Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Ludwig I. von Bayern
(1786-1868)



II. Sonett

Ich fühle stilles seliges Entzücken,
Der Himmel lachet mir in deinen Zügen,
In deinem Anblick schon wird mir Genügen,
Die alle Reize lieberweckend schmücken.

Stets wird mich deine Gegenwart beglücken;
Vertraue mir, ich kann dich nicht betrügen,
Es kann mein Herz das deine nicht belügen,
Der Liebe Flammen niemals unterdrücken.

Was mir jetzt wird, ich kann es nicht verwehren,
Es fließet in das Leben neues Leben,
Ich spür' es wie ein himmlisch mildes Wehen;

Empfinde mein Gefühl sich nur vermehren,
Ein wonnetrunknes Daseyn mir gegeben,
Zufrieden bin ich, selig dich zu sehen.
(Band 1 S. 38)
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VIII. Sonett

Sey glühend oder kalt, wirst doch entzünden;
Mein Herz es muß dich leidenschaftlich lieben.
O Liebe! in Natur bist du geschrieben,
Es kann der Mensch nicht deine Macht ergründen.

Durch Liebe werden wir befreyt von Sünden,
Durch sie zur höchsten Tugend selbst getrieben,
Erloschen scheinend ist sie doch geblieben,
Wird desto glühender sich nur verkünden.

Und immer wieder brechen aus die Flammen,
Die Tage ohne Liebe trübe rinnen.
Mich drücket dumpfe Leere ohne Minnen.

Aus ihr die heiligsten Gefühle stammen,
Und Erd' und Himmel hält sie fest zusammen,
Entschwingt zur Ewigkeit der Geist von hinnen.
(Band 1 S. 94)
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IX. Sonett
An meine Frau

Wie Engel sanft, von ewig gleicher Güte
Und Milde, ruhig wie des Himmels Bläue,
So oft dein Wesen, lauter Lieb' und Treue,
Ein Bild der Tugend und der Anmuth Blüthe.

Es kennet nicht dein Herz die bittre Reue,
Das für das Edle einzig glüht und glühte;
Die Kindlichkeit in deiner Seele hüte,
Jedwelcher Tag erneute Wonne streue.

Gleich eines klaren Baches sanftem Fließen,
Der Frühling lieblich, reizend schön umwunden,
Sich froh bewegt durch blumenvolle Wiesen:

So ist die heitre Folge deiner Stunden,
Die sich in Seelenfrieden mild ergießen,
Durch dein Gefühl dem Himmel schon verbunden.
(Band 1 S. 107)
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XII. Sonett

Nicht sätt'gen kann ich je mich, dich zu sehen,
In deinem Anblick ist mein Wesen trunken,
Zur Flamme ward in mir der Liebe Funken,
In Liebe nur vermag ich zu bestehen.

Wie angerührt von Zauberdüfte Wehen,
Wenn du mir nah'st, in Seligkeit versunken,
Wenn mir dein Blick erwiedernd sanft gewunken,
In Liebe möcht' ich dann entzückt vergehen.

Es füllen meine Augen heiße Thränen,
Dir nahe weilend; doch von dir getrennet,
Verzehret mich das schmerzlich süße Sehnen.

Und aller Sprachen keine jemals nennet
Mein Fühlen, Wahrheit ist es und kein Wähnen;
Dem blieb die Liebe fremd, der es nicht kennet.
(Band 1 S. 128)
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XIV. Sonett
Der Sicilianerinnen Augen

Kein Feuer, Glut, was strömt aus euren Augen,
Ein namenloses sehnendes Verlangen,
Um liebend Gegenliebe zu empfangen,
Entzücket Seel' in Seele zu verhauchen.

Ein neues Daseyn ist mir aufgegangen,
In's Meer der Wonne fühle ich mich tauchen,
Der Augen Strahlen möcht' ich ewig saugen,
Mein Blick möcht' an dem ihren ewig hangen.

Her aus der Aetna diese Gluten stammen,
Sind wie die seinen unvergänglich während;
Aus eigner Glut ist sich die Glut ernährend.

Des Zaubers Macht vereinigt sich zusammen
In eurer Augen allgewalt'gen Flammen.
Nicht lebt, der eurer Nähe ist entbehrend.
(Band 1 S. 229)
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XV. Sonett
Der Römerinnen Augen

Wer könnte jemals nennen das Beglücken,
In eurer Augen Liebesglanz zu sehen!
Vor meinen Erd' und Himmel da vergehen;
Es ist der Lebensblüthe wonn'ges Pflücken.

Wie mag'sche Lüfte aus Elysium wehen,
So bringen eure Augen mir Entzücken,
Aus diesem Leben sie mich hehr entrücken,
Kein Sterblicher vermag zu widerstehen.

