Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Otto
Heinrich Graf von Loeben
(1786-1825)
Südduft
Im Herzen wohnt ein unaufhörlich Sehnen,
Zu wogen in des Südens Farbentanze,
Berauscht im Blüthenstaub der Pomeranze,
Hinwegzufliehn auf wollustvollen Tönen.
Wo fern die dunkeln Meeresstrudel dröhnen,
Zu baden am Gestad' im Abendglanze,
Mit einem selbstgebrochnen Lorbeerkranze
Die heiße Stirn zu kühlen und zu krönen.
So ist in mir ein ewiges Erglühen
Nach einem Süd der Lieder und der Liebe,
Sanft badend in geheimnißvollen Wogen.
Es klingt vor mir ein nahn' der Regenbogen,
Daß ich nicht immer so entfernet bliebe
Kann hin und her auf ihm der Bote ziehen.
(S. 29)
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Sonette der Liebe - Das zweite
Der Himmel fühlt und theilet meine Qualen,
Auch ihm geht nun der Sonnenschein vorüber,
Die Luft wird schwül, die Ferne trüb' und trüber,
Und ernste Schatten dräun' den Berg' und Thalen.
Das Blau verwallt in Dunst, die finstern, falen
Gewölke ziehn in voller Pracht herüber,
Es neigt der Tag sich in die Nacht hinüber,
Aus irrem Dunkel zukken weiße Stralen.
Ich brauche nicht die Finsterniß zu scheuen,
Ich wandle mit trübsel'gem Auge weiter,
Den Stürmen und den Wolken mich ergebend.
Nur ringend kann ich meinen Muth erneuen,
Die Blizze nahen, und ich werde heiter,
Als Phoenix über meiner Flamme schwebend.
(S. 29-30)
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Sonett 85
Dem blüht kein Lorbeer, der die Liebe meidet!
Zum Schattenreiche kranzlos wird er ziehen,
Vor ihm wird Saffo und Alcäus fliehen,
Und Orfeus, der den Lethe nicht mehr neidet;
Vor ihm Petrarca, den der Lorbeer kleidet,
Torquato, dem die Welt ihr Ohr geliehen,
Ariost, gewohnt, vor Frauen hinzuknieen,
Der hohe Dante, der die Sfären scheidet.
Novalis, der mit ernster Ahndung Bliken
Erstrebt, den Bau des Lebens zu betrachten,
Bekennt, es sei der Lehrling edler Frauen.
Und Göthe lächelt, daß die Schläf' ergrauen,
Daß Abendwinde nach den Rosen trachten,
Die aus dem Lorbeer ew'ge Düfte schiken.
(S. 86)
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An Wilhelmine
[So war der Name
der dahingeschiedenen Jugendgeliebten,
deren Gedächtnis der folgende Sonettenzyklus gewidmet ist 92. - 109.]
92.
So war kein Wiedersehen uns beschieden,
Als ich dir jenen Abend Abschied sagte,
Dein blasser Mund um unser Scheiden klagte,
Dein Herz zerrissen war, ich ohne Frieden?
O, daß ich damals alle Furcht vermieden,
Und nicht, gleich dir, an jedem Trost verzagte!
Wohl sagtest du's, als ich zu scheiden wagte:
"Du hast auf immer dich von mir geschieden."
Hätt' ich, wie jetzt, dies traur'ge Wort verstanden;
Mich hätte nichts aus jenem Arm gerissen,
Dem meine Hände damals mich entwanden.
Nun mahnt mich an den Abschied mein Gewissen,
An jene Blicke, die in Thränen standen,
An süße Bande, die ich selbst zerrissen.
(S. 91-92)
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93.
Dich fragt' ich oft: wirst du mich auch beweinen,
Wenn sich dereinst mein Hügel wird erheben?
Dich fragt' ich oft: wirst du ihm Kränze geben,
Und heiße Küsse seinen kalten Steinen?
Wie grausam will mir jetzt die Frage scheinen!
Nicht gegen dich, die Sterne nun umschweben;
Nein, gegen mich; ich muß dich überleben,
Ich trotze deinen theueren Gebeinen.
Was soll ich, Theure, deinem Hügel schenken?
Du hast die Blumen alle mitgenommen
Die deiner Hand gefiel auf mich zu streuen.
Nur Lorbeer'n hab' ich, auf dein Grab zu senken,
Und heiße Wangen, die für Lieb' entglommen,
Und Lippen, die den Kuß des Todes scheuen.
