Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Margarete
Steffin
(1908-1941)
Ich wohne fast so hoch wie er.
Nachts in mein Zimmer einzudringen
Und mich um meinen Schlaf zu bringen
Das fällt ihm darum überhaupt nicht schwer.
Er kommt ganz still, setzt an das Bett sich breit.
Bevor ich meine Blöße noch versteckt
Hat er sie hämisch grinsend schon entdeckt
Beginnt frech seinen sündgen Zeitvertreib.
Mit spitzen Fingern spielt auf Bein und Knie
Auf Schenkel, Hüfte er, streichelt das Haar
Liebkost die Brust und küßt den Hals sehr zart.
Er kennt sich aus auf jede Melodie.
Lautlos verfließt er, wenn er mich genarrt
Und ich weiß nicht, ob er es wirklich war.
(S. 196)
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Heute träumt ich, daß ich bei dir läge
Und du sagtest zu mir: Hol mich doch.
Aber meine Brust, die schmerzte noch
Und mein rechter Arm war dumm und träge.
Ach so, der Arzt hat ihn ja fest gebunden.
Er wußte schon, daß ich nicht ruhig bin.
Binden hilft nichts. Ich muß zu dir.
Doch mit einem Mal warst du verschwunden.
Jetzt ist es zu spät, hört ich dich sagen.
Dann hört ich, du stiegst in deinen Wagen.
Ich sprang auf: Ich will! ich will!
Schreien konnt ich nicht, weil ich so rannte.
Doch da fuhrst du schon. Das Schlußlicht brannte.
Jetzt kommt nichts mehr, dacht ich. Und war still.
(S. 197)
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Ich lieg allein im Bett. Dem Auge einer Kuh
Gleich, glotzt der Mond mich an. Die milde Abendluft
Durch die ein Kater schon seit Stunden jaulend ruft
Will auch mich jaulen machen. Doch ich gebe Ruh.
Das heißt, die Ruhe ist mir gar nicht recht.
Ich wäre lieber hier zu zweit gelegen
Und ließe mit mir vieles machen. Doch deswegen
Bin ich doch nicht unsittlich gleich und schlecht?
Die Leute sagen, seinen Garten soll
Daß er von Blüten, die süß duften, voll
Werd, man ausgiebig und gern begießen.
Die Leute sagen viel. Und selten wahr.
Doch diesmal, fürchte ich, stimmt es sogar.
Daß ich allein hier lieg, will mich verdrießen.
(S. 198)
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Stell dir vor: es kommen alle Frauen
Die du einmal hattest, an dein Bett.
Ach, die wenigsten sind jetzt noch nett.
Keine, denkst du, ist mehr anzuschauen.
Aber alle stehen streng und schweigend.
Eine jede will von dir heut nacht
Ihren Spaß. Und wenn du ihr's gemacht
Tritt sie seitwärts, auf die nächste zeigend.
Gierig langen sie dich an. Verloren
Bist du. Die du einst zum Spaß erkoren
Treiben mit dir bösen Spaß.
Selbst seh ich mich in der Reihe stehen
Sehe mich ganz schamlos zu dir gehen.
Und du liegst armselig, krank und blaß.
(S. 199)
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Dir zugeeignet und dir ganz gewogen
Bin ich, seit ich den Mut zum Du gefunden.
Was immer mir auch fehlt, ich muß gesunden
Solang mir deine Liebe nicht entzogen.
Das kleine Wort, das damals wir ernannten
Das unauffällig machte das Berühren
(Unwiderstehlich machte das Verführen)
Durch Monde ist es Hort deiner Verbannten.
Das Wort ist mir Umarmung, ist mir Kuß.
Die ich so lange auf dich warten muß
Ich küsse es in jedem deiner Briefe.
Und weine ich, wenn ich es lese, ist
Es nur, weil du dann wieder bei mir bist
Und ich bin ohne Wunsch. Als ob ich bei dir schliefe.
(S. 201)
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Liebe liebte ich, doch nicht das Lieben.
"Ob der Junge nicht bald fertig ist"?
Dachte ich und haßte diesen Mist.
Wenn die Liebe ohne Lust geblieben.
Durch vier Jahre spürte ich nur einmal
Selber die Begierde, selber Lust.
Daß es so war, hatt ich nie gewußt.
Doch es war im Traum und darum keinmal.
Und nun bist du da. Ob ich dich liebe
Weiß ich nicht. Doch daß ich bei dir bliebe
Wünsch ich jede Nacht.
Rührst du mich nur an, muß ich mich legen.
Weder Scham noch Reue stehn dagegen
Und was sonst da wacht.
(S. 204)
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Ich erhielt vom lieben Gott ein Schreiben
Ob mich Petrus nicht besuchen könnt
Da ich's dem Herrn Pfarrer nicht vergönnt
Kurze Zeit an meinem Bett zu bleiben.
Ich bat Gott persönlich zu halb dreizehn
Und er kam auch pünktlich. Ich fragt ihn:
Wann kann ich zu Bidi wieder hin?
Doch Gott sprach, er könne nicht so weit sehn.
Dann fragt er mich, ob an Leib und Seele
Mir zu meinem Heile etwas fehle.
Seine Firma sei kulant: der heilige Geist ...
Ha, ich winkte lächelnd ab, was kann der?
Joseph stach er aus? Als ob der Mann wär.
Herrgott, Bidi lehrte mich, was Lieben heißt.
(S. 205)
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Als der Klassiker am Montag
dem siebenten Oktober 1935
es verließ, weinte Dänemark
Geliebter, hast du es denn nicht gelesen?
Rund tausend Jahre hielt es sich versteckt.
Um fünfzehnhundert wurd's jedoch entdeckt.
Es ist entdeckt! (Kolumbus ist's gewesen.)
Sieh seinen Ruhm wie einen Staub verwehen.
Seit lang ist's nur das Ei, von dem man spricht.
Gern steht das Allerneuste dort im Licht.
Ob sie jedoch ein Lehrstück schon verstehen?
Traust du denn diesen, daß sie dich erkennen
Trotz deiner Größe einen Großen nennen?
Bald fährt das Schiff. Fährt nach Amerika.
Ich werde sehr allein sein und dich lieben.
Du mußt mir schreiben: es ist so geblieben.
Ich bin der alte und bald bin ich da.
(S. 206)
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Aus: Margarete
Steffin Konfutse versteht nichts von Frauen
Nachgelassene Texte
Herausgegeben von Inge Gellert
Mit einem Nachwort von Simone Barck
und einem dokumentarischen Anhang
Rowohlt Verlag Berlin 1991
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