War auch sein Auge von so kühnem Blau,
sein Knabenleib - zu früh dahingerafft -
auch so von innrer Freudigkeit gestrafft,
und so von reinstem Ebenmaß im Bau?
Wir wären sicherlich gut Freund gewesen,
ich hätte seinen Aufsatz durchgesehen,
ich hätte jeden dummen Streich verhehlt, -
ich hätt den Mohikaner mitgelesen
und es gelernt, auf Obstraub Wacht zu stehen
- - und manchmal hätte er von dir erzählt - -
(S. 75)
VI.
O dürft ich dich den Diskos werfen sehn,
rückwärts gerissen vom Gewicht der Scheibe,
dürft ich dich sehn, mit hingeducktem Leibe
dem Flug des Speeres nach, ins Weite spähn.
Oder -, wie oft du's übtest! - eingekrallt
in eines Rosses windgepeitschte Mähne,
wettlaufend mit den Reitern, schnell wie jene
und angestaunt bei ihrem Aufenthalt.
Die Finger sanft verwühlt in meine Locken,
lachst du zu meinen Bitten, meinen Fragen:
es sei ein Kuß dir mehr als alles dies.
Doch jählings, wilden Herzschlags, süß erschrocken,
fühl ich von deinen Armen mich getragen,
wie Lust einst Räuber Frauen tragen ließ.
(S. 76)
VII.
O warum hast du so mich warten lassen,
die ich versklavt in deinen Ketten stöhne?
Mir war, als ob ein jeder Blick mich höhne
und jedes fremde Lachen mußt ich hassen!
Verglichen mit dem Wunder deiner Schöne
wurden die Angesichter zu Grimassen.
Dich schauen schon ist Glück mir, kaum zu fassen,
wähnst du, daß ich so leicht mich sein entwöhne?
Ich wartete. Wo warst du, unterdessen
der Liebenden so weh von dir geschah?
Hast du in fremder Liebe mein vergessen?
Ich weinte. War dir eine andre nah?
O Gott, du bist so schön und bist so jung,
mein Schuldspruch ist für dich Entschuldigung.
(S. 77)
VIII.
Wir gingen bis zum Hähnekrähn
die gleichen Gassen her und hin.
Nacht kämpfte mit dem Untergehn,
Tag zagte vor dem Anbeginn.
Schnee schmolz zu vielzertretnem Brei.
Nur einen Mann trieb früher Fleiß,
er sah uns enggeschmiegte Zwei
und lächelnd sagt ich ... "Du, der weiß!" -
Die Schritte hallten tönend nach,
als ging das Glück nah mit uns mit.
Und keiner von uns beiden sprach.
Nur manchmal hemmten wir den Schritt
im Kuß, bis Atem uns gebrach,
bis ich vor Liebesunmaß litt.
(S. 78)
IX.
Dir ward der Mund des Knabengottes Pan,
des heißen Schläfers um die Mittagsstunde.
Die Syrinx träum ich zu so süßem Munde,
zur Syrinx Nymphen, die sich lauschend nahn.
Wie hab ich diese Lippen mal um mal
entbehrt, noch im Versengen deines Kusses,
mein eigner Mund ward trunken des Genusses,
den er den lustgeschlossnen Augen stahl.
Vom Kuß aufatmend, schwelgerisch entbrannt,
schau ich von neuem. Und zutiefst beglückt
erliegt mein Herz gedoppelter Verführung.
Im Lippenwinkel - den die Kinderhand
des Eros sanft zum Grübchen eingedrückt -
wächst leis dein Lächeln voller Spott und Rührung.
(S. 79)
X.
Ich gehe nächtens durch vertraute Gassen,
dich sehr entbehrend, - dich so sehr ersehnend!
Wie wär dies Glück: an deiner Schulter lehnend
sich deiner Führung still zu überlassen.
Der Wind geht warm. Die Straßengärten schenken
zärtlich Asyl den dunklen Liebespaaren.
O, daß auch wir erst gestern Schatten waren
auf der beschattetsten von solchen Bänken!
Wozu heut Sterne? O wozu heut Flieder?
Wozu vor mir, die abgewendet schreitet,
die fremde Trunkenheit verschmiegter Glieder?
O Frühlingsnacht, nur mir zur Qual bereitet!
Wann kommst Du? Sag? Wann küssest du mich wieder,
die dir entgegen ihre Arme breitet?
(S. 80)
XI.
Seiner Mutter
Ich lebte schon ein
einsames Jahrzehnt,
als dich, die ährenblond war, schön und jung,
der Engel antrat, der Verkündigung
und dir den Sohn verhieß, den du ersehnt.
Denn Gott erkannte, daß im Schöpfungslied
ein Vers ich blieb, verwaist und ohne Reim,
so senkte er in dich den schönen Keim,
der, da er reifte, nur für mich geriet.
