"Im wunderschönen Monat Mai . . ."


Mai - Liebesgedichte


deutscher Dichter und Dichterinnen

(Autoren G-H)

 





 

 

Else Galen-Gube
(1869-1922)


's ist Mai

Rings steht die Erde in Blütenpracht,
die goldene Sonne am Himmel lacht
und der Winter ist endlich vorbei!
Vorbei die Kälte, die Not und Qual,
Lenz ists geworden mit einem Mal,
's ist Mai - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Und den Frühling hast du mir ins Haus gebracht
auf heimlichen, flüsternden Schwingen der Nacht,
nun ist das Leid ja vorbei - - -
Und ich öffne die Fenster dem Sonnenschein,
dich, Liebster, dich und den Lenz laß ich ein,
's ist Mai - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Aus: Im Bann der Sünde Gedichte von Else Galen-Gube
Königsberg i. Pr. Thomas & Oppermann 1905 (S. 58)
_______



Karl Geib
(1777-1852)


Im Mai

Wie der Mai vom Hügel wandelt
Durch die Thäler, an den Bächen,
Blumen, weiß und feuerfarben,
Den smaragd'nen Fluren spendend,
Silbertön' in Lüften schallen!
Wie dort Ährenfelder wogen,
Junge Nektarreben blühen,
Heil'ge Bäum' und Lauben säuseln!
Wie durch dunkles Grün der Föhren
Freundlich Eich' und Buche schimmern!
Jubel tönt dem holden Maien,
Der im Bunde mit Lyäus,
Pan, der Waldsyringe Meister,
Und dem leichtbeschwingten Zephyr,
Wonne bringt aus sel'gen Auen. -
Nymphen, eilet rasch vorüber!
Denn im Busche lauscht der Waldgott;
Aber bald wird er Euch haschen.
Nicht so spröde holde Mädchen!
Seht! Es lodert Lust und Flamme
Rings im Äther, Land und Strömen:
Lieben sollen wir uns alle,
Weil die hochvereinten Götter,
Mit Cyther' und Charitinnen
Liebend auch das All vereinen.


Aus: Gedichte von Karl Geib
Erster und Zweiter Band Speyer 1830
In der J. C. Kold'schen Buchhandlung (Band 2 S. 79-80)
_______



Karl Geib
(1777-1852)


Am 1. Mai
(Triolet)

Es kam der frohe Mai zurücke,
Und immer hofft ein liebend Herz:
Auf Blümchen ruh'n Aurorens Blicke,
Auf Fluren kehrt der Mai zurücke -
Wann, Holde, nah'n wir uns dem Glücke,
Zerfließt in Lust der tiefe Schmerz? -
Es kam der frohe Mai zurücke,
Und immer hofft ein liebend Herz.

Doch lächelt heute mir entgegen
So wonniglich Dein sanftes Bild.
Wär' Ahndung dies auf Dämmerwegen?
Wie lächelt mir Dein Bild entgegen!
Führt aus des Grames Irrgehägen
Uns schon die Hoffnung, treu und mild -
Es lächelt heute mir entgegen
So wonniglich Dein sanftes Bild!

Aus: Gedichte von Karl Geib
Erster und Zweiter Band Speyer 1830
In der J. C. Kold'schen Buchhandlung (Band 2 S. 163-164)
_______



Max Geissler
(1868-1945)


Das verlorene Lied

Einst wußt' ich ein schönes Lied vom Mai;
Ich habe die Weise verloren.
War wonnig zu blasen auf der Schalmei
Im Grünen vor den Toren.

Es klang von heimlicher Liebe darein
Und klang von minnigen Küssen.
Nun duften die Kirschen wieder am Rain,
Und das Junglaub haucht von den Nüssen.

Ich reite vorüber, ich reite vorbei
Dem sanften, sehnsüchtigen Sagen.
Einst wußt' ich ein schönes Lied vom Mai,
Das haben die Stürme verschlagen.

Ein Klingen klingt aus der Frühlingsau;
Ich seh' sie zum Tanze schreiten . . .
Mein Rappe niest in den klaren Tau -
In den Bergwald wollen wir reiten.

Und wird es Nacht und lischt der Schein
Der Sterne in den Winden -
Wir schlagen uns Funken aus dem Stein
Und wollen den Weg schon finden.


