Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Hieronymus Lorm
(1821-1902)
Gelöbniß
Wir sprachen viel in trauter Abendstunde
Von Schmerz und Liebe, Sterben und Bestehn,
Wie muthig wir in jede Zukunft seh'n,
Weil Gruß der Ewigkeit in unsrem Bunde.
Da rang der heiße Wunsch sich mir vom Munde:
O, könnt' mein Leben wie ein Traum verwehn!
Mit dir vereinigt möcht' ich untergeh'n,
Ein Kuß der Seelen uns're Todeswunde.
Doch als ich sah dein Auge sich erheben
Und dein von Lieb verklärtes Angesicht,
Gelobt' ich - selbst auf deinem Grab zu leben!
Mit dir vergeh' dein Bild auf Erden nicht,
Noch einen Abglanz will der Welt ich geben
Im Wort - in hohen Thaten - im Gedicht.
(S. 17)
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Die Myrthen
Wie mögt ihr doch so froh im Sonnenstrahl,
Vom West gewiegt, ihr grünen Myrthen sprießen,
Und durftet einst ein theures Haupt umschließen,
Dem euer Schmuck den Schmuck des Lebens stahl!
Sie beugte sich gelassen, ohne Wahl,
Doch ward ihr harmlos jugendlich Genießen,
Was ihre Träume märchenhaft verhießen,
Noch früher als die grüne Myrthe fahl.
Und jetzt, wenn liebend meine Blicke brennen,
Wie glänzt ihr Aug' in hellem Jugendschimmer,
Als lernt' Genuß und Traum sie wieder kennen!
So reiches Blüh'n gebührt euch, Myrthen, nimmer,
Denn ihr vereint, was feindlich sich will trennen,
Und trennt, was sich vereinen will für immer.
(S. 17)
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Die Schönheit
Die Schönheit dringt als Klang von gold'ner Leier,
Als Marmorbild und Farbenreiz zur Seele.
Doch was sie immer als Erscheinung wähle,
Den Baum in seiner Ruh - im Flug den Geyer -
Ob sie dem Stern, der Landschaft stiller Feier,
Dem Gliederbau des Leibes sich vermähle,
Welch' irdisch Formenspiel von ihr erzähle:
Ihr selbst entsank noch nie der letzte Schleier!
In Hüllen nur enthüllt sie sich den Sinnen,
Als Wirkung nur verräth sie sich dem Geist,
Nicht als Erkenntniß ist sie zu gewinnen.
Drum ist der Sehnsucht voll, wer Schönheit preist:
Sie lockt nach einem fernen Ziel von hinnen,
Das sie versagt, indem sie es verheißt.
(S. 60)
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Galathea
Ich kniete vor dem regungslosen Steine
In Liebe hin; - o wollt' der Tod sich lügen
Zum Weib in diesen ehern kalten Zügen,
Daß er als Schönheit meinem Blick erscheine?!
Vergebens daß ich glü'nde Thränen weine!
Gebet und Wunsch und Flammenworte trügen,
Das Tiefste meiner Brust will nicht genügen,
Wenn ich den Marmor zu beleben meine.
O hätt' das holde Loos auch mich getroffen,
Daß ihr, entflammt von meiner Liebe Lust,
Das Auge plötzlich für das Dasein offen!
Verkehrten Schicksals bin ich mir bewußt:
Ihr Herz blieb Stein und all mein Glück und Hoffen
Erstarrt zu Tod an ihrer todten Brust.
(S. 104)
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Briefwechsel
I.
Er schreibt:
Jetzt, da mein Leben
schon zerstört, verwittert,
Bist du, ein Licht des Friedens, mir erschienen,
Wie auf in Staub zerfallende Ruinen
Ein bleicher Mondesstrahl versöhnend zittert.
Wie oft ist meine Seligkeit zersplittert
An blöden Herzen schnellbethörter Phrynen,
Bis mir mit deinen wunderbaren Mienen
Ein Himmel ward, den Zweifel nicht verbittert.
Ich liebe dich! Mit schmerzlicher Geberde
Erheb' ich segnend über dich die Hände,
Ich fühl's, wie bald ich dir entfliehen werde.
Erhörung fleht das Wort nicht, das ich sende,
Nur wissen sollst du, Herrlichste der Erde,
Daß du der Trost in einem Menschenende.
II.
Sie schreibt:
Umhüllt vom reichsten
Glanz, wie bin ich elend!
Wie schmerzt mein Haupt, gedrückt vom Diademe!
Indeß ich gern der Hirtin Kränze nähme,
Des Dorfes stillen Frieden mir erwählend.
Zur Seite geht mir, meine Thränen zählend,
Ein Mann, für den ich kaum den Haß bezähme,
Indeß ich gern zu dir mit Schätzen käme,
Mein todtes Glück durch deine Lieb' beseelend.
Und dennoch, laß' uns muthig weiter leben!
Uns eint ein Schmerz, ob Alles sonst uns trennt.
Laß' von der Lieb' Bewußtsein uns umweben!
Wie weit der Stern auch von der Blume brennt,
Ist ihm der Strahl und ihr der Duft gegeben
Zum heimlichen Verkehr, den Gott nur kennt.
(S. 109-110)
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Aus: Gedichte von
Hieronymus Lorm
Siebente, vermehrte Auflage
Dresden und Leipzig
Verlag von Heinrich Minden 1894
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