Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Christian
Ludwig Neuffer
(1769-1839)
Sonnettenkranz an Ida
1.
Süßer Friede, meiner
Kindheit Loos,
Der, als ich der Unschuld, sanft umschlungen,
Lag im Mutterarm, den Peinigungen
Heißer Leidenschaft mein Herz verschloß!
Der mir lachte, wenn ich kummerlos,
Von den Nachtigallen eingesungen,
Unter Myrten träumte, ach, verschlungen
Hat die Zeit dich in den finstern Schooß!
Seit die Lieb' in diesem Herzen waltet,
Schwanden meine heitern Phantasie'n,
Meines Frühlings Erstlinge verblüh'n.
Anders hat die Welt sich mir gestaltet,
Alles scheint verödet und veraltet,
Während Höllenflammen mich durchglüh'n.
(S. 87)
2.
Könnt' ich Hoffnung
aus den Sternen lesen,
Dürft' ich Ihr des Herzens Glut gesteh'n,
Hocherhaben zu des Himmels Höh'n,
Dünkt' ich mich verwandt mit Götterwesen.
Zwar ich möchte lieber ganz genesen,
Denn mir sagen diese bangen Weh'n,
Nie wirst du vom Schicksal Sie erfleh'n!
Aber wer soll diesen Zauber lösen?
Die Natur? - doch Idas Namen ruft
Mir den Wald, die Flur, die Frühlingsluft,
Jede Quelle rauscht mir ihn entgegen.
Eine andr're Liebe? - Aber wie
Kann ein fremder Wunsch dieß Herz erregen?
Ach, es hat ja kein Gefühl, als Sie!
(S. 88)
3.
Oft erquickt ein
Strahl von Hoffnung mich,
Doch das schöne Morgenroth umdüstern
Wolken bald, und kurzer Lust verschwistern
Langen Kummers Nachtgedanken sich.
Dann, dann räth die Klugheit mütterlich,
Und der Warnung Stimmen hör' ich flüstern:
Sey du nicht nach fremdem Gute lüstern,
Diese Rose blühet nicht für dich!
Wohl, ich will der Warnung mich bequemen,
Will versuchen, was mich Klugheit heißt,
Ob ich diese Flamme möge zähmen,
Die mein tiefstes Leben heiß durchfleußt.
Doch ich weiß, ich werde meinem Geist,
Sieg' ich je, die kühnste Schwinge nehmen.
(S. 88-89)
4.
Wirst du nie ein
off'nes Ohr mir gönnen?
Wird mein Urtheil nie in Gunst gestillt?
Wirst du mich, der dir nur Treue hält,
Als den Deinen liebend nie erkennen?
Ach umsonst soll diese Flamme brennen?
Nie von Freude wird mein Aug' erhellt?
Einsam soll ich pilgern durch die Welt?
Ewig mich von dir, o Ida, trennen?
Lange hab' ich, lang' umsonst gekämpft,
Dieser Liebe Bande zu zerreißen.
Sprich, wer kann Gewitter schweigen heißen,
Wer hat je des Sturmes Wuth gedämpft?
Soll ich mich von ihr, o Ida, trennen,
O, so gieb auch Kraft mir, dieß zu können!
(S. 89-90)
5.
Du gehst hinweg, und
ahnest nicht einmal,
Welch tiefer Gram in meinem Herzen brütet,
Du kennest nicht, die schrecklich in mir wüthet,
Die schaudernde, verschmähter Liebe Qual.
Hinweg von mir, mich afft dein falscher Strahl,
O Hoffnung, die nur Elend mir gebietet!
Weg Träume beß'rer Zeiten, ihr verblühtet
Den Pflanzen gleich im abgestorb'nen Thal!
Mein ganzes Leben scheidet hin mit dir!
O, wenn im Jubel bräutlicher Gesänge
Ein Andrer vom Verhängniß dich erränge,
Dann laß die thränenwerthe Sorge mir,
Ob sich im finstern Winkel unsrer Erde
Mein wundes Herz einmal verbluten werde.