Aus: Gedichte Volksausgabe
von Max Geissler
Erstes bis Fünftes Tausend
Leipzig Verlag von L. Staackmann 1908 (S. 85)
_______





Hermann von Gilm
(1812-1864)


Allerseelen

Stell' auf den Tisch die duftende Reseden,
Die letzten rothen Astern trag' herbei
Und laß uns wieder von der Liebe reden
Wie einst im Mai.

Gieb mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke,
Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei;
Gieb mir nur einen deiner süßen Blicke
Wie einst im Mai.

Es blüht und funkelt heut' auf jedem Grabe,
Ein Tag im Jahre ist den Todten frei;
Komm' an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
Wie einst im Mai.

Aus: Ausgewählte Dichtungen von Hermann von Gilm
Herausgegeben von Rudolf Heinrich Greinz
Leipzig Reclam jun. 1894 (S. 132)
_______



Adolf Glaser
(1829-1916)


König Mai

Als Bote eilt der März herbei
Und bringt der Erde frohe Kunde,
Daß sie erwählt vom Bräut'gam sei
Als Braut zu süßem Liebesbunde
Und laut erklärt er in der Runde:
Der Bräutigam, das ist der Mai,
Der schöne Mai.

Da er die Kunde ihr gebracht,
Der Erde Freudenthränen rinnen
Auf ihre ernste Jungfrautracht
Von glattgelegtem weißem Linnen;
Sie weiß nicht, was sie soll beginnen,
Denn wohlbekannt ist ihr der Mai,
Der schöne Mai.

Bald ist sie tiefbewegt, bald still,
Weiß nicht, was sie soll thun und lassen,
So wechselnd endet der April.
Nun muß sie in Geduld sich fassen,
Denn zwischen Lieb' und zwischen Hassen
Träumt ahnend doch sie nur vom Mai,
Vom schönen Mai.

Der aber kommt mit einem Mal
Ganz unerwartet angezogen
Und über'n Berg und durch das Thal
Ist sein Gefolge mitgeflogen:
Ein Zirpen, Girren, Schwirren, Wogen,
Ein Jauchzen kündigt an den Mai,
Den schönen Mai.

Wie wird der Braut so wohl und bang,
Sie fühlt ihr Herz an seinem Hangen,
Sein Hauch ist Duft, sein Wort Gesang,
Es glüh'n von Rosen seine Wangen,
Sie ruht von seinem Arm umfangen
Und jauchzt: O lieber, lieber Mai,
O schöner Mai!


Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 248-249)
_____





Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)


Mai

Leichte Silberwolken schweben
Durch die erst erwärmten Lüfte,
Mild, von Schimmer sanft umgeben,
Blickt die Sonne durch die Düfte.
Leise wallt und drängt die Welle
Sich am reichen Ufer hin,
Und wie reingewaschen helle,
Schwankend hin und her und hin,
Spiegelt sich das junge Grün.

Still ist Luft und Lüftchen stille;
Was bewegt mir das Gezweige?
Schwüle Liebe dieser Fülle,
Von den Bäumen durchs Gesträuche.
Nun der Blick auf einmal helle,
Sieh! der Bübchen Flatterschar,
Das bewegt und regt so schnelle,
Wie der Morgen sie gebar,
Flügelhaft sich Paar und Paar.

Fangen an, das Dach zu flechten-
Wer bedürfte dieser Hütte?-
Und wie Zimmrer, die gerechten,
Bank und Tischchen in der Mitte!

Und so bin ich noch verwundert,
Sonne sinkt, ich fühl es kaum;
Und nun führen aber hundert
Mir das Liebchen in den Raum,
Tag und Abend, welch ein Traum!

Aus: Johann Wolfgang von Goethe
Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Insel Verlag.
Herausgegeben von Heinz Nicolai. 7. Auflage 1990
(S. 858-859)
_______



Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)


Mailied

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,

Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!

O Lieb, o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.

O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,

Wie ich dich liebe
Mit warmen Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut

Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!


Aus: Johann Wolfgang von Goethe
Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Insel Verlag.
Herausgegeben von Heinz Nicolai. 7. Auflage 1990
(S. 94-95)
_______







Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)


Mailied

Zwischen Weizen und Korn,
Zwischen Hecken und Dorn,
Zwischen Bäumen und Gras,
Wo gehts Liebchen?
Sag mir das!

Fand mein Holdchen
Nicht daheim;
Muß das Goldchen
Draußen sein.
Grünt und blühet
Schön der Mai,
Liebchen ziehet
Froh und frei.

