Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
|
Eduard von
Schenk
(1788-1841)
Nachtviolen
I.
Wär' ich ein Gott, den Strahlenwagen lenkend,
Bei dem der Himmel sich im Meere spiegelt,
Die hellen Rosse ließ' ich ungezügelt,
Mich nieder zu dem Schooß' der Erde senkend.
Und säh' ich Sie, wie Sie am Bache denkend
Sich Blumen bricht, Ihr naht' ich leichtbeflügelt;
Der Bund der Liebe würde schnell besiegelt,
Und meine Worte wären Ihr nicht kränkend.
Und wie Apoll schon einmal stieg hernieder,
Zu tauschen den Parnaß mit ird'scher Wonne,
So weiht' ich Ihr mein Leben, meine Leyer. -
Doch eitle Träume bleiben meine Lieder.
O leihe mir, erhabner Gott der Sonne,
Nur deinen Glanz, ich habe ja dein Feuer!
(S. 297)
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II.
Wie oft und fest hatt' ich mir's vorgenommen:
Heut naht Sie dir, die Königin der Frauen,
Heut wag' es muthig, Ihr in's Aug' zu schauen,
Was du empfindest, muß zur Rede kommen.
Es fehlt dir nichts, als Fassung und Vertrauen.
Was soll dieß Schmachten und dieß Schweigen frommen?
Nur wer mit Kraft des Stromes Flut durchschwommen,
Langt jenseits an zu den ersehnten Auen! -
So dacht' ich, und Sie kam. Ich aber nahte,
Weil sittsam Sie den Blick zu Boden senkte,
Mich Ihr getrost, und folgend eignem Rathe.
Kaum aber hatte mich Ihr Blick getroffen,
Der groß und streng an mir vorüber lenkte,
So sank mein Muth, so schwand mir alles Hoffen.
(S. 298)
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III.
Aus Städten fliehend, wandr' ich gern auf Wegen,
Die Niemand geht, und Keiner gehen mag;
Durch's Dickicht dringend, trotz' ich gern dem Schlag'
Dornichter Zweige, die mich wild umhegen.
In Waldes Nacht ist meiner Seele Tag,
Mein Friede wohnt auf hoher Berge Stegen,
Um deren Haupt sich dunkle Wolken legen;
Da folgt mir doch kein andrer Fußtritt nach.
Nur überall bis in die tiefste Wildniß,
Wohin sich nie ein Lebender verlor,
Begleitet, wie mein Schatten, mich Ihr Bildniß. -
Vergeblich ist, was du dir ausersonnen.
Was fliehst du Ihren Anblick, armer Thor,
Eh' du dem eignen Herzen noch entronnen!
(S. 299)
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IV.
Siehst du die zarten Halmen auf den Auen,
Bald von der Rosse schwerem Huf' zertreten,
Bald sich im Brand' der Sommersonne röthen,
Bald in des Weges wüstem Staub' ergrauen?
Bald tief und traurig in den Boden schauen,
Wenn Sicheln ihre Kronen niedermähten?
Doch siehst du nun die neuverjüngt erhöhten,
So wie nur frische Regen sie bethauen? -
Mein schwankend Loos vergleich' ich diesen Halmen.
Bald kommen Blicke, die mein ganzes Hoffen,
Bald Worte, die mein tiefstes Herz zermalmen.
Dann will mir jede Lebenslust entschweben,
Doch schnell, von einem milden Blick' getroffen,
Fühl' ich sie neu und stärker sich erheben.
(S. 300)
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V.
Was für ein Dämon treibt dich, arger Knabe?
Was lenkst du deinen Kahn mit solcher Eile?
Sonst schwankt so langsam, wie der Greis am Stabe,
Die Gondel fort durch des Kanales Zeile.
Sie wohnt ja dort, des Himmels schönste Gabe,
Die mich durchbohrt mit sicherm Liebespfeile,
An deren Anblick ich mich sehnend labe.
Hier, Knabe, bei dem Hause hier verweile!
Vielleicht läßt Sie sich heut' am Fenster sehen.
Seh' ich Sie dort nicht an dem Gitter stehen?