(S. 90)
6.
Es ist gescheh'n, die
Anker sind gelichtet,
Ich stoße frei von dieser Circe Strand;
Den langen Zauber, der an Sie mich band,
Hat meines Lebens Genius vernichtet.
In euer Heiligthum, ihr Musen, flüchtet
Ein anderer Odysseus, der, verbannt
Durch Götterzorn vom heimathlichen Land,
Nach euerm Port die vollen Segel richtet!
Wie nach des Aethers segensvollem Licht
Der Flora Kinder ihre Häupter heben,
So weidet sehnend sich nach euch mein Leben.
Wenn jeder Anker meiner Hoffnung bricht,
Mit euch allein ist alles mir gegeben;
Verschmähet nur des Dulders Opfer nicht!
(S. 91)
7.
Oft schon hab' ich
Ida's Dienst verschworen,
Wenn ich sah, wie mich ihr Blick vermied,
Oft, wenn ich aus ihrem Hause schied,
Nannt' ich unmuthsvoll mich einen Thoren.
Aber schnell ist Kraft und Muth verloren,
Wenn mit Huld auf mich ihr Auge sieht,
Und in süßer Wehmuth Flammen glüht
Mir das Herz, durch Hoffnung neu geboren.
Wenn des Morgens Purpur mich begrüßt,
Wähn' ich oft von Liebe mich entbunden;
Doch die kurze Freiheit ist verschwunden,
Eh' des Abends Gold in Westen fließt
Flög' ich selbst bis zu den goldnen Sternen,
Würd' ich diese Liebe nicht verlernen.
(S. 91-92)
8.
Wie wohl ist mir,
wenn sie mir freundlich nickt
Dann könnt' ich Felsen-Bahnen, Berge tragen,
Durch Flammen geh'n, Alcidens Werke sagen,
Ein anderer Mensch, zu Himmlischen entzückt.
Wie weh' ist mir, wenn sie mir feindlich blickt!
Dann will alsbald ich an mir selbst verzagen,
Die Kraft ist fort, der Jugendmuth erschlagen,
Die Freude stirbt, mein Eden ist entrückt.
Was bist du, Liebe, für ein Ungeheuer,
Gleichst der Natur, die stets sich selbst entblättert,
Dem Phönix, der verbrennt in eignem Feuer!
Dein Schmerz ist Wollust, deine Wollust Schmerz,
Ein Blick von dir vernichtet und vergöttert,
Mit Tod und Leben spielt dein falsches Herz.
(S. 92-93)
9.
Welkend hing des
Lebens Blume nieder,
Unter des Geschickes Sturm und Müh',
Und die nachtumhüllte Phantasie
Wagte kaum zu klagen ihr Gefieder.
Nun auf's neu belebt der Geist der Lieder
Mich durch allgewaltige Magie,
Und in meines Herzens Melodie
Tönen laut der Freud' Akkorde wieder.
Ist es Wahrheit, daß die Nacht entwich,
Die mit Rabenschatten mich umfangen?
Ist der Sehnsucht banger Schmerz vergangen?
Fühl' ich wieder froh und jugendlich?
Ist der Himmel meinen Wünschen offen?
Darf ich endlich Lieb' um Liebe hoffen?
(S. 93-94)
10.
Es ist kein Traum,
der mich zum Gotte log,
Nie war der Sinne leichter Dienst mir treuer,
Noch schwebt um mich des Tages frohe Feier,
Wie ich mit ihr zum Reihentanze flog.
Es war kein Feenspiel, das mich betrog,
Ich fühle selig mich und athme freier,
Mir zeugt es noch dieß süße Zauberfeuer,
Das ich in's Herz, von ihr umschlungen, sog.
Die Welt hätt' unter mir versinken können,
Der Himmel über mir in Flammen brennen,
Ich wär' aus meiner Wonne nicht erwacht.
