(c) Rolf Eichelmann
Liegendes Paar |
Detlev von
Liliencron
(1844-1909)
Winternacht
Das war beredet und
besprochen,
Wie lange her, ich ahn es nicht.
Der Tag ist da, die Pulse pochen,
Die Flocken fallen träg und dicht.
Im fremden Dorf, im fremden Saale,
Es kennt uns keiner, welche Lust,
Wir drehn uns unterm Kerzenstrahle,
Wie schweißt die Liebe Brust an Brust!
Und eng gedrängt im
regen Schleifer,
Entzünden wir uns mehr und mehr;
Ich fühls, ich bin Besitzergreifer,
Ich weiß auch, das ist dein Begehr.
Geheimnisvoller Schatten breitet
Sich über unser Stelldichein;
O komm, ein Zimmer liegt bereitet,
Ein traut Gemach, wir sind allein.
Der Wirt, mit artigem
Verneigen,
Läßt uns hinein, wünscht gute Nacht;
Kein Späher horcht, die Sterne schweigen,
Und stumm ist rings die Winterpracht.
Und wie beim Fest die Hochzeitsgäste
Noch weiter jubeln bei Musik,
Verklingt, verhallt in unserm Neste
Gejauchz und Violinenquiek.
Wie bin ich schnell bei
Band und Schnallen;
Sie wehrt sich, sie verweigerts mir,
Und ist mir um den Hals gefallen,
Verwirrung schloß die Augen ihr.
Noch sträubt sie sich, schon fällt die Hülle
Sie will nicht und sie muß, sie muß,
Und bringt mir ihre süße Fülle,
Und bringt sie mir in Glut und Kuß.
Der Morgen naht in
tiefer Stille,
Sie schläft erschöpft im weichen Flaum;
Noch drang nicht durch die Ladenrille
Das Frührot in den heiligen Raum.
Die Ampel gießt in Dämmermilde
Ein Zartlicht ihr um Brust und Arm,
Und auf das himmlische Gebilde
Seh lächelnd ich und liebewarm.
Und eh die Sonne sich
erhoben,
Sind wir schon unterwegs im Schnee;
Da hab ich sie emporgehoben,
Und trug sie, ein verzognes Reh.
Und trug sie bis an ihre Kammer,
Ans Erdenende tät ichs noch,
Sie aber wollte kaum die Klammer
Entlösen meinem Nackenjoch.
Die erste Krähe läßt
sich hören;
Leb wohl, mein Schatz, auf Wiedersehn.
Und durch die hochbeschneiten Föhren
Muß nun den Weg allein ich gehen.
Die Sonne steigt, und tausend Funken
Durchglitzern das beeiste Feld.
Von Glück und Liebe bin ich trunken;
O Gott, wie herrlich ist die Welt!
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