Ihr Blick ist Sonnenstrahl, der Blindheit bringet,
Wir nahen ihm nicht lange unversehret,
Der Himmel weilt in eurem Aug' verkläret.

Beseliget, dem Liebe es gewähret!
Lebend'ges Feuer, das zum Himmel dringet;
Die Sinne schwinden, Seele sich entschwinget.
(Band 1 S. 251)
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XVI. Sonett

In heft'ger Brandung ward das Schiff getrieben,
Ein traurig Spiel der Winde und der Wellen,
Es drohte an den Felsen zu zerschellen,
Und überall war Untergang geschrieben.

Die erst gelockt, sich dann entgegen stellen,
Daß irrend durch das Klippenmeer getrieben,
Ihm selber keine Hoffnung mehr geblieben;
Es schien nicht das Gewölk sich aufzuhellen.

Da taucht die Liebesgöttin aus den Wogen,
Hingebend ist das Schiff ihr nachgezogen,
Es folget ihr, sie hat es nicht betrogen.

Besel'gend führt der Ruhe sie entgegen,
Und nimmermehr kann sich der Sturm bewegen.
Ich sehe dich, und Streit und Qual sich legen.
(Band 1 S. 232)
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XVIII. Sonett
Raphaels Galathea in der Farnesina zu Rom

Triton will sich an die Najade schmiegen,
Der eine faßt die andere entzücket,
Auf Galathea's Antlitz, hold geschmücket,
Beseligend sich alle Reize wiegen.

Nicht braucht's, daß Pfeile werden abgedrücket
Von diesen Liebesgöttern, welche fliegen;
Nur wollen darfst du, Nymphe, um zu siegen,
Dein Blick aus dieser ird'schen Welt entrücket.

Und alles lebt und liebet froh erreget,
Und eilt in freudigem Gedräng' beweget,
Es hat sich jedes Lüftchen nun geleget.

Und Erd' und Himmel nie so milde ruhten;
Delphine führen dich auf zarten Fluthen,
In deinen Augen sehnen stille Gluthen.
(Band 1 S. 237)
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XXXI. Sonett

An deinen Blicken möcht' ich ewig hangen;
Sie sehend Raum und Zeit vor meinen schwinden;
Geliebt sich fühlend, seliges Empfinden!
Daß nie ich sagen muß: "Es ist vergangen."

Mich an dein Wesen Zauberkräfte binden;
Befreyt von jedem irdischen Verlangen,
Will Liebe nur für Liebe ich empfangen,
Beglückter! denn ich durfte dich ja finden.

Geweihte Augenblicke sind gegeben,
Die plötzlich kommen, niemals sich erneuen,
Entscheiden für des Menschen ganzes Leben.

Wenn er sie nicht ergreift, wird er's bereuen,
Sie ruft zurück kein Sehnen und kein Streben;
Lass' Saat jetzt für die Ewigkeit uns streuen.
(Band 1 S. 306)
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XXXVIII. Sonett

Möcht' diese Uhr beständig vor doch gehen,
Beschleunigt zeigen uns den Tanz der Horen,
Der immerhin von neuem wird geboren,
Wenn sich uns naht die Zeit zum Wiedersehen.

Doch selbst nicht nachgehn, stille soll sie stehen,
Wenn deinen Tönen lauschen meine Ohren,
Die liebend Polyhymnia erkoren;
O! könnte mein Verlangen dieß erflehen.

Mit einem Bande hast du mich gebunden,
Mit ew'ger Kette aber fest umwunden
Hält mich dein Werth, den innigst ich empfunden.

Der Tugend bleibe treu, ihr nie entsage,
Daß niemals ihre letzte Stunde schlage!
Unendlich währen würde meine Klage.
(Band 2 S. 91)
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XLV. Sonett

Verkünden möchte ich's der Welt, verkünden,
Daß sie mich liebt, daß ich das Glück genossen,
Daß ihrem Herzen Lieb' für mich entsprossen.
Wer könnte dieses Wonnemeer ergründen!

Es ahne selbst der Freund nicht dieß Verkünden;
Er wisse, daß der Pfeil mein Herz durchschossen,
Doch ewig, ewig sey auch ihm verschlossen
Des ihrigen durchwonnendes Entzücken.

Daß von den Lippen Flammen ich gesogen,
Daß glühend sie das Seligste gestanden,
Wie unsre Blicke in einander brannten,

Das bleibe jedem Sterblichen entzogen,
Er höre nie, wie sie mir ist gewogen;
Es stirbt das Glück, wie es die Menschen nannten.
(Band 2 S. 116)
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XLVI. Sonett

Aus Aether zart gewobenes Gebilde,
Vom Hauch der Anmuth zauberisch umflossen,
Du, über die die Grazien ergossen
Die Fülle ihrer Reize, ihre Milde.