An dem Felsen beim Fluß,
Wo sie reichte den Kuß,
Jenen ersten im Gras,
Seh ich etwas!
Ist sie das?

Aus: Johann Wolfgang von Goethe
Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Insel Verlag.
Herausgegeben von Heinz Nicolai. 7. Auflage 1990
(S. 606-607)
_______



Ernst Goll
(1887-1912)


Frühling

Ein Maientag; im Sonnenlicht
Liegt Flur und Wald und Heide;
Aus Blütenschnee der Frühling flicht
Sein junges Brautgeschmeide.

Und was aus Waldesrauschen schallt,
Das singen flüsternde Wellen,
Und was die Lüfte sprechen, hallt
Aus jubelnden Vogelkehlen:

O Frühlingspracht, o Maienzeit,
Wie hebst du Herz und Sinne!
O Welt, so wundersam und weit,
O selige Maienminne! -

Nur was in reichem Blütenhang
Zwei junge Herzen klangen,
Als Liebchens Lippen heiß und lang
An meinem Mund gehangen,

Da sang kein Wort, kein Vogellied
In sonnenflimmernde Weiten,
Nur wenn der Lenz in die Lande zieht,
Ertönen verklungene Saiten: -

O Frühlingspracht, o Maienzeit,
Wie hebst du Herz und Sinne!
O Welt, so wundersam und weit,
O selige Maienminne!

Aus: Ernst Goll Im bitteren Menschenland
Das gesammelte Werk
Herausgegeben von Christian Teissl
Igel Verlag 2012 (S. 32)
_______



Ernst Goll
(1887-1912)


Maientag

Das war ein sel'ger Maientag:
Die ersten Blumen blühten.
Wie uns von all dem Sonnenschein
Die jungen Herzen glühten! - -

Wir saßen unterm Fliederbaum
Und hielten uns die Hände
Und fanden rings im Lenzbereich
Der Herrlichkeit kein Ende.

Im Winde ließ der Fliederbaum
Die Blüten niederregnen,
Als wollt' er unser junges Glück
Mit Himmesschönheit segnen.

Mir war die junge Brust so voll
Von Dankbarkeit und Sehnen
Und über meine Wangen rann
Ein Meer von Freudentränen. - - -

Wo ist die sel'ge, sel'ge Zeit,
Das süße Kinderlieben? - -
Die Blüten hat der Wind verweht,
Die Tränen sind geblieben.


Aus: Ernst Goll Im bitteren Menschenland
Das gesammelte Werk
Herausgegeben von Christian Teissl
Igel Verlag 2012 (S. 66)
_______






Martin Greif
(1839-1911)


Mai

Wieder blüht der duft'ge Flieder
Wie zu andern Frühlingstagen,
Und es schlägt die Drossel wieder,
Wie sie vormals hat geschlagen.

Alles in des Frühlings Fülle
Kann nicht mehr vom Jubel lassen,
Herz, und du nur hältst dich stille,
Das sich sonst nicht konnte fassen!

Aus: Gedichte von Martin Greif
Mit einem Bildnis des Dichters von Hans Thoma
Neunte, verbesserte und vermehrte Auflage
Leipzig C. F. Amelangs Verlag 1909 (S. 18)
_______



Martin Greif
(1839-1911)


Maienglück

Wieder streust du deine Düfte,
Blütenvolle Maienzeit,
Und im Atem deiner Lüfte
Ahn' ich deine Göttlichkeit.

In dir kehrt, die längst vergangen,
Kehrt die Jugend mir zurück,
Und in deinem Wunderprangen
Webt als Traum der Liebe Glück.

Aus: Gedichte von Martin Greif
Mit einem Bildnis des Dichters von Hans Thoma
Neunte, verbesserte und vermehrte Auflage
Leipzig C. F. Amelangs Verlag 1909 (S. 21-22)
_______



Theresa Gröhe (Ps. T. Resa)
(1853-1929)


Ahnung

Das ist ein Blühen und Sprießen: Maisonne und Maienwind!
Aufleuchtend durch die Wiesen des Stromes Silber rinnt,
Aufjauchzend zum Himmel, dem blauen, klingt rings der Vögel Lied,
Wohin die Augen schauen, hellleuchtend das Leben blüht.
Mir ist an diesem Tage, da alles, alles lacht,
Als bräche mit Sturmesklage herein die finstere Nacht,
Ein todesbanges Ahnen sagt mir in Schmerz und Groll,
Daß bald in neue Bahnen dein Leben lenken soll.
Daß nah die Zeit der Leiden, die Zeit des Glückes verrann -
Daß unsere Seelen sich scheiden - wie unsre Wege fortan;
Daß ich dahin muß gehen, ohne Klage und ohne Macht,
Was mir allein das Leben noch lebenswert gemacht.
- - - - - - - - -
O, müßten die Lippen erbleichen, die mir so hold gelacht,
Müßt' meine Liebe weichen des Todes finstrer Macht;
Ich wollt' es lieber verwinden, wie bitter es immer sei,
Als sehn deiner Liebe Schwinden - und müßig stehen dabei!

