Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Gustav Pfizer
(1807-1890)


Erinnerungen

I.
Von Midas sagt man: dass durch sein Berühren
Sich jedes Ding sofort verkehrt zu Golde;
Der Strom, drin er sich wusch, metallen rollte,
Und golden starrte, trat er ein, die Thüren.

So hast nun du mit mächtig inn'rem Rühren
(Nicht weiss ich, welcher Zauber dir im Solde)
Zum Spiegel mich gemacht, du Liebe, Holde!
Der anders nichts als nur dein Bild kann führen.

Weit fühl' ich meine Seele wie den Himmel,
Doch du erfüllst sie ganz mit deinen Sternen;
Es wogt in mir ein seeliges Gewimmel;

Doch ach! wie hell der Liebesstern entglommen -
Ihn trennen von der Erde ew'ge Fernen
Und beide dürfen nie zusammenkommen.


II.
Der Liebe wollt' ich schon die Brust verschliessen;
Wozu in's Herz, das schon so gährend glüht
Und ohne Nahrung wilde Funken sprüht,
Noch Oel, und wär's von Rosen auch, zu giessen?

Ich schwankte lang in Hin- und Wiederfliessen -
Da sah' ich Dich! ein wellenlos Gemüth,
Durch das der stille Schwan der Freude zieht,
Und Lilien drin ihr zartes Bild begrüssen.

Nein! du entzündest keine wilde Gluten!
Du kühlest wie in leichtem Aetherbade;
Gestärkt entsteig' ich deinen Silberfluthen;

Getröstet sez' ich fort die Bahn auf Erden;
Ich bin gereinigt durch den Born der Gnade
Und darf im Feuer nicht geläutert werden.


III.
Begünstigt hast du eines Freiers Trachten!
Nicht kann ich Tugenden an ihm erkennen,
Um die ich ihm dich Holde! möchte gönnen,
Und seinen Werth, wenn dir er naht, nicht achten.

Ob seine Gluten Glut in dir entfachten?
Mich würd's erkälten, könnt'st du für ihn brennen!
Doch nicht im Wunsch möcht' ich das Bündniß trennen,
Ich will, was in mir lebt, als Traum betrachten.

Doch dich soll meine Seele stets begleiten!
Wie ich von meines Traumes reichem Leben
Wohl manches Jahr gedenke noch zu zehren;

O möchten so auch dich die künft'gen Zeiten
Wie leichte luft'ge Träume nur umschweben
Und dich, Erwachte, Ketten nie beschweren!


Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 126-128)

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Todten-Wache

I.
Jezt will ich recht, mein Liebling! um dich klagen!
Die ganze Nacht dein liebes Bild beschauen;
Die Augen, ach! die einst so himmelblauen;
Ich will, o Gott! das Zärtlichste dich fragen!

Ich ahne, was du mir willst Antwort sagen;
O kannst du mir kein einzig Wort vertrauen?
Ganz leise, leise, wie durch Blumenauen
Die Düfte wecken in den Sommertagen!

Ein einzig Wort möcht' ich von dir erpressen!
Für meine Nacht nur Einen Sonnenfunken;
Ich wollt' es ewig, ewig nicht vergessen;

Weh' mir, von welcher Höh' bin ich gesunken!
Verwegnes Glück! dich hab' ich einst besessen!
Drum bin ich jezt vom Schmerzenskelche trunken.


II.
Die Kerzen in wehmüthigem Verlangen
Mit weichem Glanz das holde Kind umweben;
Sie würden selbst dem Tod nicht widerstreben,
Könnt' es dadurch des Auges Licht empfangen!

Die Rosen, die im blonden Haare prangen -
Wie gern verhauchten sie ihr junges Leben,
Könnt' es die frische Röthe wieder geben
Den kalten Lippen, den erbleichten Wangen!

Ist nicht des Lebens Blüthe hier gefallen?
Ist nicht die Jugend selbst in Tod gesunken?
Mein Kind, du blühtest einst so schön vor Allen!

Trost fliesset nur aus eines Traumes Pforten:
Es sey, von meinem Kinde liebestrunken,
Der Tod ein Kind - welch süsses Kind - geworden.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 129-130)

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Sonette
An die Frauen

I.
Euch, edle Frauen, deren tief Gemüth
Dem Grössten stets, dem Herrlichsten gewogen,
Manch' köstlich Reis im Stillen gross gezogen,
Das jezt als Baum in goldner Fülle blüht:

Die ihr am heim'schen Heerd euch treu bemüht,
Wenn Männer schwanken auf des Meeres Wogen,
Doch deren Ruhm durch keine Siegesbogen
In's stolze Pantheon der Nachwelt zieht:

Die mit der Demuth stillem Geisteswalten
Unsichtbar lenken die bewegte Zeit;
Die, Königinnen, mit den Herzen schalten,

Die thatenlos und doch in mächt'gem Streit
Die Welt nach ihrem schönen Bild gestalten -
Den edeln Frauen sey mein Lied geweiht!