Sie scheint zu winken. Rudre langsam, Lieber! -
Sie ist es wohl, doch will Sie mich nicht schauen,
Die Schönste, wie die Sprödeste der Frauen.
Vorüber mit der Gondel, schnell vorüber!
(S. 301)
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VI.
Ist denn kein Ort zu finden in der Fülle
Unendlicher, allliebender Natur,
Kein Born auf heim'scher oder fremder Flur,
Aus dem ein Tropfen mir von Freude quille?
Wer bringt mich hin? Wer zeigt mir seine Spur?
Wo gönnt des Himmels ungebrochner Wille
Dem armen Herzen endlich eine Stille,
Und sei es auch für Augenblicke nur? -
Oft sink' ich weinend an der Erde nieder,
Und will, Erbarmen flehend, sie umfah'n,
Daß sie mich nicht von ihrer Brust verstoße.
Doch rufen bald, wie unterird'sche Lieder,
Mich die Gedanken meines Wahnsinns an,
Und bannen mich hinweg von ihrem Schooße.
(S. 302)
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VII.
Die goldnen Arme schmachtend ausgebreitet,
Ihr Herz zum Sonnengott' empor zu tragen,
Der unbekümmert von dem hohen Wagen
Herabsieht, wegblickt und vorübergleitet,
So zeigt die Sonnenblume sich beim Tagen,
Die mit sehnsücht'ger Wende stets begleitet
Den ungerührten Jüngling; sie bedeutet
Der Liebe Qual nach alter Dichter Sagen.
Doch ist ihr Loos dem meinen zu vergleichen?
Stolz, des Geliebten Bildniß darzustellen,
Darf sie zuletzt durch seinen Pfeil erbleichen.
Ich darf zu Ihr den Blick nicht einmal heben,
Die nur vermag, mein Dasein aufzuhellen,
Und stets in Todessehnsucht muß ich leben.
(S. 303)
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VIII.
So viele Blumen sah' ich ihre Düfte
Für Sie im zarten Kelch' verschlossen tragen,
So viele Bäume freudig sie umragen,
Gesang und Kühlung hauchend in die Lüfte.
Nach Ihren Blicken sah' ich Alles jagen;
Wenn Sie auf leichtbeschwingter Gondel schiffte
Und in die Flut Ihr Auge sich vertiefte,
Die Wellen buhlend um Ihr Bild sich schlagen.
Und tritt Sie unter Menschen erst, so scheinet
Sie so mit Ihrem Reiz' die Welt zu segnen,
Daß hohe Lust aus jedem Auge weinet.
Sie aber steht demüthig und gelassen,
Wenn Huldigungen auf Sie niederregnen,
Und weiß noch nichts von Lieben oder Hassen.
(S. 304)
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IX.
Wie glücklich sind der Künste stolze Gaben,
Die uns in Bildern sprechen, nicht in Tönen;
Was einst geformt ward von Pelagius Söhnen,
Wird staunend noch der Erde Schooß entgraben.
Des Malers Helden, seine zarten Schönen,
In lichten Sälen prangen sie erhaben,
Und stets sind Alle, deren Aug' sie laben,
Bereit, mit frischem Lorber sie zu krönen.
Ach! und wie bald ist nicht ein Lied verklungen!
Vergessen wird es, gleich der Frühlingsblume,
Die schnell verwelkt, wie sie hervorgesprungen. -
Ertönt auch nie mein Lied von künft'gen Zungen,
Es fühlt sich doch beglückt im stillen Ruhme,
Ihr zu gefallen, der ich es gesungen.
(S. 305)
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X.
Da kniet Sie, still ergossen in Gebeten,
Und gibt Ihr Herz der Heiligen zu eigen,
Die, wenn in Demuth Alle sich Ihr beugen,
Wünscht, daß Ihr Alle solch' ein Opfer böten.
Doch sieh! wie plötzlich sich die Hallen röthen!
Ein Hymnus unterbricht das tiefe Schweigen,
Und eine Wolke seh ich niedersteigen,
Aus der voll Anmuth Engelbinder treten.