Dich widerspiegelnd gab er ihm dein Haar,
gab deine Anmut, deine Güte hin,
mich zu beglücken, die so einsam war.
Da ich ihn liebte, ward ich die ich bin.
Du Mutter, die mein blondes Glück gebar, -
in dir lag meines Lebens Anbeginn.
(S. 81)
XII.
O manchmal träume ich in deinem Arm,
wie Hermes sanft das Bacchuskindlein hegt,
ein schönes Kind, das deine Züge trägt,
nackt, - voller Grübchen und vom Schlaf noch warm.
Ich seh sein Haar, viel blonder noch als deines,
sein Mündchen, deinen Lippen nachgemalt;
ein Lächeln, das schon ganz wie deines strahlt,
nur deins ein wissendes und seins ein kleines.
Ich weiß: du hebst es und das Büblein lallt
und will, wie du, - die Sonne über dir,
und will den Mond dazu und alle Sterne.
O gliche dir sein Herz wie die Gestalt!
Nur nichts von mir, ihr Götter, nichts von mir,
denn ich bin nur die Schale solchem Kerne.
(S. 82)
Hab ich lieb, so hab
ich not,
Meid ich lieb, so bin ich tot.
Nun ee ich lieb durch leid wolt lan
Ee will ich lieb in leiden han.
Die Nonne Klara Hätzlerin
Augsburg, 15. Jahrhundert
XIII.
Wenn du am Ende deines frohen Tages
zum Himmel siehst, voll ländlich klarer Sterne,
dann denk an mich, er scheint mir, da du ferne,
nur wie die Decke meines Sarkophages.
Nun schläfert dich. Wie wurdest du doch gerne
zum Kind beim Hall des zehnten Stundenschlages.
Verzärtelt dich die Mutter besser? Sag es,
damit ich Liebende zu lieben lerne.
Ich sehe dein Gesicht, - es wird ganz rein,
die Züge einen sich zu schöner Stille,
ich segne dich und bin nicht mehr allein.
So schlafe denn, in Gottes großem Namen.
Er ist die Liebe, Liebe ist sein Wille,
so mög er dich und mich beschützen. Amen!
(S. 85)
XIV.
Sag, war es Schuld, daß ich mein Herz dir bot,
als du erschienst, wie Cherubim erscheinen?
Sieh, ich erfuhr nie Güte vor der deinen.
Du warst das Leben, das Entsagen Tod.
Du warst die Schönheit. Süßestes Vereinen
von Mann und Kind. Kein Brand, der wilder loht.
Verschwenden schien ein göttliches Gebot,
was wogen arme Gaben gleich den meinen!
Denn ich, - lang welk in mir, verraucht und klein,
als ob ein Fluch für ewig mich beschatte, -
ich tat mich auf und tat dich in mich ein!
O du mein Knabe, du mein Gott und Gatte,
du fülltest mich, wie Gold den rostgen Schrein
und doch gab ich dir alles, was ich hatte.
(S. 86)
XV.
So wie das Chaos vor der Schöpfung war,
war es vor dir, der du mein Schöpfer bist.
Mein Herz, das alles außer dir vergißt,
weiß nichts von Lust nunmehr, nichts von Gefahr,
und ist entsühnt, weil es dein Eigen ist.
Ich brachte gern am heiligern Altar
des Bacchus Kranz und seinen Thyrsos dar
- nie mehr von mir ersehnt, nie mehr vermißt.
Nun bin ich schon drei reiche Jahre dein
und noch ward mein Entzücken nicht gelinder,
ernüchtert nicht mein Von-dir-trunken-sein,
dein Schenken ärmer nicht, mein Dank nicht minder.
Du führst mit Lachen unsere Ernte ein,
ich folge dir gebeugt: dein Garbenbinder.
(S. 87)
XVI.
Auch mich belud Gott mit dem Berg von Leid,
den Sappho einst auf schmalen Schultern trug,
doch hielt er ihre Schmerzen wert genug
klingend zu dauern, für die Ewigkeit.
Mein Schrei verröchelt, den Verzweiflung schrie,
die Tafel, die mein Stift beschreibt, zerbricht.
Das Leid wie groß, - wie nichtig das Gedicht
und sterb an fremder Jugend, so wie sie.
Und doch, ich weiß, sie tröstete es nicht,
daß ihr ganz Lesbos, himmelüberblaut,
daß ihr Olympia zu Füßen lag. - - -
Ich, Bettlerin am eignen Worte, sag
zu deinem Preis ihr ewiges Gedicht:
"Den Göttern gleich eracht ich, wer dich schaut!" -
(S. 88)
XVII.
Komm heim, - schon blühen rosig die Gelände
des liebsten Stromes auf der ganzen Welt.
Komm heim, eh Blütenregen niederfällt.
Schönheit ist Anfang, Ernte sei das Ende.