(S. 92)
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94.
Welch' feindlich Schiksal wollte sich verschwören,
Und hatte deine Antwort hintertrieben,
Als ich die leztenmale dir geschrieben,
Von dir die Wahrheit, nur von dir zu hören?
Man hoffte mich in meinem Trost zu stören,
Im süßen Trost, du seist mir treu geblieben;
Man wollt' ein falsches Bild mir unterschieben,
Mich zur Verachtung wider dich empören.
Sie wußten leicht, daß du so lang' geschwiegen;
Sie würden sonst an meiner Hoffnung nagen,
Dein oder mein Brief sei vielleicht verloren.
Nun kann ich über alle Zweifel siegen:
Dein Tod entschuldigt dich auf alle Klagen;
Nur Unschuld grüßt die himmlischen Auroren.
(S. 92)
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95.
So will ich nur auf deine Briefe trauen,
Auf jene frühen, welche vor mir liegen;
Und auf die Zeit, seit welcher du geschwiegen,
Soll mehr kein Argwohn, soll nur Andacht schauen.
An jenen Worten will ich mich erbauen,
Die sich gleich dir an meine Seele schmiegen,
Die du, selbst meinem Mitleid obzusiegen,
Geliebt der zarten Feder zu vertrauen.
Weil, oberwärts von üpp'gen Weinlaubs Ranken
Das trunkne Haupt, von Blumenwuchs umgeben,
Am Nekar ich der ganzen Welt vergessen:
Schreibst du: "O Freund, beklage nicht mein Leben;
Sähst du mich bei der Arbeit, voll Gedanken,
Mein Glück nur würde Thränen dir entpressen."
(S. 93)
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96.
Wie wohl ist mir, bei jedem Brief zu weilen,
Den du, getrennt von mir, an mich gesendet;
Wie süße Bilder werden mir gespendet
In jedem Worte dieser theuren Zeilen!
"Die Zeit," schreibst du, "scheint mir zu sehr zu eilen,
Wenn bei der Arbeit, die mein Fleiß vollendet,
Mein Blick auf deine Briefe sich gewendet,
Auf Angedenken, die mein Sehnen theilen.
Wenn Freundinnen mich zum Spaziergang rufen,
Wie fühl' ich dann mich erst allein gelassen,
Wenn jener Sitz am Fenster mir entschwunden!
Wohl kann's von jenen auch nicht eine fassen,
Was mir für Balsam meine Thränen schufen;
Ein Herz wie deins, hat keine ja gefunden."
(S. 93)
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97.
Es zog sich meine Stirn in bange Falten,
Als üble Rede mir ans Ohr geschollen,
Und ich, der deine Stimme hören wollen,
Von dir noch immer keine Zeil' erhalten.
Als ich sie endlich in der Hand zu halten
Vermeint', und eingelegt in fremde Rollen;
Da mußt' ich ach! die dich befragen sollen,
Die eignen Zeilen aus dem Brief entfalten.
Zu spät hätt' ich den letzten Brief geschrieben!
Denn während er auf seinem halben Wege,
Warst du bereits am Ziele deiner Reise.
Du starbst in eines andern Gaues Pflege,
Damit der Ort, wo ich gelernt zu lieben,
Mir nichts als ew'ge Blumenspuren weise.
(S. 93-94)
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98.
Es war der achte Tag im rauhen Merzen,
Vor nur vier Monden und zwei ganzen Jahren,
Als ich zum letzenmal in frohen Schaaren
Mit ihr getanzt aus unbesorgtem Herzen.
Mich freu'ten diese Töne, diese Kerzen,
Das lichte Wimmeln unter diesen Paaren;
So oft die Tänzer unbeschäftigt waren,
Saß ich mit ihr, halb lustig, halb in Schmerzen.
"Auf diesem Saal sind wir nicht mehr beisammen!"
Sprach sie alsdann, und ich nahm ihre Hände,
Sie weinte sanft, und ich verfiel in Schweigen.
Ja wohl! wir tanzen nun nie mehr zusammen!
Dich zog der Tod in düstre Wände,
Denn Anmuth fehlte seinem Schattenreigen.
(S. 94)
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99.
Zwei Gegner waren wider uns im Bunde,
Und dachten unsre Liebe zu vernichten;
Erst kam die Zeit, und hieß mich schnell verzichten
Auf jeden Kuß von deinem lieben Munde.