Der Erde bist du, Schönste, nicht entsprossen,
Du nahest uns aus himmlischem Gefilde,
Es sinkt an deiner Tugend festem Schilde
Ein jeder Pfeil, der gegen sie geschossen.

Belebend und selbst lebend in den Strahlen
Erhabner Seelenliebe, reinen Gluten,
Entschwingst den Menschen du zum Idealen.

Das Ird'sche reißt die Zeit in ihre Fluthen,
Dem sündlichen Genuß entkeimen Qualen,
Doch ew'ger Lohn wird hier bereits dem Guten.
(Band 2 S. 117)
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XLVII. Sonett

Jetzt über Venus üpp'gem Reich erhoben,
An welches sclavisch lange ich gekettet,
Auf einem Felsen stehe ich gerettet.
Es rauschet unter mir der Lüfte Toben.

Ihr Sinnenreize seyd für mich zerstoben,
Ihr seyd, als wenn ihr nie gefaßt mich hättet;
In Seelenruhe ist mein Seyn gebettet.
Nach unten nicht, es geht mein Blick nach oben.

Ich bin so überselig! bin verkläret!
Und Luft und Erde sind mir nun erheitert,
Durch Liebe ist der Himmel mir erweitert.

Die Glut, die mich durchströmt, mich nicht verzehret,
Mich wonnend der Geliebten ihre nähret,
Auf meine Tugend jeder Angriff scheitert.
(Band 2 S. 118)
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XLVIII. Sonett

Verstummet sah ich, konnte gar nichts sagen,
Dem Munde war die Fähigkeit entnommen,
Doch was aus unserm Blicke da gekommen,
In keiner Sprache ist's zu übertragen.

Mir war so wohl und dennoch so beklommen,
Als unsre Hände in einander lagen,
Wir hörten unsre Herzen schmachtend schlagen,
In Liebeswonne sind wir da geschwommen.

Es war ein sehnsuchtsvolles träumend Wachen,
Getrennet waren wir und doch vereinigt,
Von süßem Schmerz beseligt und gepeinigt,

Nicht spürend, daß der Neider Zungen stachen;
Ein auf der Götter Wink verhüllter Nachen
Im Schiffe-Kreis, in Liebesfluth gereinigt.
(Band 2 S. 119)
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XLIX. Sonett

Nur Eins und auf das Höchste mannichfaltig
Ist's Schöne, bist du, Schönste ja von Allen;
Gefällst, entzückst, nicht suchend zu gefallen,
Du, deren Inneres ist so gehaltig.

Ich seh' ein Ideal verklärt dich wallen,
Du, Seelenvolle, herrschest allgewaltig.
Daß du bereits entschwebest mir so baldig!
Doch blos die Töne, sie allein verhallen.

Der Künstler hat mit seltenem Geschicke
Dich aufgefasset in dem Silberblicke,
Damit es glühend immer mich erquicke.

Italien mit Teutschland zart vereinet,
Was wonnend, Herrliche, in dir vereinet,
Er zeigt's, indem durch ihn dein Bild erscheinet.
(Band 2 S. 122)
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L. Sonett

In Wonnefluthen unsre Herzen schwammen,
Nicht zu einander fühlten sie sich neigen,
Sie waren selig eins dem andern eigen,
Die Seelen waren eine nur zusammen.

Die in dem Sterblichen sich plötzlich zeigen,
Die uns mit sich erhebend reinen Flammen
Nicht von der Erde, von dem Himmel stammen,
Zu seinen Höhen wiederum entsteigen.

Das, was im Schoos der Ewigkeit gegründet,
Des Zeitgebornen Schicksal nicht erfahret,
Wenn's in dem Strom der Zeit sich auch verkündet.

Wie gegenseitig sich geoffenbaret,
Die Seelen gleich der Liebe Funke zündet,
Und ewig wird die heil'ge Glut bewahret.
(Band 2 S. 123)
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LII. Sonett

Im Frühlingsschmucke prangen viele Gärten,
Die, offen, mich zu holden Blüthen laden,
In ihren lauen Lüften mich zu baden;
Berührt doch dürfen sie von mir nicht werden.

Verboten, außer einem, mir auf Erden
Sind alle, zwar enthält er Blumensaaten,
Doch kommt zu ihm man nur auf steilen Pfaden
Und kalte Aufnahm' wird für die Beschwerden.