Komm heim, ob dich auch eng die ferne hält,
sie hat nicht Liebe, wie sie hier sich fände.
Kein Licht strahlt heller als des Herdes Brände.
Komm heim und sieh dein Festmahl schon bestellt.
Hör deutschen Laut, den herzentbehrten, süßen,
den lang entwöhnt nicht deine Lippe sprach,
sieh nebelblau die Landschaft dir zu Füßen,
um die das Herz uns schier vor Sehnsucht brach.
Vom Süden kam der Frühling, mich zu grüßen,
laß ihn als Boten gelten, - folg ihm nach!
(S. 89)
XVIII.
O süße Mutter, oft gedenk ich deiner,
wie du es trugst, dies gleichbestimmte Los.
Es war dein Schmerz ganz wie der meine groß,
nur gütiger dein Herz, dein Lieben reiner!
Wann zeigte sich der Mann auch als Verneiner
fremder Verführung - wann der Sünde bloß?
Der mich dir pflanzte in den heilgen Schoß,
ein ungetreuer Gatte war's wie meiner.
Du duldetest und bargst es noch der Welt,
doch ließest du mir Sanftmut nicht zum Erbe,
nur Sehnsucht, die der Schönheit leicht verfällt.
Und ob darüber auch die Welt verderbe,
ich halte Treu, wie man mir Treue hält! -
Ich schneide in den Zahlstock Kerb um Kerbe.
(S. 90)
XIX.
O Herr, der Du bis in das vierte Glied
mit Deinem großen Zorn die Sünde schlägst,
ist's meine Schuld, die Du mit Fluch belegst,
wenn Deine Strafe sich an mir vollzieht?
Oder ist's alte Rache, die Du hegst,
daß mir um Ahnensünde Leid geschieht?
Ich fürchte Dich, im Staube hingekniet,
und hoff nicht mehr, daß Du mich aufwärts trägst.
Nacht ist mir Wohnung. Qual ist mein Beruf
und meine Nahrung ungemessne Zähre,
da ich mein Grab mir, Stein zu Steinen, füge.
Mein Trost ist nur, daß er kein Kind mir schuf.
Mein Trost ist nur, daß ich kein Kind gebäre,
das meine Last zu Ahnenlasten trüge! -
(S. 91)
XX.
Du hast, o Herr, zu Moses großen Tagen
der Menschheit die Gebote eingesetzt.
Ein Denkmal Deines Willens, einst und jetzt.
Weh allen Frevlern, die Dein Zorn geschlagen!
Ich habe fremde Ehe nie verletzt,
mit Lachen konnt ich fremdem Gut entsagen,
ich hab der Mutter Segen fortgetragen,
ich hab den Vater, wie es Pflicht, geschätzt!
Nie ward das Wort Verleumdung, das ich sprach,
die Hände sieh, - es klebt kein Blut an ihnen,
von denen jedem Tier selbst sanft geschieht!
Dein furchtbares Gebot ist's, das ich brach,
"Ihr sollet keinem anderen Gotte dienen" -
Nun strafst Du mich, o Herr, die Dich verriet.
(S. 92)
XXI.
Gott muß mich lieben, denn er züchtigt mich,
daß helles Blut aus meinen Wunden springt.
Er ist die Faust, die hoch die Geißel schwingt,
und das gebundne Opferlamm bin ich.
Mit jedem Tag, der seine Strafe bringt,
verstärkt mein Trotz, mein innrer Aufruhr sich,
was ich an Gutem hegte, das verblich
dem Lichte, das tyrannisch mich bezwingt.
Dazu ward Gott, daß solch ein Glaube wanke.
Dazu ward Güte, daß sie schal versieche.
Dazu ward Schönheit, daß ich an ihr kranke.
Dazu ward Glück, daß ich die Fäulnis rieche.
Dazu ward Stolz, daß ich im Staube krieche,
dazu ward Liebe, daß ich dies ihr danke.
(S. 93)
XXII.
Meinem Hunde
Der du an Kindesstatt
mir Freude bist,
wie scheinst du menschlicher als Menschenseelen,
nur du kannst lieben, ohne mich zu quälen,
nur du schenkst Treue, - ach so schwer vermißt.
Welch frühern Lebens lastendes Verfehlen
zwang wohl den Gott, der Sündenrichter ist,
dir, süße Seele, für die Sühnefrist
des Hundes Körper strafend auszuwählen?
Trugst du, ein Fürst, zu hoch den harten Sinn,
daß du, ganz Demut nun, bereit zu dienen,
im Staub vor mir liegst, die so arm ich bin?
Warst du ein Mann, der ungetreu erschienen,
verflucht von seiner Buhle Zauberin? - -
Du liegst und forschest stumm in meinen Mienen.
(S. 94)
XXIII.
Sind noch nicht tief genug die Wundenmale,
zu seicht der Blutstrom, der aus ihnen quoll?