Doch als die Trennung eine tiefre Wunde
Als erst dein Aug' in mir schien anzurichten,
Da kam der Tod dem Feinde beizupflichten,
Damit ich dich vergesse und gesunde.
Vereint euch nur, unmöglich mir zu machen
Die Wiederkehr in jene treuen Arme,
Wo ich die Zeit, wo ich den Tod vergessen.
Was Zeit, was Tod, das lehrt ihr mich ermessen;
Doch daß die Genien der Liebe wachen,
Lehrt mich ein Gott in meines Herzens Harme.
(S. 94-95)
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100.
Gern möcht' ich dir so viele Spenden geben,
Und habe nichts, als Augen, welche weinen;
Ja, nur wenn Blumen ächte Liebe meinen,
Verstehst du meiner Opfer zärtlich Streben.
Nicht mag ich selbst mit Trauerlaub' umweben
Was schon als Grab betrübt genug will scheinen;
Ich suche nur, mich innigst zu vereinen
Mit dem, was übrig ist von deinem Leben.
Mein Wunsch ist nicht, daß ich dein Grab verhülle
Mit diesen Blumen, die ich dir gespendet;
Der Streit um dich soll beide mir verklären.
Ich weiß mein Herz in solcher Jugendfülle,
Daß selbst zu deinem Grabe hingewendet,
Kein Thau lebend'ger stralt, als meine Zähren.
(S. 95)
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101.
Ein Mädchen, aus dem Mittelstand entsprossen,
Für alles Froh' und Gute voll Bewegung,
Und klügrer Einsicht fern, und klügrer Pflegung,
So war, um die ich Thränen hier vergossen.
Und wie sie mich das erstemal umschlossen,
Entzückte mich ein Geist voll feur'ger Regung,
Ein reicher Sinn voll Scherz und Überlegung,
Ein Reiz, der über alles ausgegossen.
In ihrer Hand las ich die meine wieder,
Nicht zart're Briefe küßt' ich, als die ihren,
Mit keiner flog ich wärmer durch den Reigen.
Die Schwächen selbst, das mädchenhafte Zieren,
Die süße Neugier mag ich nicht verschweigen;
Das zog so oft mich auf die Knie nieder.
(S. 95-96)
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102.
Herb' ist es, wo zwei Liebende sich trennen,
Am lezten düstern Abend sich bestellen,
Und trostlos wanken von den stummen Schwellen;
Was da das Herz zerreißt, ich lernt' es kennen.
Und wenn in Busen, die für Liebe brennen,
Des Zwistes Funken allverzehrend schwellen,
Da löschen auch die wilden Thränenquellen
Die Qualen nicht, die keine Worte nennen.
Ich kannte beides; und in meinem Wähnen
Verneint' ich größre Trauer könn' es geben
Und ungereimtre Reden, als die meinen.
O dürft' ich jetzt um Zwist und Irrung weinen!
Empfing' ich Lebewohl, und dürft' es geben!
Was seid ihr Thränen gegen diese Thränen!
(S. 96)
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103.
Dem Wandrer, den auf einer eil'gen Reise
Ein schnellentstandner Wasserstrom verhindert,
Bleibt sichre Hoffnung, daß er sich vermindert,
Geduld, bis er zurük in seine Gleise.
Der Schiffer feiert an des Flusses Eise,
Des Frühjahrs harrend, wo der Frost gelindert;
Ein Alter der noch gern mit Tulpen kindert,
Fühlt, welcher Keim in seinen Zwiebeln kreise.
Mich hat von meiner Heimat, die so glühend,
Ein Strom unsel'ger Thränen abgeschnitten,
Der nie verläuft und keine Brüke leidet.
Wo wär' ein Schiff, das jenen Raum durchschneidet
Von mir zu ihr? - und wo, auf welche Bitten
Belebt ein Gärtner, was nur einmal blühend?
(S. 96-97)
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104.
Die Stadt, wo ich so vieles Glük genossen,
So viele schöne Regungen empfunden,
Umgiebt mich wieder; Jahre werden Stunden,
Nun mich die alten Freunde rings umschlossen.
Und alles grüß' ich, so wie Hausgenossen,
Und im Gedächtniß ging kein Ort verschwunden,
Und vieles find' ich, wie ich es gefunden,
Der alte Bund des Antheils ist geschlossen.
Doch wie ich alle Häuser wieder nenne,
Die Fenster weiß, an welchen Freunde wohnen,
Bleibt eine Straße, die ich still durchwanke.