Der Liebe süße Stimmen zaubrisch tönen,
Es lockt in Liebesstrahlen mich zu sonnen,
Doch wie ich folge, folgt des Vorwurfs Stöhnen;

Wie ich's umfasse, ist das Bild zerronnen,
Verweht der Reiz, wie ihm die Sinne fröhnen,
Verloren ewig, was ich glaub' gewonnen.
(Band 2 S. 138)
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LIII. Sonett

Wenn mir verführerische Blicke winken,
Daß ich vom Pfade nicht der Tugend scheide,
Verhinderst du, daß ich auf ihm nicht gleite,
Wenn's in der Schönheit Arme drängt zu sinken.

Der Wollust Küsse dürstet mich zu trinken,
Ein Engel stehest du jedoch zur Seite,
Beschützend gebend sicheres Geleite,
Ob Firmamente gleich von Augen blinken.

So, rettend, führe mich durch's ganze Leben,
Du, Himmlische, vom Himmel mir gesendet,
Und liebend laß' mich einst zu ihm entschweben.

Dich sieht mein Geist und nie wird mehr verblendet
Der Blick von Sinnenlust, die nie gegeben
Befriedigung, den Frieden nur entwendet.
(Band 2 S. 139)
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LV. Sonett

In deinen Blicken ewig mich zu sonnen,
Verlangt mein rastlos sehnendes Gemüthe.
Bewundern immer dürfen deine Güte,
Die Seligkeit bereits hätt' ich gewonnen.

Sie wurde mir des Daseyns schönste Blüthe,
Wär' auch des Lebens Faden ausgesponnen,
Wenn meine Tage jetzt bereits zerronnen;
Du glühtest ja für mich, wie ich dir glühte,

Und werden glühen für einander immer,
Uns trügt kein Wahn, uns täuschet auch kein Schimmer,
Uns bleibt der Liebe magisches Geflimmer.

Indem sie liebend immer sich verzehret,
Die eine Glut die andere ernähret,
Verändrungslos in uns sie ewig währet.
(Band 2 S. 144)
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LVI. Sonett

Auf kurze Zeit nur dürfen beyde Sphären
Sich nahen, um von Neuem lang zu scheiden;
Was nie sich trennen möchte, muß sich meiden,
Das kaum empfundne Glück so bald entbehren.

Obwohl den Trennungsschmerz sie müssen leiden,
Kann doch das Wiederfinden nichts verwehren!
In ew'ger Sehnsucht sie zurückekehren,
Das Wiedersehn wird immer wieder Beyden.

Nicht weichen dürfen sie aus dem Geleise,
Die endlos unterworfen dem Geheiße
Sind der Natur, die festgesetzt die Kreise.

Wenn Kronos doch zurück die Sterne bringet,
Dann Glut von einem zu dem andern dringet,
Zu ew'gem Feuerkreis sich selbe schwinget.
(Band 2 S. 145)
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LVII. Sonett

Entzücken hauchet deines Wesens Milde,
Ein himmlisches beseligendes Wehen;
Wir können nichts in deiner Näh', als sehen
Dich herrliches ätherisches Gebilde!

Vor dir, Holdselige, wir sprachlos stehen,
Es wird durch deinen Anblick sanft der Wilde,
Die Erde paradiesisches Gefilde;
Der Eindruck bleibt, ob Jahre auch vergehen.

Doch bald erbleichen muß der Rosenschimmer,
Mit Hebe schwebet weg die zarte Blüthe,
Entführt durch Kronos, und sie kehret nimmer.

Durch deine Sanftmuth, deine Engelsgüte
Wirst herrschen du, Einnehmende, doch immer
In jedem unverdorbenen Gemüthe.
(Band 2 S. 148)
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LXVI. Sonett
An mein abwesendes Weib

Mich drängt's, nach dir die Arme auszubreiten,
Geliebtes Weib, dich glühend zu umfangen,
Beseliget an deinem Mund zu hangen,
Um niemals von demselben mehr zu scheiden.

Nach deinen Reizen strebet mein Verlangen,
Durchwonnt an deinem Anblick mich zu weiden,
Um den die Götter selber mich beneiden,
Die nie ein holdes Weib gleich dir errangen.

Zu meines Lebens Glücke du Geborne,
Von meinem Herzen liebevoll Erkorne,
Dich darf ich hochentzückt die Meine nennen.

Bist zwar für jetzo eine mir Verlorne,
Doch bald wird es von dir mich nimmer trennen,
Auf deinen Lippen bald die meinen brennen.
(Band 3 S. 19)
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LXXII. Sonett

Es ist in dir mein Schutzgeist mir gegeben;
Was immerhin auch möchte noch geschehen,
Du wirst als solcher mir zur Seite gehen,
Mein Schutzgeist bleibest du durch's ganze Leben.

O! möchtest du in mir auch Deinen sehen!
Dieß ist mein glühend sehnendes Bestreben,
O! möcht' mein Bild beschirmend dich umschweben,
Um die Versuchung siegend zu bestehen.

