Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Friedrich
Wilhelm Riemer
(1774-1845)
Schöpferin
So recht das innre Herz möcht' ich Ihr zeigen,
Worein lebendig sich Ihr Bildniß drückte,
Dem alle Kräfte sich in mir verneigen
Und jede gern es mit dem Schönsten schmückte!
Doch, ob ich alle Götterblumen pflückte
Und goldne Frucht aus Hesperiden-Zweigen;
Sie bliebe nur die durch Sich selbst geschmückte:
Denn was ich brächte, ist vorlängst Ihr eigen.
Und wie der Mensch den Göttern nur zu weihen
Vermag, was ihre Huld ihm erst gewährte;
So kann auch ich der Göttlichen nur weihen,
Was mir geliehn, Ihr eigen stets gehörte:
O daß an Ihrer Schöpfung sich zu freuen
Nur einmal Sie zu mir Ihr Antlitz kehrte!
(S. 13)
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Bildnerin und Bild
Voll Unschuld, Ihrer und der Welt vergessen,
Gleich einer Knospe in sich selbst gehüllt,
Sitzt bildend sie, die selbst das schönste Bild,
Das zu der Anmut Künstlern je gesessen;
Bemüht, Gestalten aus dem Wachs zu pressen,
Das willig Ihrem Schöpferdruck vergillt;
Doch, ob es immer Ihren Zweck erfüllt,
Mit meinem Herzen kann es sich nicht messen.
Das todte Wachs kann nur die Spuren zeigen,
Die ihm zuletzt Ihr Finger aufgeprägt,
Muß von der Bildnerin auf immer schweigen;
Allein mein Herz hat sie zugleich erhalten,
Das lebend, unauslöschlich, in sich trägt
Die schöne Bildnerin und die Gestalten!
(S. 14)
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Die Klippe
Wenn aus der tiefen Nacht der Wimpern Säume
Mir Deiner Augen Licht, der süßen, blauen,
So freundlich lacht, wie sonnige Veilchen-Auen
Aus ernstem Kranze schattendunkler Bäume:
Den Himmel selbst, gefaßt in diese Räume,
Und Edens Fluren wähn' ich einzuschauen!
Da will mein Blick sich eine Heimat bauen,
Mein Geist lustwallt vertieft in holde Träume -
Doch ach! traumwandelnd ruft' es aus den heitern
Gefilden plötzlich ihn, wie Stimmen der Sirene,
Herab zum Rosenbord der schönsten Lippen,
Und Ohr und Blick versenkt zum Quell der Töne,
Muß er, im Angesicht der Zauberklippen,
Umsonst erwacht, nur so gewisser scheitern!
(S. 15)
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Lebendiger Spiegel
Wie magst Du Dich dem todten Spiegel zeigen,
Den stumm und kalten um ein Urtheil fragen?
Laß ihn Dir auch gewohntes Schöne sagen,
Das Schönste muß er ewig Dir verschweigen;
Er hat kein Herz in keinem Busen schlagen,
Um Dir in Lieb' und Ehrfurcht anzuneigen,
Dich Deiner Anmut ganz zu überzeugen:
Du würdest sonst Dich im Gedächtniß tragen.
O dürft' ich so statt seiner, vor Dich treten,
Und Du, wie ihm, so mir ins Auge schauen,
Das Unbewußte würd' ich Dir vertrauen;
Du würdest Dich nicht so an Dich gewöhnen,
Nein, überrascht, mit steigendem Erröthen,
Dich vor Dir selbst und mir verschönen.
(S. 16)
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Bononischer Stein
Kennst Du wohl jenen Stein, den wunderbaren,
Der aus der Sonne saugt ein heimlich Leben? -
Doch läßt sein stilles liebevolles Streben
Ihr allgemeiner Tag uns nicht gewahren;
Nur wenn ihn Nacht und Finsterniß umweben,
Kann das Geheimniß hell sich offenbaren:
Entzündet von dem Licht, das er erfahren,
Siehst Du es ihn erglühend wiedergeben.
Ihm gleicht mein Herz, das ingeheim entglommen,
Von Deiner Nähe Sonnenglanz verschlungen
Die Gluth verheelt, die Du in ihm entzündet,
Doch wenn ihm Nacht und Einsamkeit gekommen,
Das süße Licht, von dem es ganz durchdrungen,
In Liedes Tönen leuchtend Dir verkündet.