Müßig, in stolzem Schweigen - doch stockenden Atems sehn
Meinen holden Tag sich neigen, meine Sonne untergehn -
Vergessen und entsagen, da noch das Herz mir glüht,
Da noch in wildem Klagen bricht aus der Brust das Lied.
- - - - - - - - - - - - - -
Es ziehen die Wolkenschatten trüb' über den Sonnenschein - -
Die wir so lieb uns hatten, muß so das Ende sein?
Muß ich die Todeswunde empfangen von deiner Hand -
O Lieb, hat sich zur Stunde dein Herz von mir gewandt?

Aus: Gedichte von T. Resa
Königsberg i. Pr. Thomas & Oppermann
(Ferd. Beyers Buchhandlung) 1900 (S. 80-81)
_______



Julius Grosse
(1828-1902)


Weißt du noch - in Maienmonden

Weißt du noch - in Maienmonden,
Als wir gingen unter Birken?
Heil'ges Schweigen war verbreitet
In der knospenden Natur;
Denn sie hatte still zu wirken
In den Wäldern, auf der Flur.
Tausend Wiesen an den Buchten,
Tausend Bäume an den Schluchten
Frühlingsneu zu übergrünen,
War ihr heilig emsig Thun.
Und wir lauschten ihrem Weben;
Auf dem Berg, im Thal, dem feuchten,
War ein schweigend Liebesleben,
Selig schon im Augenleuchten,
Selig damals, ach, und nun -

Heut' im Herbste laß uns singen.
Heller Wind mit kühlen Schwingen
Fährt dahin im Blätterfall,
Treibt sie wirbelnd. Sturmgewaltig
Geht ein Sterben tausendfaltig
Durch das laute, luft'ge All.
Warum trauern? Ganz dein eigen,
Bin ich reich im Winterschweigen,
Reicher, als im Mai ich war.
Deine Stimme lieb vertraulich
Uebertönt das Waldesschauern,
Herzensfrühling zieht beschaulich
In das Sterben, in das Trauern:
So den Wechsel überdauern
Wollen wir noch manch ein Jahr.


Aus: Gedichte von Julius Grosse
In neuer, durchgesehener und vermehrter Auswahl
mit einer Zuschrift von Paul Heyse
Berlin G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung 1882 (S. 9-10)
_______



Elisabeth Grube geb. Diez
(1803-1871)


Der Maiabend

Wir saßen wie die Kinder still im Grünen,
Entzücken klopfte in den treuen Herzen,
Der bitt'ren Trennung wehevolle Schmerzen
Versanken in des Augenblickes Sühnen.

Ha, säßen wir auf einem Grab der Hünen
Und hielten Wache bei den Leichenkerzen,
Ergingen uns im wilden Sturm des Märzen
Auf ödem Felsenstrand; in sand'gen Dünen.

Wir würden selig Aug' in Auge senken
Und nur der Nähe Himmelsglück bedenken;
Wir fühlten nichts von allen Lebensnöthen!
Wie dreimal selig nun der Herzen Freuen
Wo Maienlüfte Blüthenflocken streuen
Und gold'ne Abendwölkchen sanft sich röthen! -

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 207)
_______



Jakob Haringer
(1898-1948)


Des Sommers erstes, welkes Blatt . . .

Ich wollte dir noch einmal, einmal sagen,
Du warst mein schönster Mai, mein liebstes Glück!
Und immer noch in diesen bittern Tagen,
Denk ich der lieben Märchenzeit zurück.
Was soll das Glück auch lang schon bei uns bleiben . . .
Den Namen schrieb ich, der ins Herz gebrannt!
Ich wollt dir einmal noch viel Liebes schreiben -
Da fiel ein welkes Blatt mir auf die Hand . . .