Dich habe ich, Holdselige, gefunden,
An dich bin unzertrennbar ich gebunden,
Der Reiz zur Sünde selbst ist mir verschwunden.

Der Strahl der Gnade hat mein Herz getroffen,
Dem Reinen ist der Himmel wieder offen,
Nach ihm! nach ihm gerichtet ist mein Hoffen.
(Band 3 S. 74)
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LXXIII. Sonett

Du ziehst mich an, wie der Magnet das Eisen,
Nicht will, nicht kann ich jemals von dir lassen,
Für immer muß es uns're Seele fassen,
Die Welt vermag nicht dir mich zu entreißen.

Kann ich mich selbsten denn so tödtlich hassen,
Daß ich dich möcht' aus meinem Herzen reißen,
Dem liebend für dich schlagenden, dem heißen;
Ja! zu einander uns're Geister passen.

Dein Herz, es ist die Richtung meines Strebens,
Du bist mein Heil, bist mir des Lebens Quelle,
Du, Theure, bist die Seele meines Lebens.

Die Zeit verfließt und Well' zerrinnt auf Welle,
Die Lieb' zu mindern sucht sie doch vergebens,
Und in der deinen nur wird mir es helle.
(Band 3 S. 75)
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LXXIV. Sonett

Was er besaß, weiß blos, wenn es verloren,
Der Liebenden, getrieben auf den Wogen
Des Zweifels hatte er sich selbst betrogen,
Er kränkte sich wie's Herz, das ihn erkoren.

Die Gluth für mich ist diesem Herz entzogen,
Sie wurde fortgeführet von den Horen,
Und nimmer! nimmermehr wird sie geboren,
Zu dem verlornen Himmel führt kein Bogen.

Mir bleibet nur die endelose Klage
Um die mir selbst geraubten sel'gen Tage;
Vergeblich sich mein Sehnen nun bemühet.

Es hat für mich die Liebe abgeblühet,
Für einen Andern sie entzücket glühet,
Und ewig, ewig ruft's mir zu: Entsage!
(Band 3 S. 84)
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LXXV. Sonett

Beständig mich verfolgend jetzo schleichet
Des Liebebruches Bild, ich kann's nicht wehren,
Und jeder Freude Keim muß es verzehren;
Daß gräßliche Gespenst von mir nicht weichet.

Der Gram im Herzen muß sich immer mehren,
Die blühende Natur mir jetzt erbleichet,
Wenn's Allen jubelnd tönet, mir es schweiget;
Gewühl und Einsamkeit mein Leiden nähren.

Und Alles ruft mir zu und zeigt mir immer,
Wie mich beseligte der Liebe Schimmer,
Und alles zeigt und ruft: Es kehret nimmer.

Gestillet war mein Suchen und mein Sehnen,
Versieget glaubte ich der Liebe Thränen,
So däucht' es wonnig mir, es war ein Wähnen.
(Band 3 S. 85)
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LXXVI. Sonett

Den weiten Himmel hielt Gewölk umzogen,
Es schien, als wollt' es immerfort so währen,
Doch fing es an sich wieder aufzuklären,
Ein Lichtstrahl drang da durch den Himmelsbogen.

Gleich wieder mußte ihn der Mensch entbehren,
Nur flüchtige Erscheinung war gewogen,
Auf's Neue hatte ihn sein Wunsch betrogen,
Er sieht die Finsterniß zurückekehren.

Es sind die Wolken dichter nun vereinet
Zu einem endelosen Meer verbunden,
Gehüllt in Trauer, und der Himmel weinet.

So wird es Dem, der Liebe glaubt gefunden,
Wenn solche ihm von Neuem wird verneinet,
Und jedes Glück des Lebens ist verschwunden.
(Band 3 S. 86)
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LXXVII. Sonett

Auf dieser Erde alles sich ausgleichet;
Den Kelch der Seligkeit hab' ich getrunken,
Da Liebe mir aus deinem Blick gewunken,
Vor welcher Alles, Alles! eilend weichet.

Herab vom Himmel bin ich nun gesunken,
Kein Sehnen jemals wieder ihn erreichet;
Gezwungen nie zu uns sich Liebe neiget;
In der Geliebten ist verlöscht der Funken.

In meinem Herzen aber ist geblieben
Die Gluth, und rastlos sie nur mehr zu lieben,
Je kälter sie, dazu werd' ich getrieben.

Es ist der Boden unter mir gewichen,
Bin aus der Zahl der Glücklichen gestrichen;
Es ward durch Qual die Wonne ausgeglichen.
(Band 3 S. 87)
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LXVIII. Sonett

Du hast das Leben mir zurückgegeben,
Entzücken strömt durch alle meine Glieder,
Es schlägt dein Herz für mich auf's Neue wieder,
Mir ward, was ich nicht glaubte zu erstreben.