Und jetzt umringt, geschmückt mit Palmenzweigen,
Die Betende das liebliche Gewimmel
Und grüßt wie eine Heil'ge Sie mit Neigen,
Hebt ihr Sie zu euch aus der Welt Getümmel?
Wie? oder, fliehend euren ew'gen Reigen,
Wo Sie ist, glaubt ihr, da sei auch ein Himmel?
(S. 306)
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XI.
Ich ging hinaus auf grüne Frühlings-Auen;
Durch einen Blick war mein Gemüth erweitert,
Die Welt verklärt, des Himmels Blau geläutert,
Als der auf einmal anfing, zu ergrauen.
Doch während Wolke dumpf an Wolke scheitert,
Kein Blau und keine Sonne mehr zu schauen,
Und Regenströme trüb' herniederthauen,
Blieb mein Gemüth noch ahnungsvoll erheitert. -
So fand ich mich zurück zu unsern Mauern;
Da traten ernste Männer mir entgegen,
Die unter sich mit düstrer Stimme sagten:
"Sie ist hinweg, des Thales Schmuck und Segen!"
Ich hört' es, und verstand, warum sie klagten,
Und mit dem Himmel fing ich an, zu trauern.
(S. 307)
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XII.
Der ersten Jugend unbestimmtes Sehnen,
Das Suchen, Finden und das stumme Grüßen,
Der Seelen zartes Aneinanderschließen,
Geliebt sein und sich schon vergessen wähnen;
Der erste Händedruck, das erste Küssen,
Die Wonne der Umarmung und der Thränen,
Vorwürfe, Scherze, Streiten und Versöhnen,
Wo neue Freuden jedem Zwist' entsprießen;
Erwartung mit dem trägen Gang' der Stunden,
Die Eifersucht mit allen ihren Qualen,
Und in der Liebe selbst des Hasses Triebe:
Dieß Alles hab' ich schon zu vielen Malen,
Beglückt sowohl, als unbeglückt, empfunden,
Und dennoch blieb' ein Räthsel mir die Liebe.
(S. 308)
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Sonnenblumen
I.
Wir zogen heiter durch die grünen Auen,
Vom Gold' des Abendlichtes übersponnen,
Wir hatten lustiges Gespräch begonnen,
Als uns begegneten drei holde Frauen.
In ihrer Mitte war auch Sie zu schauen,
Sie, die mein Herz beim ersten Blick' gewonnen;
Ihr Auge, leuchtender vom Strahl' der Sonnen,
Winkt' einen Gruß voll Anmuth und Vertrauen.
O, hätte dieser Gruß nur mir gegolten!
Nur mir! Wie meine Sorgen und mein Sehnen,
Mein ganzes Sein Ihr eigen werden sollten!
Doch nichts mehr kann ich ja mein eigen wähnen,
Und hat Sie gleich mein Lieben nie vergolten,
Ich fühle mich beglückt in meinen Thränen!
(S. 309)
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II.
Du süße Stimme, die aus Blütenzweigen
Hervortönt in die Nacht und ihre Stille,
Die klagend singt von ihrer Liebesfülle,
Und der entzückt die Winde selber schweigen!
O dürft' auch ich nie mich der Menge zeigen,
Melodisch klagend in verschwiegner Hülle.
Daß Trost und Lust aus meinem Liede quille,
Für Alle, die der Liebe Qualen beugen!
Die Freuden sind gefloh'n aus meinem Leben.
Beglückte Liebe wünscht im süßen Kuße
Und in sich selbst ihr Dasein aufzugeben.
Ich will, wie du, hinsterben in den Leiden
Und im Gesang' und mildem Thränengusse.
Wie Jeder lebte, mag er gerne scheiden.
(S. 310)
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III.
Die Nacht, so sagen sie, hat keine Plage,
Ein heit'res Leben spielt im düstern Raum';
Es wird zum Schlaf, der Schlummer wird zum Traum'
Und trocknet sanft die Thränen unsrer Tage.
Mir weckt sie nur die eingewiegte Klage,
Mißgönnt von ihrem Necktar mir den Schaum,
Und kaum berühr' ich ihren dunklen Saum,
So ruf' ich sehnend schon dem hellen Tage.