Ist noch der Buße großes Maß nicht voll?
Ich zahle, Gott und Gläubiger, ich zahle!
Ich zahle jedes Glück, das Du mir gönntest,
und jede Lust, die neidisch Du verliehen,
für jede Freude, die Du nie verziehen,
geb höhern Preis ich, als Du fordern könntest.
Du hast nicht Strafen, die ich nicht erlitten,
Du hast nicht Hölle, die mich nicht verbrannte,
Du hast nicht Engel, die ich nicht bestritten,
Du hast nicht Tiefen, die ich nicht erkannte, -
wie Luzifer, der einst in Nacht Verbannte,
kann ich nur büßen, - nicht um Gnade bitten! - -
(S. 95)
XXIV.
Ich bau das Haus und ewig soll's uns währen,
der Sturmwind deiner Lust verweht's wie Spreu.
Das Faß der Danaiden, ewig neu
erfüll ich's mit nie ausgeweinten Zähren.
Die Nacht kennt deine abgrundtiefe Reu.
Der Morgen läßt die Adler wiederkehren,
die so an mir, wie an Prometheus zehren,
"Zweifel" heißt einer, einer "Ungetreu" -.
So müde müssen die Verdammten sein,
die über blut- und tränennasse Treppen,
- gehetzt durch der Dämonen Geißelhiebe -
die lang versteinte Last der Sünden schleppen,
und stets von neuem abwärts rollt der Stein ...
- so müd wie ich, die ich zu sehr dich liebe.
(S. 96)
XXV.
Willst du mir Tod, - vergiftet, Stich um Stich
langsamer Nadeln, die ins Fleisch mir dringen?
Nicht ziemt dies dir, dem Erben klarer Klingen,
nicht dem, den Männerkrieg verschont, wie dich!
Willst du mir Tod? - Du sollst ihn offen bringen,
Flamberg in Händen, ehrlich, ritterlich.
Die Brust, an der du ruhtest, biete ich,
als kämst du, mich wie einst zur Lust zu zwingen.
Willst du mir Tod, - was heuchelst du und lügst,
statt zu verfügen, was ich nur ersehne?
Das Schwert, mir wär es Fackel, wenn du's trügst!
Willst du mir Tod, ich stürb ihn ohne Träne,
wenn du mich dann in deinen Mantel schlügst,
mich küssend, - noch - eh ich die Flügel dehne!
(S. 97)
XXVI.
Ich habe dich wie einen Gott verehrt,
den man lobpreisend nur in Hymnen nennt,
das Opferfeuer, das noch heute brennt,
das hat nicht Öl, mein Blut hat es genährt.
Ich, die der Liebe große Mythen kennt,
ich blieb wie alle Frauen unbelehrt -
denn nie ertrug's ein Mann je, so verklärt
zu ragen ins erbleichte Firmament.
Ich schuf dich neu, den Gott erschaffen hat,
ich gab dir Ewigkeit und pflückte mir
vom Kranze deiner Jugend Blatt um Blatt.
So opfert ich - und frevelte an dir.
Und der Ambrosia der Götter satt,
fraßest du dunkle Erde wie ein Tier.
(S. 98)
XXVII.
Du bist des Bösen Fallstrick, ausgelegt
auf meinem Weg, der von der Wüste kam,
du bist Priapus, nackt und ohne Scham,
du bist die Frucht, die Würmer in sich trägt.
Du bist die Geißel Gottes, die mich trifft,
bis Schwäre sich an offne Schwäre reiht,
du bist das meiner Schuld bestimmte Leid,
du bist das mir vom Tod erwählte Gift.
Süß schienst du allen. Alles schienst du mir.
Ich such, was meines Lebens Liebstes war,
in dir nicht mehr, ich such's in reinern Fernen.
Unsterblich thront und lächelnd über dir
das Sternbild deiner Jugend, ewig klar
bei andrer Liebenden verklärten Sternen.
(S. 99)
XXVIII.
Herr, gib, daß ich den wilden Sinn bezwinge,
da mir die Qual geschieht, um die Du weißt!
Herr, gib mir, daß das Herz mir nicht vereist,
wenn ich sein Alles Dir zum Opfer bringe!
Herr, gib, daß nicht mein Wunsch das Band zerreißt,
das mich noch fesselt an die Welt der Dinge!
Herr, gib, daß Deinen Frieden ich erringe,
wenn ich vollbracht, was Dein Gebot mich heißt.
Dein Wille, nicht mein armer Wunsch geschehe.
Du weißt es, Herr, woran es mir gebricht.
Durch Tränenschleier ahn ich Deine Nähe.
Nur Du, o Herr, - nur Du verlaß mich nicht,
da ich am Abgrund aller Welten stehe.
Im Dunkel stehe. Denn mir brennt kein Licht.
(S. 100)
XXIX.