(S. 17)
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Nähe und Ferne
Nicht in vergangne, nicht in künftge Ferne
Zieht Sehnsucht Dich und hoffendes Verlangen;
Nur an der Gegenwart liebst Du zu hangen
Und greifst das Leben so im innern Kerne.
O diesem Beyspiel folgt' ich nur zu gerne
Und hielte Deine Gegenwart umfangen;
Doch, kaum erschienen, bist Du mir vergangen
Und lässest mich allein in jener Ferne:
So leb' ich im Erinnern nur und Hoffen,
Von Dir getrennt, ein einsam Dämmrungsleben,
Des vollen Tages sehnsuchtsvoll gewärtig;
Ja ewig bliebe mir der Himmel offen,
Der reine Tag im goldnen Lichte schweben -
Wärst Du, o Sonne, nur mir gegenwärtig! -
(S. 18)
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Reisewunsch
Fühlst Du nun bald auf väterlichen Auen
Der Berge Frühlings-Lüftchen Dich umfließen,
Wie sehnsuchtsvoll die Wolken auf Dich schauen
Und freundlich nickend Blum' und Zweig begrüßen;
Siehst Du am Fels, im heimlich-süßen Grauen
Der Einsamkeit, ein traulich Moos entsprießen
Und bey des Abends seligem Niederthauen
Sein glühend Roth Dich liebend übergießen;
Hörst Du des Waldbachs nächtlich-fernes Rauschen,
Indeß des Mondes Glanz in blauen Weiten,
Der Sterne Hochwacht, schützend, sich entzündet:
Verschmähe nicht den Ahnungen zu lauschen:
Es ist mein Geist, der sich Dir anzudeuten
Mit Erd' und Himmel sehnsuchtsvoll verkündet.
(S. 19)
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Abschiedskarte
Du gehst - und ach! der Lenz, der nun begonnen,
Dein schönes Ebenbild, wird mit Dir scheiden! -
Mit eins ist Lust und Leben mir zerronnen:
Denn mit Dir ziehen alle meine Freuden!
Zur fernen Flur, die ewig drum zu neiden,
Bringst Du des Himmels allerreinste Wonnen;
Sie wird dein Blick in frische Blumen kleiden,
Die freudig sich an seinem Lichte sonnen.
Und ach! die ich gehofft für Dich zu pflücken,
Sie müssen fern von Deinem Aug' erblassen
Und sterben, eh' zum holden Licht sie kamen.
Umsonst strebt' ich im Bilde Dich zu fassen:
Wie Echo schwindest Du vor meinen Blicken,
Und bleibst mir nur zurück im süßen Namen.
(S. 20)
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Die Zauber-Chiffre
Was deuten diese magischen Gestalten,
So glühnde Rosen auf des Winters Auen?
Wird nicht ihr Brand den zarten Schnee erthauen?
Wird nicht vom Schnee die Purpurglut erkalten? -
Sieh, sieh! Beweglich lassen sie sich schauen!
Ein Zaubergeist kann nur in ihnen walten.
O Wunder, wie sie sich zum Wort gestalten
Und holden Sinn in Blumenschrift vertrauen!
Ja nun erkenn' ich sie, die theuren Lettern,
Und jene Hand, die ach! so zart, so milde,
Zum schönsten Kranze sie für mich ersann:
Was sag' ich, Hand? Nein mehr, bey allen Göttern!
Ihr eigner Purpurmund in süßem Bilde
Spricht rosig mich aus diesen Rosen an.
(S. 24)
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Das Mittel
So darf mein Arm den Deinen nie berühren,
Gönnst Du mir auch das Glück Dich zu geleiten!
Und will ich Deine Hand zum Munde führen,
Mit welcher Anmut weiß sie zu entgleiten!
Muß nicht Dein Weigern mich nur mehr verführen,
Dich reizende Gestalt mir zu erbeuten? -
Ich hoffe nicht durch Flehen Dich zu rühren,
Allein zu kühnern Mitteln kann ich schreiten!
Magst Du auch ewig meinem Arm entrinnen,
Du schärfest um so mehr die Kraft der Augen,
Die insgeheim mit Blicken Dich umspinnen;
Und wie die Blumen still das Licht der Sonnen,
So streben küssend sie Dich einzusaugen,
Bis sie Dich ganz auf ewig sich gewonnen!