Mir tönen überall jetzt Jubellieder;
Von dir geliebt vermag ich nur zu leben;
Mir ist's so leicht, so selig! möchte schweben,
Auf dieser Erde hält es kaum mich nieder.

Die Sonne ist mir wieder aufgegangen,
Der Liebe Strahl die Trauer gleich verscheuchte
Der Nacht, die mir das Daseyn schwarz umfangen.

So sehr es auch mich früher schmerzlich beugte,
So bleibt mir jetzo nichts mehr zu verlangen,
Weil, was du sprachst, von höchster Liebe zeugte.
(Band 3 S. 102)
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LXXIX. Sonett

Von Neuem lodern ihre Herzensflammen,
Die ich so lange schmerzlich mußt' entbehren,
Entzückend sie die meinen jetzo nähren;
Sie aus der Liebe heil'gen Tiefe stammen.

Ja! das Gefühl, in dem wir selig schwammen,
Nicht konnt' es die Entfernung ganz verzehren;
Wie lange aber wird die Flamme währen?
Ach! sinket sie nicht wieder bald zusammen?

Es ist die Gluth im Herzen nur verborgen,
Erscheint sie völlig ausgelöschet heute,
Entschwinget sie mit neuer Kraft sich morgen.

Es wird die Liebe nie der Zeit zur Beute,
Das Ewige kann niemals ihr gehorchen,
Frisch glüht die Lieb', obgleich die Welt zerstreute.
(Band 3 S. 103)
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LXXXIII. Sonett

Mein ganzes Fühlen, Leben war ein Sehnen,
Ein unaufhörlich glühendes Verlangen
Nach meiner Sonne, die kaum aufgegangen,
Verdeckt geworden von der Trennung Thränen.

Da stand die Holde neben mir, und dehnen
Sich, liebend beugend zart mich zu umfangen,
Den Arm ich sah, ich sah die Rosenwangen.
Das Glück, was ich empfand, es war kein Wähnen.

Es mußte die Erscheinung schnell verwehen,
Sie wurde nimmermehr von mir gesehen,
Doch ewig wird der Eindruck fortbestehen.

Kann nie den seelenvollen Blick vergessen,
Erinnern werde ich mich ewig dessen,
Und was mir wurde, bleibt von mir besessen.
(Band 3 S. 119)
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LXXXVII. Sonett

Ein Ideal der Phantasie, das lebet
In wonnezitternd zauberischem Schimmer,
In ätherlichtem, glänzendem Geflimmer,
Dein Bild vor meinem Geist entzückend schwebet.

Mit allem Schönen, Schönste, mir verwebet
Bist du, durch dich verkläret wird es immer;
Es wär' der Süden sonst mir Süden nimmer,
Du bist es, die Italien erhebet.

Die Erde ist von Finsterniß umnachtet,
Doch du erscheinst gleich einem lichten Sterne,
Auf welchem mir der Blick verweilt so gerne,

Den ewig neue Sehnsucht nur betrachtet,
Nach dem die Seele ahnend, hoffend schmachtet;
Es drängt mein Wesen nach der süßen Ferne.
(Band 3 S. 128)
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LXXXVIII. Sonett

Als Gegenwart soll unbeweglich stehen
Die Zeit, in der ich so entzückt empfunden,
Der Liebe Kranz sich um mein Haupt gewunden,
Ich selig fühlte ihre Flammen wehen.

Wie wenn die Jahre, die seitdem entstunden,
Das Licht der Sonne nie und nie gesehen,
Dieß will ich träumen (nicht die Zeit soll's mähen):
Daß ich besitze noch, was ich gefunden.

Dort wo sie war, da lebt mir die Erkorne,
Nicht wo sie ist, in Roma sie verweilet,
Die mir zum Heile und zur Pein Geborne.

Wie unaufhaltbar gleich die Zeit enteilet,
So bleibt doch in Erinn'rung das Verlorne,
Die ew'ge Dauer liebend ihm ertheilet.
(Band 3 S. 129)
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LXLIII. Sonett

Ein gold'ner Traum im farbenlosen Leben
Erschienst du mir, dir führte mich's entgegen,
Mein ganzes Wesen fühlte sich erregen,
In freud'gem Schwung sich wiederum erheben.

Dem Leben ist sein Glanz zurückgegeben
Durch deiner Augen Strahlen, niemals legen
Wird sich der Seelen-Eindruck; will ihn pflegen;
Mich die Erinnerungen sanft umschweben.

Und fest will ich sie halten, nicht verschwunden
Ist dann, was wir erlebet; blühend währet
Es immerfort, nicht von der Zeit verzehret.