Aus: Haringer Das Fenster
Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 15)
_______



Johann Christoph Friedrich Haug
(1761-1829)


An Selima

O der Maimond! - Des Genusses dünken
Seine Tage mich vor allen werth!
Schwärmerin! und Grabgedanken nährt
Dein beklomm'ner Geist, und Thränen blinken? -
Traue der Natur geheimern Winken!
Wunderlieblich ist, was sie bescheert.
Lass uns ihren Freudenbecher trinken,
Und vergiss, dass er sich mählig leert.
Wonne lächelt heut - Wir sollten säumen?
Wir? - und athmen Augenblicke kaum?
Wonne schwindet flugs, wie Blitz und Schaum.
Nein! Geneuss der Lust in frühen Keimen!
Selima! Das Leben ist ein Traum.
Lass uns weise seyn, und lustig träumen!

Aus: Epigrammen und vermischte Gedichte
von Johann Christoph Friedrich Haug
Zweiter Band
Berlin Bei Johann Friedrich Unger 1805 (S. 123)
_______



Johann Christoph Friedrich Haug
(1761-1829)


An Louisen im Mai

Sieh den Wunderthäter,
Deinen holden Mai!
Schuf er nicht den Aether
Und die Erde neu?
Milde Lüfte
Wehen Balsamdüfte
Ueber Thal und Höh'n.
Blumen rings in bunten Chören!
Rings melodisches Getön!
Lust und Lieder, was wir hören!
Lieb' und Schönheit, was wir sehn! -
Liebchen! Inbegriff des Schönen!
Quelle meiner Seligkeit!
Lohn' auch meiner Liebe Sehnen
In der schönsten Zeit!
Unser Leben
Ist ein kurzer Tag,
Dess Entschweben
Aufzuhalten
Keine Kraft vermag!

Lass die Liebe walten!
Ich beschwöre dich:
O beglücke mich,
Nun die Sonne weilt,
Und die Schöpfung lacht!
Nur zu bald ereilt
Uns die lange Nacht!

Aus: Epigrammen und vermischte Gedichte
von Johann Christoph Friedrich Haug
Zweiter Band
Berlin Bei Johann Friedrich Unger 1805 (S. 195-196)
_______



Johann Christoph Friedrich Haug
(1761-1829)


Minnelied
Nach Ulrich von Lichtenstein

Wenn der Wald im süssen Maien
Seiner Blüthen Schmuck empfaht,
Sieht man rings umher sich zweien.
Wer ein holdes Liebchen hat,
Alles ist zusammen froh,
Recht! die Maizeit will es so.

Wo geheim sich Liebes zweiet,
Walten hoher Muth und Lust,
Walten Zauber, und es maiet
Segenvoll in beider Brust.
Traurens will die Minne nicht,
Wo sich Lieb' um Liebes flicht.

Ja, wo sich zwei Wesen finden,
Herzlich lieben ohne Wank,
Und auf Einigkeit verbünden,
Wird die Liebe niemals krank.
Gott, ihr Schutzherr, Gott, ihr Freund,
Hat zur Wonne sie vereint.

Aus: Epigrammen und vermischte Gedichte
von Johann Christoph Friedrich Haug
Zweiter Band
Berlin Bei Johann Friedrich Unger 1805 (S. 303-304)
_______



Johann Christoph Friedrich Haug
(1761-1829)


Minnelied
Nach Kristan von Hamle

Wonne! Seht das Mailicht scheinen,
Scheinen über alles Land!
Hört das Zwitschern in den Hainen,
Die man ehe traurig fand!
Lag nicht ringsum todt die Heide?
Nun ist ringsum Augenweide!
Heut ist mein liebster Maientag.

Heute kommt die Langentbehrte
Zu dem Murmelquell im Thal.
O! die holde Liebenswerthe
Ist, wie heit'rer Sonnenstrahl.
Der beflimmert alle Reiche;
Also thät die Engelgleiche:
Mein junges Herz durchstrahlte sie.

Wohl ihr, wohl dem hehren Weibe,
Das so frei von Falschheit lebt,
Züchtig, wie des Mondes Scheibe,
Unter Sternenchören schwebt.
Diesem wahrlich! gleicht die Reine;
Ewig wandeln im Vereine
Die Tugenden all all mit ihr.

O! Geböte die ich meine,
Hundert Sklavendienste mir,
Tausend - ich versagte keine,
Reichen Lohn weiss ich dafür.
Endlich darf ich von der Guten
Minnelohn und Gnade muthen;
Sie küsse dann den Brautkuss mir.