Bestochne Engel irdischen Gerichts,
verdammen meine Freunde dich im stillen,
- sie zürnen dir um meiner Liebe willen,
sie sehn dich nur im Schatten solchen Lichts.
Sieh, es besagt die ärgste ihrer Grillen:
dein Gegenpfand sei minderen Gewichts.
Allein - so lieben machen, ist dies nichts?
Nichts, zu erfüllen, ohne je zu stillen?
Gleich ferne dem Triumphe wie der Scheu
läßt sorglos meine Liebe du gewähren.
Ist dies denn nichts? - Zehn Jahre bliebst du neu!
Wer darf vom Rosenstock auch Frucht begehren?
- Auf deine Art bist du sogar mir treu,
Nicht im Verweilen, nein, im Wiederkehren ...
(S. 101)
Aus: Alma Johanna
Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930
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Sonette für Jan
I.
Traueresche im Regen
O Traueresche, - schwesterlicher Baum,
der nun erst Frühlingsmacht an sich erfährt!
So lang hast Du verzweifelt Dich gewehrt,
nun überwältigt Dich Dein später Traum.
Denn wie Prokrustes mit dem Gast verfährt,
spannt man Dich qualvoll über weiten Raum.
Schwarz, schmerzverkrampft, scheint es mir Astwerk kaum,
was sich nach Licht sehnt und zur Erde kehrt. -
Ja: Trauer, Trauer ist Dein Element!
Ja: Klage, Klage, die kein Ende nimmt
und Sehnsucht, die dem Blitz entgegenglimmt, -
Verwurzeltsein, das dunkle Tiefen kennt.
Da tropfennaß durch's nasse Laub ich spähe,
ist mir, als ob ich Engel weinen sähe.
(S. 5)
II.
Sag' mir noch einmal Du, - daß Du mich liebst -
Der fremden Sprache slawisch weicher Laut
wird, wie dem Herzen, so dem Ohr vertraut,
wenn Du der Liebe fremde Namen gibst.
Vielleicht las meine Mutter einst als Braut
zärtliche Zeilen, wie auch Du sie schriebst.
Dies: "Ja Cie kocham!" dem Du Herold bliebst,
es hat ihr Glück, wie meines aufgebaut.
Hab' ich Dir früher Märchen je erzählt?
Jetzt will ich nur von Aschenbrödel hören.
Sie saß am Herde, traurig, ungestrählt?
Den Prinzen wollten Andere betören?
Und kam er doch? Und hat er sie erwählt?
O "Ja Cie kocham!" Du, ich kann es schwören.
(S. 6)
III.
Jugendbilder des Geliebten
O nähmst Du niemals diese Bilder fort!
Schon lieb' ich sie, als ob sie mir gehörten.
Dies mit dem strengen Blick, dem früh-empörten
und jenes sittsam, wie der kleine Lord,
so aufrecht in dem hohen Stuhl, als hörten
erschreckte Ohren just ein mahnend' Wort.
Doch, o mein Liebster, stünde ich nur dort,
wohin dies dritte blickt, mit süß verstörten,
zärtlichen Augen, die zu viel schon wissen.
Wär' ich der Traum, den diese Stirn umfängt,
wär' mir zu lächeln junger Mund beflissen,
wär' mir Dein Leben eh' und je geschenkt!
Nicht nur ein Blatt vom Buche ausgerissen, -
von großer Hand, die gibt und nimmt und lenkt. -
(S. 7)
IV.
Zum zwanzigsten Geburtstag
Wie schwer ist doch das Schicksal: Arm zu sein.
Nicht für mich selbst, doch kann ich Dir nichts geben,
als dies mein Leben, mein verarmtes Leben
und dies auch ist verschenkt, ist längst schon Dein.
O könnte ich verborg'ne Schätze heben,
wie sie die Schlange hütet unterm Stein,
ich würde Dir den Glanz des Herrschers leih'n
und stünde selbst im Bettlerkleid daneben.
Denn Liebster, arm zu sein - es ist auch Lust!
Ich neigte mich Almosen zu empfangen,
da zogst Du mich empor an Deine Brust
und küßtest mir die Schatten von den Wangen.
Doch tief im Herzen hab' ich stets gewußt:
Wär' Reichtum mein, - Du wärst vorbeigegangen.
(S. 8)
V.
Tritt leise auf, o still, sprich nicht so laut!
Sei scheu, so wie das Wild, das stumm sich deckt.
Oft wähnt' ich schon - im Dunkel aufgeschreckt -,
uns hätt' ein böses Auge angeschaut. -
Lach' nicht so hell! Sie sind so leicht geweckt,
die Eumeniden. - Junges Herz vertraut,
mir aber, mir der Wohlerfahr'nen graut
vor Götterrache, neidisch rasch vollstreckt.
Frag' mich nicht: "Bist Du glücklich?" Weißt Du's nicht?