Dort steht ein Haus, an dem ich nichts mehr kenne
Als seine Mauern, die die Jahre schonen
Und seine Thür, einst meiner Sehnsucht Schranke.
(S. 97)
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105.
Ist hier das Haus, das unsrer Liebe Sehnen
Zum Tempel weiht' allseliger Gefühle?
Der Tempel steht, ein Haus voll öder Kühle
Will über seine Priesterin sich lehnen.
Wie sich die Häuser einsam vor mir dehnen!
Ich steh' allein im gällenden Gewühle,
Und keiner fragt von allen was ich fühle,
Nach welchem Zauber sich die Blicke sehnen.
Sonst durft' ich unten nur vorübergehen,
Da schien die Sonn' aus diesen stummen Scheiben,
Da lacht' ein Stern, wenn dort der Mond am Himmel.
Mag ich mich tagelang durch dies Gewimmel,
An diesem Hause mich vorübertreiben:
Die Flamm' erlosch, und kalte Lüfte wehen.
(S. 97-98)
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106.
Du stille Hütte, die uns gern empfangen,
Wo süße Blumen wir so oft gefunden,
Wenn draußen alle tief im Schnee verschwunden,
Auf kahlen Aesten kleine Vögel sangen!
Wie fröhlich kam ich zu dir hergegangen,
Wie ward ich o! in dir so sanft umwunden,
Wenn meine Gute schon sich eingefunden
Im Herzen Ungeduld, Angst und Verlangen.
Hier saß mein Kind, und ich an ihrer Seite;
Die Stadt war hinter uns im Schnee verborgen,
Doch nichts vom Winter war um uns zu spüren.
Voll muntrer List, voll Furcht oft und voll Sorgen
Gab ich ihr dann am Abend das Geleite,
Jetzt reicht mein Arm nicht weiter, sie zu führen.
(S. 98)
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107.
Ich segne den Entschluß, der Wünsche Dringen,
Die mich zu dir und deines Stromes Wogen,
Du traute Stadt, mit süßer Macht gezogen,
Den alten Gruß von neuem dir zu bringen.
Wie meine Schmerzen auch mich laut umfingen,
Beklemmend mich die Schwermuth angeflogen,
Hier hab' ich endlich Kunden eingezogen,
Und aufgelöst sind der Verwirrung Schlingen.
Verdacht auf andr' und Sie, den ich erstikte,
Doch der den Winden gleich in Aeols Schlauche
Bei'm leisesten Vergessen sich befreite.
Er floh, wie mir die Wahrheit Strale schikte,
Daß sie mich zu dem Licht des Glaubens leite:
Sie liebte dich bis zu dem letzten Hauche.
(S. 98-99)
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108.
Sonst schwindet langsam mit dem Trauerkleide
Das stete Weh', das Suchen und Vermissen,
Die Wunde, die man anfangs aufgerissen;
Doch meine Liebe wächst mit meinem Leide.
Oft von Eurydicen auf blum'ger Weide
Les' ich, wie eine Schlange sie gebissen;
Bis wo sie dem Gemal' auf's neu entrissen,
Les ich; das ist die Stelle, die ich meide.
Schon sind so manche Monde hingeflossen
Seit jenem traur'gen Tag'; und nun erst sag' ich:
Ich lerne sie vermissen und beweinen.
Was Menschen trösten kann, halt' ich umschlossen,
Alte Geschichten, fromme Bücher frag' ich,
Ob Liebende sich trennungslos vereinen?
(S. 99)
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109.
Am Fenster oft verträum' ich ganze Stunden;
Ich weiß nicht was ich will und was ich denke;
Ich blick' auf Kleider, zierliche Gehenke,
Und traure, wenn sie von der Straß' entschwunden.
Ein dunkles Haar, auf deine Art gewunden,
Ein Gang, ein Wuchs, von dem ich find' er senke
Sich wie der dein', und dieser Arm, er schwenke
Sich wie dein Arm; das will mich süß verwunden.
O wären solche Züge, die dir gleichen,
Von deinem Geist beseelt, von deiner Güte,
Der gleiche Wuchs, verspräch' er gleiche Liebe:
Ich weiß nicht was ich thät', ich lief', ich schriebe,
Bis das verwandte Wesen für mich glühte,
Und, selbst getäuscht, mir Täuschung könnte reichen.
(S. 99-100)
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Aus: Gedichte von
Otto Heinrich Grafen von Loeben
Ausgewählt und herausgegeben von Raimund Pissin
Berlin W. 35 B. Behr's Verlag 1905
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