II.
Im Gartenhain, auf einem Silberthrone,
Von Gluten, die dem sel'gen Aug' entflossen,
Den strengen Ernst der Züge weich umgossen,
Hebt sich in seel'ger Hoheit die Matrone,

Enthoben ist dem müden Haupt die Krone;
Doch seh' ich solche Glanzesblüthen sprossen,
So kühn der Stirne Adel aufgeschlossen -
Verkündigend, welch' hoher Geist hier wohne.

Ich nahe mich der Herrlichen mit Schweigen,
Und dämpfe ehrfurchtsvoll der Harfe Klänge,
Die Kniee muss ich willenlos ihr beugen.

Sie rührt mich an, da rauschen die Gesänge!
Sie steigen flammend zu des Himmels Ferne,
Und steh'n ob ihrem Haupt als blaue Sterne.


III.
Die Sonne glüht. In träumendem Ermatten
Irr' ich umher. Ha! welch' ein seel'ges Schauen!
Es weilet eine holde Schaar von Frauen
In eines Haines düftereichem Schatten.

Treu wahrend in der Brust die fernen Gatten,
In schöner Eintracht seeligem Erbauen.
Die Sonne weilet schwebend hoch im Blauen
Und Kinder spielen auf den grünen Matten.

Es hat der Pflicht geheimnissvolles Band
Die Anmuth selbst um ihre Brust geschlungen.
Aus ihrer süssen Nähe ist verbannt,

Wem nicht der Sieg der Grazie gelungen:
Hier kühlt sich selbst der heissen Sonne Brand,
Und heilig ist das Lied, das ich gesungen.


IV.
Am Sommermorgen auf dem Blumenplan
Hat mich ein süsses Wunder überkommen:
Jungfrau'n, wie Rosenblumen halb entglommen,
Sah' ich in edlem Tanze schwebend nah'n.

Wie Traum war mir. Sie lächelten dem Wahn,
Den sie im trunknen Auge wahrgenommen.
Sich traut umschlingend sah'n sie mit den frommen,
Den klaren Engelsaugen still mich an.

Da hub ich an, ein Mährchen zu erzählen,
Von Ahnung reich und farbenvollem Lichte.
Leicht war's, die bunten Bilder auszuwählen:

Ich las sie aus der Kinder Angesichte.
Da staunten sie, die jugendlichen Seelen -
Nicht ahnend selbst zu dichten im Gedichte.


V.
Um Gold nicht, noch um irdisch hohe Ehren,
Die sich dem Ruhme schmeichlerisch gesellen,
Und schwachen Seelen goldne Netze stellen;
Es treibt mich nicht solch' eiteles Begehren.

Der Busen brennt. Aus schmerzenvollem Gähren
Los ringen sich in wildem Ueberschwellen
Des Liedes heilig rothe Glanzeswellen -
In Träumen schwelgend lass' ich sie gewähren.

Mir wird so wohl! der Seele trüber Dunst
Verkläret sich zu lichten Aetherfarben;
Ich wache auf im heil'gen Feld der Kunst,

Klang füget sich zu Klang in goldnen Garben,
Und einen Kranz reicht mir der Frauen Gunst:
"Wir sind dir hold, so wirst du nimmer darben!"


VI.
Wem ziemt's, des Geist's, des werdenden, zu pflegen?
Den Frauen, die an weichen Mutterbrüsten,
Dem zarten Kind das schwanke Leben fristen
Und lenken seinen Schritt auf Blumenwegen.

Sie neigen sich dem Zagenden entgegen
Wenn fühllos die Barbaren auf den Küsten,
Zum Kampf sich mit dem schönen Fremdling rüsten;
Als Priesterinnen winken sie ihm Segen.

Da fällt ihm von der Brust des Bangens Last;
Seit ihrem holden Schutze er geglaubt,
Hat nimmer Gram ihn, nimmer Schmerz erfasst.

Die Rosen glüh'n; der Lorbeer dicht belaubt,
Beut eine Gabe für den stillen Gast,
Und gütig kränzen sie sein schlummernd Haupt.


VII.
Du sahst ihn nie, der Priesterinnen Chor?
Du willst ob eitler Täuschung mich verhöhnen?
Glaub' mir, dass ich nicht mit den süssen Tönen
Betrügen wollte ein besonnen Ohr!

Bist du so klug? Ich bin beglückt, ein Thor!
Ich wohne in dem Wunderland des Schönen;
Das Leben kann mich nicht dem Wahn entwöhnen,
An welchen ich berauscht mich selbst verlor.