Brich' über mich den Stab, du ernster Knabe!
Du Baum des Lebens, hör' zu grünen auf!
Nicht ruhen will ich mehr in deinen Zweigen.
Das Lager werde mir zum stillen Grabe.
O Tod! laß mich zum ew'gen Tag hinauf,
Wo nicht, zur ew'gen Nacht hinuntersteigen.
(S. 311)
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IV.
Wenn Sie sich oft im Stille denken mögte,
Wie wunderbar mich Ihre Blicke trafen,
Der erste, der in's Herz mir Hoffnung legte,
Die letzten, die so grausam mich bestrafen;
Und sähe Sie, wie Liebesqual das Schlafen,
Das um mein Haupt schon seine Flügel regte,
Hinweg jagt von dem Lager ihres Sclaven,
Vielleicht, daß solch ein Anblick Sie bewegte.
Und läse Sie nur eines von den Liedern,
Die ich zum Trost' mir sang, und Ihr zum Ruhme,
Sie würde meine Glut - doch nie erwiedern.
So schwebt die Wolke still herauf, und achtet
Vorüberziehend nicht der tiefen Blume,
Die Tage lang noch ihrem Thau' geschmachtet.
(S. 312)
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V.
Willst du, o Gott - so fleh' ich in der letzten,
Qualvollen Nacht, als vor der Seele Blicken
Ihr Bild hervortrat, nicht, mich zu beglücken,
Und Thränenbäche dieses Auge netzten, -
Willst du die Glutgefühle nicht ersticken,
Die schon so manches arme Herz ergötzten,
Doch in des Unglücks Abgrund mich versetzten,
Und da noch wie ein Zauber mich umstricken!
Wenn Sie mich liebt, so führ' Sie mir entgegen,
Rastlose Sehnsucht, spare sie uns Beiden,
Und laß die Liebe heiter sich bewegen. -
Liebt Sie mich nicht, so nimm mir meine Leiden
Mit meinem Lieben, gib mir deinen Segen,
Und Sehnsucht nur nach deinen ew'gen Freuden!
(S. 313)
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VI.
Brecht endlich auf, ihr langverschloss'nen Wunden!
Entlade dich, mein Herz, der wilden Flammen!
Schlagt, Liebesgluten, über mir zusammen,
Denn keine Hoffnung bleibt mir, zu gesunden!
Verrathen nicht bei Tag, was ich empfunden,
Die Augen, die bei Nacht in Thränen schwammen?
Nie bringen sie mir Glück, und doch verdammen,
Sie stets zu seh'n, mich die verschwornen Stunden.
Drum laß' ich meiner Liebe freies Walten.
In meine Brust, was auch mein Schicksal werde,
Kann ich nicht tiefer diesen Kummer wühlen.
Nur möge bald der müde Leib erkalten,
Des Grabes Nacht und die geweihte Erde
Die Flamme löschen und das Herz mir kühlen.
(S. 314)
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VII.
War dieß ein Wachen? oder blos ein Träumen?
Wo ist Sie hingeschwunden, deren Kette
Mich drückt und ziert? Leer finden ihre Stätte
Die Morgenstrahlen, die den Giebel säumen.
Mir war, als läg' ich krank in meinem Bette;
Sie, die ich oft besang in diesen Reimen,
Sie trat zu mir, schön wie aus Himmelsträumen,
Und sprach bewegt: Laß seh'n, ob ich dich rette!
Und rührte mir den Puls mit zarten Händen.
Da fühlt ich alle Todesangst entweichen,
Und sog das Leben neu von Ihrem Munde.
Warum, o Sonne, mir den Traum entwenden?
Wie gerne wollt' ich krank sein und erbleichen,
Käm' solch ein Arzt mir in der letzten Stunde!
(S. 315)
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VIII.
Seit dieser Nacht, der schönsten meiner Nächte,
Steht überall Ihr Bild mir vor der Seele,
Mit dem ich einsam mich erfreu' und quäle,
Für das ich diesen Kranz von Liedern flechte.