Nun schließe sich mein Aug' in Grabesnacht,
Nun mag der Tod des Lebens Bande trennen,
Bevor mich neuer Kummer elend macht.
(S. 94)
11.
"Des Lebens Fessel
nimm, o Tod, mir ab,
Laß dieser Welt voll Thränen mich enteilen!
Was soll ich in dem falschen Leben weilen?
Wie wenig ist's, was mir das Schicksal gab?
Der Tugend bricht der ungetreue Stab,
Das Laster baut sich stolze Ehrensäulen,
Und Wunden bluten, welche niemals heilen,
Zur Freude führt der Weg nur durch das Grab."
So sank ich oft vor Schmerz in Unmuth nieder,
So hab' ich oft mein Schicksal angeklagt,
Doch seit der Hoffnung Morgen wieder tagt,
Erwacht die Lust in mir zum Leben wieder,
Ach, nur ein Blick, ein Händedruck von ihr
Schafft um zum Paradies die Erde mir.
(S. 95)
12.
Könnt' ich Lieder,
wie Petrarka singen,
Werth des Kranzes der Unsterblichkeit,
Würd' ich alle, deinem Preis geweiht,
In des Ruhmes Sonnentempel bringen.
Und, wie Lauras Name, sollte dringen
Deines Lob's Gedächtniß weit und breit
Zu den Völkern, zu der fernsten Zeit,
Und im Enkelmunde sich verjüngen.
Zwar zu keiner solchen Höhe trug
Meinen Geist des Liedes kühnen Flug,
Dennoch hab' ein Denkmahl ich gegründet,
Dauernder als Marmor oder Erz,
Das dem Sturm der Zeiten trotzt, mein Herz,
Von der Liebe Götterflamm' entzündet.
(S. 95-96)
Aus: Gedichte von
Neuffer
Erstes Bändchen Cabinets-Ausgabe
Hildburghausen u. New York
Druck und Verlag vom Bibliographischen Institut 1829
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An Iduna
Laß mir den Trost, von dir geliebt zu seyn,
Du wirst mir neuen Lebensmuth gewähren,
Wirst mir des Kummers lange Nacht verklären
Durch deines Auges heitern Sonnenschein.
Zur schwersten Pflicht wirst du mir Kräfte leih'n,
Mich wandeln auf dem Pfad des Ruhmes lehren,
Dem Schönen und dem Guten Treue schwören,
Mich freudig jeder großen Tugend weih'n.
Vereint mit dir eil' ich auf Rosenwegen
Dem höchsten Ziel der Menschenwürd' entgegen,
Geleitet von der Liebe sanftem Ruf.
Vereint mit dir werd' ich in's Geisterleben
Einst über Zeit und Grab zu dem entschweben,
Der unsre Herzen für einander schuf.
Aus: Gedichte von
Neuffer
Zweites Bändchen Cabinets-Ausgabe
Hildburghausen u. New York
Druck und Verlag vom Bibliographischen Institut 1829 (S. 55)
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Beim Jahreswechsel
Welch Opfer kann ich dir, Iduna, weih'n,
Und welch Gelübde soll zur Leier tönen?
Mit welchem Kranz kann ich das Haupt dir krönen,
Mit welcher Gabe dein Gemüth erfreu'n?
Ich möchte selbst des Schicksals Lenker seyn,
Dann sollte mir die ganze Erde fröhnen,
Das Leben dir elysisch zu verschönen,
Und jeden Glanz des Glückes zu verleih'n.
Was ich besitze, hab' ich längst gegeben,
Mein ganzes Herz, getreu und ungetheilt,
Mit meiner Liebe schenk' ich dir mein Leben.
Die Stunden flieh'n, die rasche Zeit enteilt,
Und jedes Glück der Welt stürzt in Ruinen,
Der Liebe Palmen sieht man ewig grünen.
Aus: Gedichte von
Neuffer
Zweites Bändchen Cabinets-Ausgabe
Hildburghausen u. New York
Druck und Verlag vom Bibliographischen Institut 1829 (S. 56)
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