Laß weise mich, wie Frau'n des Ostens tun,
und rufen: "Sklavin bin ich ekler Pflicht!
Ich muß in des Verhaßten Armen ruhn!
Gemied'ner Leib! Verabscheutes Gesicht!
Ich haß' ihn, o ihr Götter! Schont ihn nun!"
(S. 9)
VI.
Zwei lange Jahre leb' ich ohne Dich,
wenn leben heißt: das liebste Glück zu meiden,
wenn leben darben heißt und Unrecht leiden
und doch dem Stern vertrauen, der verblich.
Wer zog das ärg're Los wohl von uns beiden,
Du - der Gefang'ne - die Verfemte - ich?
Schwer überlastet senkt die Waage sich,
die Schalen schwanken unstät' zwischen beiden.
Den Winter Gottes gilt's zu überstehn,
den Frühling Gottes gilt's vorauszuahnen.
So wie die Meisen schon in Eis und Wehn
mit ihrem hellen Ruf zur Hoffnung mahnen.
Ich hoffe gläubig auf dies Wiedersehn
und Gottes Gnade wird den Weg uns bahnen.
(S. 10)
VII.
Durch eine Welt - ganz ohne Licht und Farben -
geh' ich, so wie von Leiden eingeschneit.
Leid fällt auf mich, ich wate tief in Leid,
- allein Du lebst, da so viel Kämpfer starben.
Stets einsam kenn' ich jetzt erst Einsamkeit.
Stets hungernd, kenn' ich jetzt erst wahres Darben.
Die Ernte faulte mir in vollen Garben,
- allein Du lebst, Gott sei gebenedeit!
Mein Tag ist Mitleid - Ekel - Zorn und Grauen,
die Nacht Verzweiflung - Sehnsucht und Gebet.
- Allein Du lebst, ich darf Traumschlösser bauen.
Ich weine Herz, weil es Dir übel geht.
Ich sehne mich, Dein Angesicht zu schauen,
den Atem segnend, der lebendig weht.
(S. 11)
VIII.
Herz ohne Heimat, ist dies zu ertragen?
Kein Ohr bereit, der Klage sich zu neigen,
nur immer übervollen Herzens schweigen
und Klagen hören, fremde, eitle Klagen. -
Erlöschen sehen in den fremden Blicken,
sobald man Mund zu sein wagt und nicht Ohr;
da schweigt die bitt're Lippe wie zuvor,
das Herz scheint im Verschweigen zu ersticken.
Mund, der nur tröstet und den Gram verschweigt,
der allen Gram der Andern übersteigt, -
Herz, das nur Andern Mitleidstränen weint,
vom eig'nen Leide tränenlos versteint!
Trüg' ich die Lasten mir noch zugelegt,
wär' nicht ein Engel da, der mit mir trägt?
(S. 12)
IX.
Wenn meines Glaubens Kraft das Wunder wirkt
und Wiedersehn begnadet Dich und mich,
dann siehst Du, - selbst noch kindhaft jugendlich, -
was Dir Gewöhnung schonend nicht mehr birgt:
wie alt ich bin. - Denn letzter Glanz verblich.
Des Haares Braun hat Einschlag weiß durchwirkt,
die Augen sind von Runzeln rings umzirkt:
Zitt'rige Runen meiner Angst um Dich.
Doch denk' ich nie, Du könntest mich verlassen.
Ich trau in Tränen Dir, wie einst im Glücke,
denn ein Gefühl wie dies, - kann nicht verblassen.
Und baut uns Gott die Regenbogenbrücke,
wird uns das Wiedersehn zusammenpassen,
wie eines Rings entzweigesprung'ne Stücke. -
(S. 13)
X.
Credo
Es ist mein Amt nicht zu vermaledei'n.
Zum Trost berufen, aber nicht zum Fluche,
ist es mein armer Teil, wenn ich versuche,
im allerengsten Rahmen gut zu sein.
Was auch an Leiden die Geschichte buche,
den großen Sündern möge Gott verzeih'n. -
Ich zeichne an des Bildes Rand mich ein,
mit seinem Inhalt stumm im Widerspruche.
Denn wie der Sperling ohne Unterlaß
im Abfall pickend seine Nahrung findet,
so such' auch ich in einer Welt voll Haß
nach Liebe, die uns tiefgeheim verbindet.
Und davon leb' ich, - mich erhält nur das:
Ich liebe, - und wer liebt, der überwindet.
(S. 14)
XI.
Wie aus ägyptischem Relief gestiegen,
von meinem Wunsch gerundete Figur,
stehst Du vor mir. - Es scheint noch eine Spur
früher Vergoldung auf der Haut zu liegen.