Beseligender wird, was wir empfunden,
Und die geword'nen wonnig schönen Stunden,
Sie werden durch die Sehnsucht uns verkläret.
(Band 3 S. 159)
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LXLIV. Sonett

Wie schwer ist's Leben ohne Lieb' zu tragen!
Wie flach es ist, wie freudelos und öde!
Nicht hat die Erde, was Ersatz uns böte,
In Fesseln ist die Seele selbst geschlagen.

O selig ist der Liebe Morgenröthe!
Wenn in zwey Herzen es beginnt zu tagen,
Wenn für einander beyde alles wagen,
Wenn ihr Gefühl verschmelzt wie Hauch der Flöte.

Und eine neue Welt ist aufgegangen
Dem mächtig liebentflammenden Gemüthe;
Durch Liebe wird die Weihe nur empfangen.

Sie ist des Lebens himmlisch schöne Blüthe,
Durch sie allein gestillt wird das Verlangen,
Es kennt des Lebens Werth blos der, der glühte.
(Band 3 S. 160)
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CII. Sonett

Wie wahre Liebe irdisch nicht geboren,
So ist von ihr, die einmal wir empfunden,
Auch niemals die Erinnerung verschwunden;
Das Himmlische, es gehet nie verloren.

Die liebevoll verlebten sel'gen Stunden,
Sie werden niemals zwar heraufbeschworen,
Und dieses wähnen können nur die Thoren,
Doch bleiben dem Vergang'nen wir verbunden.

Wenn längstens schon der Liebe Traum vergangen,
Und von der Zeit gebleicht die Rosenwangen,
Wird dennoch sie im Reich des Lebens prangen.

Wie jene Zeit gewesen, wir sie sehen,
Fest, wie die Ewigkeit, so bleibt sie stehen,
Der Seele wird nicht, kann nicht sie verwehen.
(Band 3 S. 257)
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CV. Sonett
Auf die Augen der ***inen

Aus ihren Augen blicket das Verlangen
Nach Liebe, keineswegs nur zu gefallen,
Nicht Einem oder Einigen, nein! Allen,
Mit den Eroberungen blos zu prangen.

Vergnügt, wenn Keiner ihrem Netz entgangen,
Wenn ihr Triumph vollständig kann erschallen.
Von dem allein zurück die Pfeile prallen,
Dem sie bekannt, die Andern sind gefangen.

Nicht liebend sich den Liebenden vereinen,
Es wollen ihre Blicke nur berücken,
Wenn das erreicht, dann fühlen sie Entzücken.

Berechnung alles nur, und alles Scheinen,
Sie täuschen blos, nicht redlich sie es meynen,
Sie wollen And're nicht, nur sich beglücken.
(Band 4 S. 12)
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CXII. Sonett

Kaum können sich von dir die Blicke wenden,
Und immer wiederum zurücke lenken;
Dir dienen sie, obgleich sie müssen senken
Die Augen, weil die meinen mir sie blenden.

Besel'gende Empfindung sie mir schenken,
Die auf die Erde Himmelswonne senden;
Der Eindruck, den du machst, er kann nicht enden,
Und immer, immer! muß ich an dich denken.

Du bist so lieblich, bist so freundlich milde,
Entzückende, Holdsel'ge, Anmuthsreiche,
Aus einem lichtern, heiteren Gefilde.

Du Rosige, dein schönes Köpfchen neige
Nur immerfort. Dein Anblick niemals stillte
Mein ew'ges Sehnen. Du hast keine Gleiche.
(Band 4 S. 50)
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CXVII. Sonett

Der Liebe wonnig, heiterem Beginnen
Des jungen Frühlings erste Tage gleichen,
Wenn grüner Schimmer lächelt von den Zweigen,
Und überall in der Natur ist Minnen.

Der Sommer folgt, der Glut muß Alles weichen,
Da giebt's kein Denken mehr und mehr kein Sinnen,
Gewonnen scheint, was möglich zu gewinnen,
Dem glüh'nden Herzen ist das Glüh'nde eigen.

Es kömmt der Herbst und Alles ist gekühlet;
Auch für die Liebe wird der Herbst einst kommen,
Es fühlt nicht mehr das Herz was es gefühlet.

Der Winter wird nicht der Natur entnommen,
Und alles Leben ist dann weggespühlet.
Der Liebe letzter Funken ist verglommen.
(Band 4 S. 68)
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CXIX. Sonett

Du hast die Jugend wieder mir gegeben,
Der Seele die erhebend hehren Schwingen,
Die in des Himmels ew'ge Höhen dringen,
Du hauchst in mir beseligendes Leben.

Es ist in mir kein Kämpfen mehr noch Ringen,
Bedarf nicht mehr den Sieg erst zu erstreben;
Dem Ird'schen die Gefühle frey entschweben,
Die himmlischen allein mich jetzt umschlingen.