Die Gegenwart, ist sie an grossen Frauen
So arm? So steigen aus der Vorwelt Tagen
Vor meinem Blick hellleuchtende Gestalten;

Die Zukunft öffnet ihre Blumenauen,
Und Bilder seh' ich selbst auf Thespis Wagen
Das Leben überbietend, sich entfalten.


VIII.
Lebt wohl, ihr Hohen! ich muss weiter geh'n.
Ihr habt den Blick, den trüben, mir gelichtet,
Mit Götterhuld des Herzens Streit geschlichtet;
Ihr liesset Palmen kühl um's Haupt mir weh'n.

Jezt muss ich einer andern Probe steh'n:
Streng wird und ernst jezt über mich gerichtet,
Wer weichlich immer nur um Lob gedichtet,
Wird zweifelnd selbst zulezt das Lob verschmäh'n.

Vom Haupte nehm' ich ab den Kranz der Gunst.
Die Meister richten streng; mit stillem Weinen
Seh' Blatt auf Blatt ich welk zur Erde fallen.

Da spricht ein Greis: es ist nicht unsrer Hallen
Freudlos Geschäft, das Schöne zu verneinen:
Ein Blatt giebt dir geweiht zurück die Kunst.


IX.
Des Meisters Spruch senkt mich in tiefes Sinnen:
Die Kränze blühen nicht auf blum'gen Matten,
Die unverwelkt ein edles Haupt umschatten;
Ein kühn'res Wagen gilt's, sie zu gewinnen,

Als thatenlos um holde Blicke minnen.
Es muss das Leben mit dem Lied sich gatten,
Festhalten musst in sichern Farbenschatten
Das Licht du, soll es eitel nicht zerrinnen.

Die bunt're Blüthe geht der Frucht voran.
Wer ist der Thor, und sammelt schon die Blüthen?
Wir schau'n mit trunkner Wehmuth nur sie an,

Wir müssen uns sie zu berühren hüten.
Aus Blüh'n zur Frucht soll geh'n des Dichters Bahn,
Und reicher Herbst des Frühlings Tod vergüten.


X.
Und selbst auf Meisterspruch ist kein Verlassen;
Doch wenn die Nacht, gewiegt vom Purpurflügel
Ihr Sternenantlitz kühlt im Meeresspiegel,
Und mächt'ges Blau besiegt die Wolkenmassen:

Wenn sich die Seele selbst strebt zu erfassen,
Die Selbstsucht sich begiebt der straffen Zügel,
Und was nicht trägt der ew'gen Schönheit Siegel,
Das Herz nicht hebet an sich selbst zu hassen:

Wenn da den Geist, der hoch in kühnen Bahnen
Am Tage sonnentrunken sich geschwungen,
Ergreifet ein noch gränzenlos'res Ahnen,

Wenn er im Nachtblau heil'ger Dämmerungen
Entfaltet hoch noch seine Siegesfahnen:
Dann ist der Kampf, der grösste, ihm gelungen.


XI.
Die Nacht ist eine wunderbare Frau,
Oft bin ich ihrer Herrlichkeit erschrocken,
Wenn sie mir nahte mit den Rabenlocken,
Und doch das Aug' so himmlisch mild und blau.

Mit Mährchen, die von Blüth' und Düften lau,
Weiss sie den Sinn so heimlich zu verlocken;
Und blanke Silberfäden aus dem Wocken
Spinnt sie dazu herunter auf die Au'.

Und wunderbar hat sie mich oft gefangen,
Die Locken wurden schnell zu schwarzen Ringen;
Die Mährchen, die als goldne Töne klangen,

Sie flochten mit den Silberfäden Schlingen;
Und ach! mich überkam so süsses Bangen,
Als sollt' ich nimmer dieser Haft entspringen.


XII.
Voraus der Zeit eilt meine Fantasei;
Ich sehe mich am Ziele meiner Tage,
Die Jugend abgebleicht wie eine Sage;
Doch blieb der Sinn mir jugendlich und neu,

Nur eines stimmt die Brust mir trüb und scheu:
Ach ihnen, die nun ruh'n im Sarkofage,
Den Blumen des Geschlechts tönt meine Klage!
Und Eine Götterfrau nur blieb mir treu.

Mit reinem Sinn hab' ich die Frau'n verehrt,
Sie haben nie das Herz mir wild entzündet,
Drum seh' ich jezt so himmlisch sie verklärt.

In Einem Bild ist jeder Reiz verbündet,
In Einem Blick ist jede Gunst gewährt,
Und nur der Name ward mir nie verkündet.

Aus: Gedichte von Gustav Pfizer
Stuttgart 1831 im Verlage von Paul Neff (S. 133-144)

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