Bei Nacht, wenn ich die Stunden schlaflos zähle,
Wünsch' ich oft, daß ich nie mehr an Sie dächte,
Nein! daß mir Sie mein Schutzgeist wieder brächte,
Das Herz zu laben mit ersehntem Oele;
Daß nur ein Tag mir Freiheit wieder gäbe,
Da keiner noch mir Ihre Liebe gönnte,
Daß ich so ruhig würd', als ich's gewesen.
Ich sag' umsonst: Es war nur Traumgewebe.
Mög' alles Wachen sich in Träumen lösen,
Wenn jener Traum zur Wahrheit werden könnte!
(S. 316)
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IX.
Tiefsinnig stand und still in sich verschlossen
Der eh'rne Memnon da in ernster Nacht,
So ungerührt von der Gestirne Pracht,
Wie von des Mondes Milde nicht erschlossen.
Doch schnell, so wie der Sonnengott erwacht
Und ihn erreicht ein Strahl von Phöbus Rossen,
Erklang er leuchtend, und dem Erz' entgossen
Die vollen Töne sich mit aller Macht.
Ist nicht mein Herz dem Erze zu vergleichen?
So unverstanden und so hoffnungslos
Gibt es kein Lebens- und kein Liebeszeichen.
Doch sollte sich ein Strahl von Liebe zeigen;
Mit welchen Tönen würd' aus seinem Schooß'
Ein Lied des Dankes und der Freude steigen!
(S. 317)
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X.
Nachtwandlern ähnlich, geh' ich oft wohl nassen,
Gesenkten Blickes, bleich, unsichern Ganges,
Und fühl' in Mitte lauten Menschendranges
Gleichwie in einer Wüste mich verlassen.
Ich höre Frau'n und Männer auf den Strassen
Dann hinter mir, ausbrechend in ein banges
Mitleiden, Worte sagen dieses Klanges:
Was machte doch den Jüngling so erblassen?
Da wend' ich mich, antwortend ihren Fragen:
Wenn ich mein ganzes Elend auch beschriebe,
Die Qualen all', die mir am Herzen nagen,
Dann säh' ich wohl manch' schönes Auge trübe,
Und seufzend hört' ich manche Lippe sagen:
Welch' Unglück, welch' ein Wahnsinn ist die Liebe!
(S. 318)
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XI.
Still war die Nacht, und auf der dunkeln Welle
Des Stromes kam des Mondes Bild geschwommen.
Von Sehnsucht und von hoher Lust entglommen,
Verließ ich einsam meine Lagerstelle,
Und eilte vor Ihr Haus, sank hin mit frommen
Gebeten, übergoß bei Mondes Helle
Mit Rosen und mit Salben ihre Schwelle,
Ach! über die ich niemals noch gekommen. -
Dem lauten Lichte muß ich es verschweigen,
Was dieses liebekranke Herz zerrüttet;
Doch euch, ihr trauten Sterne, darf ich's zeigen.
So schließt bei Tag den vollen Kelch der Düfte
Die Nachtviole schüchtern zu, und schüttet
Sie in den Schooß verschwiegner Abendlüfte.
(S. 319)
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XII.
Heut' ward es mir im weiten Saal' zu enge;
Sie war ja fort, die ihn allein belebte,
Um die ich lang vergebens mich bestrebte,
Die jetzt mich auserkoren aus der Menge.
Und ich entfloh dem lästigen Gedränge
Zum tiefen Hain', wo Mondesschimmer webte
Und in dem dunkeln Grün verstohlen bebte,
Herabgelockt durch Nachtigallgesänge.
Ach! wie erquickten mich die schatt'gen Räume!
Mein Herz ergoß sich dort in trunknes Flehen,
Zu Ihm, der allen Herzen kann gebieten.
O! daß die Wipfel dieser ernsten Bäume
Mich bald, geliebt, in Ihren Armen sähen,
Und nicht dem Neid' mein stilles Glück verriethen!
(S. 320)
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Aus: Sonette von
bayerischen Dichtern
Gesammelt von Friedrich August Greger
1. Bändchen Regensburg 1831
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