Gereinigt durch der Liebe heil'ge Flammen,
Entfesseln freudevoll sich die Gedanken,
Die in der trüben Sinnlichkeit sonst schwammen.

Die vor dem Himmel streng erhobnen Schranken,
Sie sinken durch der Liebe Macht zusammen,
Und Liebe nur bewirkt, daß wir nicht wanken.
(Band 4 S. 108)
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CXX. Sonett

Das Hohe, Herrliche muß mich beseelen,
In Liebessehnen muß das Herz mir schlagen,
Erglühend, freudig hoffen, muthig wagen,
Es kann der Kampf allein das Leben stählen.

Vermögend nicht die Ruhe zu ertragen,
Wenn meinem Geist Beschäftigungen fehlen,
So muß er immerfort sich selbsten quälen,
An meinem Inneren alsdann es nagen.

Im Stande nicht das Glück uns zu bewahren
Erfordert's, um es wieder zu empfinden,
Daß seinen Unbestand das Herz erfahren.

Dem Ird'schen läßt nicht Dauer sich verbinden,
Fortwährend Glück ist nur den Engelsschaaren,
Dem Menschen muß es immer bald entschwinden.
(Band 4 S. 136)
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CXXIII. Sonett

Ein liebevolles Leben war das meine,
Von Eros Pfeil ward oftmals ich durchdrungen,
Und willig wurde ich von ihm bezwungen.
Das Höchste ist die Liebe doch, die reine!

Wie öd' das Leben, wenn sie uns verklungen!
Empfinden können Seligkeit wir keine,
Wenn nicht verklärt in ihrem Zauberscheine.
Durch Liebe wird die Macht der Welt bezwungen.

Die Liebe macht das ird'sche Leben länger,
Vervielfacht's, macht es inhaltsreich, enteilen
Muß leer das liebentblößte, es wird enger.

Nur Liebe kann Befriedigung ertheilen,
Beseliget allein ist ihr Empfänger,
Dem es vergönnt daß sie in ihm darf weilen.
(Band 4 S. 145)
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CXXVIII. Sonett

Durchzuckt hier sonsten von der Liebe Beben
Empfand ich's durch mein ganzes Wesen brennen,
Gefühle, welche keine Sprachen nennen,
Entgegen der Geliebten wollt's mich schweben.

Die Wonn' und Leiden kann ich nimmer kennen,
Wie ruhig ist jetzt alles und wie eben!
Ich habe kein Verlangen mehr noch Streben,
Es mußte sich für ewig von mir trennen.

Und Jahr' nach Jahren sind vorbey geflogen,
Sie, die so vieles in der Welt zerrieben,
Die Glut aus meinem Herzen spurlos sogen.

Was ewig schien, sie haben es vertrieben,
Mit ihnen ist die Liebe hingezogen;
Erinnerung allein ist mir geblieben.
(Band 4 S. 195)
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CXXXIII. Sonett

Ein Blitz der in die Herzen schlägt, durchglühend,
Das ist die Liebe, die gleich schnell verschwindet,
Und sich von neuem plötzlich wieder findet,
Verwelkend bald und ebenso erblühend.

Eh' sie bemerkt wird, hat sie schon entzündet,
Es rettet sich der Mensch nicht vor ihr fliehend;
Die Liebe ist enteilend und verziehend
Wie ihr's beliebt, die Keiner noch ergründet.

Sie ist des Lebens schimmernd hehre Blume,
Beseligung in ihrem Heiligthume,
Und nur in ihm, sie find't sich nicht im Ruhme.

Es wird durch sie der Augenblick verkläret,
Zugleich des Herzens Ruhe doch verzehret,
Und doch nicht glücklich, welcher sie entbehret.
(Band 4 S. 212)
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CXLII. Sonett

Von meinem Blute hast du eingesogen,
Und Glut in meinen Adern eingehauchet,
Das Herz mir in ein Flammenmeer getauchet;
Mein Wesen eilet hin auf Lavawogen.

Längst hatte der Vulkan nicht mehr gerauchet,
Still zog sich über ihn der Himmelsbogen,
Erloschen schien er; Ruhe hat betrogen,
Sein Gährungsstoff bestand, war nicht verbrauchet.

So fand sich's jetzt in meines Herzens Tiefen,
Es waren die Gefühle nicht zerrieben,
Vorhanden immer seyend, sie nur schliefen.

Da haben deine Blicke sie getrieben
Aus ihrem Schlummer, die in's Leben riefen,
Und selig bin ich wiederum zu lieben.
(Band 4 S. 263)
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Aus: Gedichte Ludwigs des Ersten Königs von Bayern
Erster bis Vierter Theil Dritte Auflage
München im Verlage der Liter. Artist. Anstalt
der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1839
 





 

 

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