(S. 26)
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Neues Leben
Wie soll ich Dir, o Herrinn würdig danken,
Daß Deine Huld vergönnt Dir zu entfalten,
Was ich im kühnsten Aufschwung der Gedanken
Nur kaum gewagt in Worte zu gestalten!
Dein Blick, Dein Wort durchbrach der Demuth Schranken;
Nun hab' ich nichts vor Dir geheim zu halten,
Gefesselt hast Du meiner Sehnsucht Ranken,
Sie kann, sie wird nur mit mir selbst erkalten.
Ja bittrer Schuld sollt' ich mich zeihen,
Daß ich des Lebens höchsten Schatz verloren,
Nicht früh mein reinstes Streben Dir zu weihen!
Huldreiche Frau! die Güte selbst, die Milde!
Ich halte fest an Deinem Götterbilde;
Dein Gnadenblick hat mich aufs neu geboren.
(S. 35)
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Zauber
Du aller Herzen, aller Augen Weide,
Die uns in jeder Tracht auf's neu' entzückt:
Denn immer bist Du durch Dich selbst geschmückt,
Im Festgewand so wie im schlichten Kleide;
Nur Ein Gewand, ein Himmel ist's von Seide,
Das schon zu denken mein Gefühl beglückt,
Da sich in ihm Dein Wesen ausgedrückt,
Ist doch Dein allerwürdigstes Geschmeide,
Voll Reiz und Pracht, voll hoher Würd' und Milde:
Es locket Mild' und Reiz sich anzuschmiegen,
Doch Würd' und Pracht heißt solchen Wunsch besiegen.
So steigt vor Dir und Deinem Ebenbilde
Des Blickes Sehnsucht, der nichts kann genügen
Als in dieß Meer von Anmut zu versiegen.
(S. 40)
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Kaltsinn
Von stiller Zärtlichkeit, die aufzublicken
Zu Dir kaum wagt, schon selig Dich zu denken,
Fliehst Du zur wilden Lust von losen Schwänken,
Mir der Verachtung Dolch ins Herz zu drücken.
Vermagst Du so ein treues Herz zu kränken,
Das Du zuvor mit Schmeichelwort und Blicken
Und süßer Huld gewußt Dir zu umstricken,
Ja ganz Dein holdes Bild ihm einzusenken?
Ach, sage! thatest Du's, mich nur zu prüfen?
Mich zu entfremden ist Dir nicht gelungen:
Die Fassung war von außen nur erzwungen,
Indeß im Innern tausend Stimmen riefen:
Ja, doppelt, dreyfach hast Du mich umschlungen,
Ich liebe Dich aus allen Herzenstiefen!
(S. 55)
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Gewalt der Liebe
Du willst, ich weiß es, nichts von Liebe hören
Und schon das Wort vermag Dich zu betrüben,
Und doch, wer kann Dich sehen und nicht lieben?
Wer lieben, und das holde Wort verschwören?
Dann mußt Du selbst uns Deinen Anblick wehren,
Nicht Deines Wesens Zauberkraft mehr üben,
Nicht mehr zum reizendsten von allen Trieben
Durch süßen Blick und Schmeichelwort bethören.
Doch ja! ich bin gefaßt das Wort zu meiden,
Das Deines Busens keuschen Zorn empört,
Zum letzten Mal vergönn' es noch zu nennen;
Wie immer auch mein Innres möge leiden,
Dein Wille wird allein von mir verehrt:
"Nur Liebe kann zu lieben nicht bekennen!"
(S. 56)
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Entschluß
Umsonst ermahnst Du, Andern nachzustreben,
Mich hoffnungsvollrem Dienst zu weihn! -
Wie dünkt mich sonst ein Glück so schnöd' und klein,
Um Dich, mein Einz'ges, dafür hinzugeben!
Es ließen Märtyrer mit Lust ihr Leben,
In grausen Qualen, namenloser Pein,
Nur um dem eignen Herzen treu zu seyn,
Und treu dem Glauben, dem sie sich ergeben.
So heg' ich nur an Dich den Einen Glauben,
Entsage willig jedem andern Hoffen,
Und weihe mich dem zeitlichen Verderben;
Nicht kann die Welt Dich mir, Du selbst nicht, rauben:
Dein Auge zeigte mir den Himmel offen -
Ich bin entzückt - für Dich, um Dich - zu sterben!
(S. 57)
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Aus: Blumen und
Blätter von Silvio Romano
Leipzig 1816
bei Carl Cnobloch
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