Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Anton
Noder (Ps. A. de Nora)
(1864-1936)
Fünf Sonette für die Frauen
I.
Euch brauch' ich! Euresgleichen tut mir not
Wie mir die Blumen not tun auf der Flur,
Die Himmelsbläue und das Abendrot
Und alles Schöne, Zarte der Natur.
Ich weiß es wohl, um satt zu werden nur,
Genügte auch des Alltags trocken Brot.
Doch so zu leben, ohne jede Spur
Des Schönen wäre schlimmer als der Tod.
Drum brauch' ich Euch! Und Eures Angesichts
Erröten, Lächeln, Euer Blick und Wort
Und Lieben sind mir Alles! - Oder Nichts!
- Denn wenn ich wandle auf der Bahn des Lichts,
Dann schreit' ich über Euch, o Blumen, fort,
Gleichgiltig ob Ihr blühet, ob verdorrt- -
II.
Und ob Euch kranke Toren auch verdammen
Und Euch entkleiden allen Menschenwerts,
An Einem bricht ihr ganzer Bau zusammen:
Und dieses Eine ist - das Menschenherz.
Denn Euch verdankt es seine schönsten Flammen,
Die höchste Seligkeit, den tiefsten Schmerz -
Ihr könnt nicht aus dem Schutt der Schöpfung stammen!
Ihr kamt vielleicht vom Himmel niederwärts!
Vielleicht als Heiland seid Ihr uns gesandt,
Mit reinen, gütigen Erlöserhänden
In Liebe alles Leid mit uns zu tragen -
Die Torheit aber hat Euch nicht erkannt
Und schweigend sterbt Ihr, wie Erlöser enden:
Gequält, verspottet und ans Kreuz geschlagen.
III.
Stellt an das Sterbebett mir schöne Frauen,
Damit, wenn dieses Aug' im Tode schwimmt,
Es noch das Beste mit hinübernimmt,
Was ihm vergönnt auf dieser Welt zu schauen!
Sei mir dann Freude oder Fluch bestimmt,
Mir gilt es gleich! Denn einer Hölle Grauen
Wird dieser Funke Himmel überblauen,
Der in den Blicken schöner Frauen glimmt.
Und wird die Qual der Ewigkeit versüßen
Und durch der Teufel ganze schwarze Schar
Wird mich ein weißes Frauenantlitz grüßen
Mit seinem Engelslächeln wunderbar,
Und gern will mit Unseligkeit ich büßen
Die Seligkeit, die mir auf Erden war.
IV.
Nicht Jene, die Euch schmeicheln wenn Ihr hold
Und heiß und jung seid und mit vollen Brüsten
Euch hingebt ihrer Lust und ihren Lüsten -
Nicht Jene sind es, die Ihr lieben sollt!
Wer Euch die wahre Frauenehre zollt
Und dem sich Eure Herzen neigen müßten,
Der liebt auch Lippen, die ihn niemals küßten,
Und küßt auch Hände, die er nie gewollt.
Und hält Euch heilig, ob Ihr alt, ob jung,
Schlecht oder gut seid, Weise oder Toren,
Als weibgewordene Erinnerung
Des Paradieses, das wir einst verloren,
Und das uns Einmal wenigstens im Leben
Durch Eure Liebe wird zurückgegeben.
V.
Ich möchte sterben unter Eros' Flügel!
In einem Augenblick der höchsten Lust,
Gebeugt auf einer weißen Frauenbrust,
Von Liebesglück geschwellte Lilienhügel!
Inmitten meiner Sünden Maienblust!
Den Fuß noch in der Leidenschaften Bügel!
Schnell - ohne Sterbgeklingel und Geklügel!
Zu Ende - und des Endes nicht bewußt!
So möcht' ich sterben! Und im Nichts verschwinden,
Wie Sonnenstaub in einem dunklen Raum,
Wie Opferdampf in weichen Abendwinden,
Wie Mutterlied in einem Kindertraum;
Und über meinem Grabe müßte prangen
Die goldne Schrift: In Seligkeit vergangen!
(S. 5-9)
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Aus: Stürmisches Blut. Hundert Gedichte von A. De Nora
Leipzig Verlag von L. Staackmann 1905
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