Der Iris Braun gebettet in Lazur,
Haare, die kappeneng an's Haupt sich schmiegen,
des Mundes nubisch-üppige Kontur, -
all dies gemahnt an dunklen, alten Kult
und läßt die Stirn mich tief zur Erde neigen,
verstrickt in meines Götzendienstes Schuld.
Die schönsten Attribute sind Dir eigen:
göttliche Jugend, göttliche Geduld,
und beide lächeln mir aus Deinem Schweigen.
(S. 15)
XII.
Eva
Grausamer Engel mit dem Flammenschwerte,
des kaltes Wort aus Himmeln mich verwies,
in zeitlos-grenzenlose Qual mich stieß
und mich den Urfluch des Geschlechtes lehrte.
Staub fraß ich seither, wie Dein Mund mich hieß.
Mein Herz war blitzgetroffen und es schwärte;
die in der Sühne noch nach Lust begehrte,
ich träumte Dich nur, nicht das Paradies!
Ich liege, ein verkohlter Haufen Leid,
Abschaum der Welt, vertieftes Ungesicht,
gestürzt in teilnahmslose Einsamkeit.
Selbst Flamme nicht mehr, nicht mehr Schwert noch Licht.
Und alles dies wär' mir noch Seligkeit,
wärst Du nur glücklich, Engel! - Du bist's nicht. -
(S. 16)
XIII.
Einsam sind meine Abende und kalt
und ohne Stern, - denn Du bist fortgegangen,
Verwöhnung einzutauschen für Verlangen
Vergötterung für panische Gewalt.
Dein junges Recht ist's, Freuden nachzuhangen,
- mein Recht ist Leiden nur, denn ich bin alt.
Wie Efeu, tausendfing'rig angekrallt
hab' ich zu lange Glück von Dir empfangen.
Und hastig, schon von mir gewandt zum Fest,
beutst Du den süßen Mund mir noch einmal
- der Knabe, der der Mutter Haus verläßt. -
So wie Jokaste, - Mutter und Gemahl -
liebte ich Dich, unschuldig im Inzest,
vom Fluch zu Dir getrieben, ohne Wahl.
(S. 17)
XIV.
Meuterndes Herz, - undienstbar dem Gebot
der furchtbarsten Beherrscherin, der Zeit,
wähnst Du allein von allen Dich gefeit
vor dem Vereisen, das so nah Dir droht?
Lohendes Herz, - ganz unbelehrt durch Leid,
unmüd vor Alter, - ungeschwächt von Not,
willst Du denn glühen bis zum nahen Tod
als ew'ges Licht vor Jugendgöttlichkeit?
Mein Fleisch zerbröckelt Qual, versehrt Beschwerde;
nur kurze Frist noch ist mir hier geliehn.
- Liebst Du noch Herz, auch wenn ich sterben werde?
Vielleicht wird mir ob Deiner Glut verziehn.
Ein Engel nimmt Dich auf aus Schutt und Erde:
im Schattendunkel leuchtet ein Rubin.
(S. 18)
XV.
Frauen! Matronen! Seid von mir beschworen,
lügt mir nicht wie dem Feind, dem Manne, sprecht:
ist Eure Würde des Entsagens echt?
Wonach mich dürstet - gabt Ihr's leicht verloren?
O Frauen, Schwestern, dünkt es Euch gerecht,
daß uns allein zweifacher Tod erkoren?
Denn vor dem Tod, der würgt was da geboren,
droht furchtbar uns das Sterben im Geschlecht.
Ihr Mütter hingebeugt von Eurem Los,
fühlt etwa Ihr Euch minder als Beraubte,
weil Jugend Ihr gebart aus stillem Schoß?
Ich, die wie Jovis nur gebar im Haupte,
vor mir ragt das Verlangen himmelsgroß
und Weisheit liegt zerscherbt, an die ich glaubte.
(S. 19)
XVI.
Ich will nicht klagen und ich will nicht fragen,
ich will nicht hören, was mich elend macht.
Ich weiß es, Du betrogst mich heute Nacht. -
Ich will nicht fragen und ich will nicht klagen!
Verlangt beredt're Zeugen der Verdacht,
als Lippen, die verschwelgt ihr Lächeln tragen?
Als schöne Augen, deren Schatten sagen,
daß neu ihr Glanz an Flamme angefacht?
Ich will nicht hören und ich will nicht weinen,
dem Schleier dankbar, den Dein Mitleid spinnt;
mein Schweigen, Frucht der Neigung, gleich dem Deinen.
Ich will nicht Unheil sehen, das beginnt
und da Du treu scheinst, will ich glücklich scheinen
und nur Dich lieben, - stumm - und taub - und blind.
(S. 20)
XVII.
Ich weiß: es straft Dich einst die gleiche Qual,
wenn erst der Spiegel, statt Dich zu verwöhnen
Dein Bild Dir zeigt, als wollt' er Dich verhöhnen,
wenn Dir die Zeit den ernsten Zauber stahl.
