Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Theodor
Körner
(1791-1813)
Poesie und Liebe
Der Sänger rührt der Leier goldne Saiten,
Und in der Seele ist das Lied erwacht;
Es strahlt durch das gewalt'ge Reich der Nacht
Ein göttlich Licht zum Opfer aller Zeiten.
Ein Wesen nur vermag den Klang zu deuten;
Es naht sich still in süßer Himmelspracht,
Und wie vom Götterhauche angefacht,
Erglüht das Lied, die Wolken zu durchschreiten.
Da wogt ein üpp'ges Meer von Harmonieen;
Es schwebt das trunkne Lied im Strahlenflore
Durch Lichtgefilde einer ew'gen Klarheit.
Wo Lieb' und Dichtkunst ineinander glühen,
Da öffnen sich des Himmels Rosentore,
Und aufwärts fliegt das Herz zur heil'gen Wahrheit.
(S. 77-78)
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Als sie eine
Kornähre in der Hand zum Blühen brachte
Ein jeder Wunsch, den in des Herzens Räumen
Mit zartem Sinne zarte Herzen pflegen,
Blüht herrlich auf mit wunderbarem Segen,
Kann nimmer seines Lebens Tag versäumen.
Und so machst du in heitern Frühlingsträumen
Verborgne Kraft sich in der Pflanze regen;
Zum zweiten Male sproßt sie dir entgegen,
Und neue Blüten lockst du aus den Keimen,
Und so auch wogt, hat mich dein Blick getroffen,
Ein heißes Sehnen tief in meinem Busen,
Und schneller als die Blüte dir geblüht,
Erglüht mein Herz mit jugendlichem Hoffen;
Der Genius ergreift mich und die Musen,
Und deiner Anmut singt mein kühnes Lied.
(S. 118-119)
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Aus: Theodor Körner's sämmtliche Werke
Im Auftrage der Mutter des Dichters
herausgegeben und mit einem Vorwort begleitet
von Karl Streckfuß Berlin 1861
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