Aus: Epigrammen und vermischte Gedichte
von Johann Christoph Friedrich Haug
Zweiter Band
Berlin Bei Johann Friedrich Unger 1805 (S. 384-385)
_______



Heinrich Heine
(1797-1856)


Gekommen ist der Maie,
Die Blumen und Bäume blühn,
Und durch die Himmelsbläue
Die rosigen Wolken ziehn.

Die Nachtigallen singen
Herab aus der laubigen Höh,
Die weißen Lämmer springen
Im weichen grünen Klee.

Ich kann nicht singen und springen,
Ich liege krank im Gras;
Ich höre fernes Klingen,
Mir träumt, ich weiß nicht was.


Aus: Heinrich Heine. Sämtliche Gedichte
in zeitlicher Folge.
Hrsg. von Klaus Briegleb.
Insel Taschenbuch Verlag 1997
(S. 129)
_______



Heinrich Heine
(1797-1856)


Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

Aus: Heinrich Heine. Sämtliche Gedichte
in zeitlicher Folge.
Hrsg. von Klaus Briegleb.
Insel Taschenbuch Verlag 1997
(S. 301)
_______



Leo Heller
(1876-1949)


Im Mai

Das klang wie eine Symphonei,
Wie eine Liebessymphonei;
Mein Liebchen sang ein kleines Lied
Vom Rosenknösplein, das erblüht
Im Mai.
Und wie um's rote Röslein wirbt
Der kleine Falter keck im Mai,
Und wie der kleine Falter stirbt
Dabei.

Das war im stillen Birkenhain,
Der Abendschatten spann uns ein.
Mein Liebchen sang ein kleines Lied
Vom Burschen, der sein Mädel sieht
Im Mai'n.
Und wie um's dralle Mädel wirbt
Der kecke Bursch. Gott mög's verzeih'n!
Und wie das Mädel dann verdirbt
Allein.

Ich hab' dem kleinen Lied gelauscht,
Und in den Bäumen hat gerauscht
Der Abendwind. - Das kleine Lied
Noch immer in die Weite zieht
Im Mai.
Ich habe Liebchens Mund geküßt
Ganz ohne Furcht und Scheu,
Bis daß das Lied gestorben ist
Dabei - - - - - - -

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 32)
_______



Max Herrmann-Neiße
(1886-1941)


Zürcher Mai- und Hochzeitscarmen

Ich gehe einen goldnen See entlang,
es schwärmt der Mai im Blütenüberschwang.
Kastanien harren hochzeitlich geschmückt,
daß ihnen bald das Liebeswunder glückt.
Ich harre zärtlich Deiner Wiederkehr;
mein Traumboot holt Dich übers Fliedermeer.
Der Kirsch- und Apfelbäume Rot und Weiß
geleitet farbig Dich zum Fest des Mais.
Vom Sang der Vögel ist die Luft bewegt,
die einen Blütenkranz ins Haar Dir legt.
Aus der Eisheiligen Zwischenspiel im Schnee
steigt wieder golden unser Fest am See.
Maikäfer falln Dir trunken in den Schoß,
der warme Wind macht Deine Brüste bloß.
Dann hüllt er uns in seinen Mantel ein
und läßt uns fern der Welt glückselig sein.
Wir wissen nichts von Wahn und Widerstreit
und sind geborgen jenseits aller Zeit.
Ich gehe einen goldnen See entlang
hinein in unsrer Liebe Überschwang ...

Aus: Max Herrmann-Neiße Gesammelte Werke
Herausgegeben von Klaus Völker
bei Zweitausendeins 1986/87
Band 1: Gedichte 1 Im Stern des Schmerzes
Band 2: Gedichte 2 Um uns die Fremde
Band 3: Gedichte 3 Schattenhafte Lockung
Band 4: Gedichte 4 Mir bleibt mein Lied (Band 2 S. 273)
_______



Camill Hoffmann
(1878-1944)


Warnung vor dem Mai

Der Mai ist eine schöne Frau,
er trägt ein pfaugrünes Kleid,
und seine Augen sind süss und blau -
behüt dich Gott vor Leid.

Sein Lächeln rührt die Herzen an
und macht sie begehrlich und heiss,
die Herzen sind spröd wie Porzellan,
und springen, eh' man's weiss.