Dann kniest wie ich Du häßlich vor dem Schönen,
tragisch verkettet, Sklave ohne Wahl,
trunkenen Blicks, den Mund verzerrt und fahl
- zu stolz Dein ganzes Leiden auszustöhnen.
Mein blasser Schatten tritt dann bei Dir ein,
Erinnern wird die Jahre überbrücken,
unselig so wie ich, gedenkst Du mein.
Doch ich -? Soll die Vergeltung mich beglücken?
Mein Kind, mein Alles, - soll dies Trost mir sein,
daß auch Dein Haupt einst blut'ge Dornen schmücken?
(S. 21)
XVIII.
Herr rufe gnädig mich aus dieser Not.
Ehrfurcht vor Dir lähmt meinen eig'nen Mut.
Ich kann nicht, wie die schlechte Schildwach' tut,
vom Platze fliehn, darauf Du mich gestellt.
Erlöse Herr dies Herz, des Sturm nicht ruht.
Heb mich aus Nacht, die Höllenglanz erhellt,
entrücke mich der Qual, der ich gesellt.
O Herr und Gott, ich diene Dir nicht gut.
Zerschmettert kann mein Geist sich nicht erheben,
der einst des Mitleids Kraft von Dir empfing.
Wie soll ich andern Trost und Wärme geben,
von Dir verlassen, kläglich und gering?
Du nahmst den Liebsten mir, mein ganzes Leben, -
und forderst, daß ich lebe, da er ging.
(S. 22)
XIX.
Du wähntest mich voll Eifersucht und Leid,
den Tag verweinend, der mich von Dir trennt;
doch wie Undine in ihr Element
glitt ich zurück in kühle Einsamkeit.
Ich, die sonst nach Dir hungert, nach Dir brennt,
ich hatte jählings für so vieles Zeit;
Zeit voll kristallener Besinnlichkeit,
voll hoher Kraft, wie sie Entsagung kennt.
Ich tausche diesen Tag nicht für den Deinen,
der dunkle Wunscherfüllung bot für Dich.
Und mählich dämmernd will es mir erscheinen,
als schlösse unsre Zukunft er in sich.
Dein wartet Lust, sich Deiner Lust zu einen, -
- bestirnte Einsamkeit erwartet mich.
(S. 23)
XX.
Die Blinde und der Lahme
Den Wein der Einsamkeit hab' ich getrunken,
der mehr berauscht als jeder Erdenwein.
Hoffärtig einsam - voll Triumph allein -
wollt' ich vor Gott und Dir mit Stärke prunken, -
und lieh doch nur von Gott und Dir den Schein.
Vom Brand im Dornbusch bin ich bloß ein Funken
und nur in Deinen Augen nicht gesunken,
erschien ich, was ich nicht vermag zu sein.
Vielleicht vergönnt mir Gott nach soviel Leiden
dem Bildnis Deines Traums mich anzunähern.
Vielleicht errieten wir - gleich Liebessehern -
von Anfang an den Aufstieg in uns beiden.
Wenn Du erlahmst, ist's Glück, Dir Kraft zu schulden
und meine Blindheit, bitt' ich Dich, zu dulden.
(S. 24)
XXI.
Wenn Eros nicht mehr, wie der Wolf die Hürde,
mein Herz umkreiste in beengter Haft,
wenn zu erlöster Liebe - Leidenschaft
und zu bereiter Demut - Wildheit würde,
wenn sich zu Leuchtkraft wandelte die Kraft
und der Verzicht zum Lächeln stiller Würde,
wenn Alter nicht mehr Schrecken wär' und Bürde,
nein, nur der Herbst, der volle Scheuer schafft,
dann wäre auch der Fluch von mir genommen,
dem ich seit Ahasver verfallen bin;
dann endlich wär' der Leidensweg erklommen
und aus den Sinnen wüchse mir der Sinn.
Die reichste Gnade wär' mir dann gegeben,
nur mehr in Gott - nur mehr für Dich zu leben.
(S. 25)
XXII.
Sternäugig bist Du und ich liebe Dich.
Doch liebt' ich schon den schattenhaften Knaben
voll Lebensangst und Rücksicht im Gehaben,
der seines Werts erst inne ward durch mich.
Von Göttern nur empfangen Menschen Gaben.
Ich gab Dir nichts; der Gärtner nur war ich.
Das Reis trug seine Früchte schon in sich,
ich habe bloß den Boden umgegraben.
Erfahrung hat der Jugend sich gesellt.
An Geist und Seele wachsend unterdes
bist Du der süße Knabe noch geblieben.
Und doch: - wer heute Deinem Glanz verfällt,
liebt nicht allein Dich Alkibiades,
mich Sokrates auch muß er in Dir lieben.
(S. 26)
Aus: Alma Johanna
Koenig Sonette für Jan
I. Luckmann Verlag Wien 1947
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