Die Frauen sind untreu, du bist noch jung,
untreu ist der Mai.
Und hat dein Herz erst einen Sprung,
so ist der Frühling vorbei.


Aus: Die Vase Neue Gedichte von Camill Hoffmann
Axel Juncker Verlag Berlin-Charlottenburg 1910 (S. 65)
_______



Mia Holm
(1845-1912)


Die Liebe

Die Liebe willst du finden?
So suche sie im Mai,
Da sitzt auf Blütenbäumen
Die wunderholde Fei.

Da flattert allerwegen
Ihr weiches, grünes Haar,
Aus jeder Blume lächelt
Ihr Schelmenaugenpaar.

Doch soll ich gut dir raten,
So bleib ihr lieber fern,
Denn Necken und Betrügen,
Das hat sie gar zu gern.

Sie kost mit dir ein Weilchen
Und lässt dich dann allein,
Sie giebt für kurze Wonne
Dir lange, bange Pein.

Aus: Verse von Mia Holm
Albert Langen Verlag Paris Leipzig
München 1900 (S. 13-14)
_______



Mia Holm
(1845-1912)


Maienmorgen

Der Maienmorgen schimmerte,
Sie sassen stumm und blass,
Ihr süsses Auge flimmerte
Und wurde langsam nass.

Wehschatten überdunkelten
Ihr weisses Angesicht
Und grosse Thränen funkelten
Wie Tau im Sonnenlicht.

Ein Schmetterling umgaukelte
Das traurig stille Paar
Und setzte sich und schaukelte
In ihrem blonden Haar.

Sein Blick, der düster sinnende,
Sog ihren Liebreiz ein,
Die Stunde, die verrinnende,
Gab ihnen Pein um Pein.

So schwiegen sie, zwei Leidende,
In gleicher bittrer Qual,
So sassen sie, zwei Scheidende,
Vereint zum letztenmal.


Aus: Verse von Mia Holm
Albert Langen Verlag Paris Leipzig
München 1900 (S. 22-23)
_______



Arno Holz
(1863-1929)


Tiefe Mainacht

So
süß ... wob ... die
Nacht!
Unter
den dunkelen Kastanien ... gegen die mondhelle Wand,
lehntest
du
mit geschlossenen ... Augen im Schatten.
Wir ... küßten uns ... nicht.
Unser Schweigen
sagte ... uns ... alles.

Aus: Arno Holz Werke Band I. (Phantasus I, II)
Luchterhand Verlag Neuwied am Rhein
Berlin-Spandau 1961 (S. 275)
_______



Ella Hruschka
(1851-1912)


Mainacht

Erglühend stieg der beschnittene Mond
Empor über Erlen und Weiden,
Da gingen Zwei durch die Maiennacht
Zum letztenmal vor dem Scheiden.

Aus schweigenden Gärten berauschend stieg
Der ersten Rosen Gedüfte,
Um brennende Wangen liebkosend strich
Der Atem der Maienlüfte.

Die Beiden scherzten und heuchelten Ruh,
Doch wars ein vergebliches Wähnen;
Im Herzen quoll immer heißer empor
Ein süßes betörendes Sehnen.

Er nahm ihre Hand und sein lechzender Mund
Bedeckte sie zärtlich mit Küssen -
Ihr war, als ob sie in seliger Not
Ihn würde ans Herz ziehen müssen.

Sie tat es nicht und sie ließ ihn zieh'n -
Und sah dann noch manche Stunden,
Durch Tränen hinaus in die Maiennacht,
Dem Wege nach, wo er entschwunden.

Aus: Im goldenen Licht
Gedichte von Ella Hruschka
Leipzig Verlag für Literatur, Kunst und Musik 1910 (S. 113)
______



Ricarda Huch
(1864-1947)


Liebesreime

VIII.
Glaubt der Baum im Monat Mai,
Wenn die Blätter ihn umprangen,
Daß das Kleid ihm umgehangen
Nur für eine Spanne sei?
Ewig meint er es zu tragen,
So wie deine Liebe ich -
Wenn der Herbst vorüberstrich,
Steht er nackt in Wintertagen.

Aus: Ricarda Huch Gesammelte Werke
Fünfter Band: Gedichte, Dramen, Reden,
Aufsätze und andere Schriften
Herausgegeben von Wilhelm Emrich
Kiepenheuer & Witsch 1966-1970 (S. 60-61)
_______


 

 

zurück zum Verzeichnis


zurück zur Startseite