Das Liebes-Poetische Manuskript N° 2

Erotische Gedichte

(c) Klaus Ender



Benjamin Neukirch
(1665-1729)


Climene / prüfe fleisch und blut /
Und straffe meine liebes-glut /
Nicht nach der schwäche deiner flammen;
Mein feuer kömmt aus Adams schooß /
Darein der himmel selber floß;
Wie kan dein menschlich herz doch meine glut verdammen.

Du bist / wie Eva / fleisch und bein /
Drum kanstu auch kein engel seyn /
Und ausser menschen dich verlieben /
Und das gesetze der natur /
Das mit dem athem in uns fuhr /
Hat auch in deine brust: seyd fruchtbar; eingeschrieben.

Wer sich in stiller glut verbrennt /
Und menschen-liebe sünde nennt /
Muß auch das paradieß verdammen;
Denn Evens weisse marmel-haut
War kaum aus knochen auffgebaut /
So fühlte Adams herz schon süsse liebes-flammen.

Climene / drum bedencke dich /
Du kanst hier ohne dornen-stich
Die schönsten zucker-rosen brechen.
Ein mensch muß wie die ärzte seyn /
Und eher nicht von todtes-pein /
Als von der lebens-krafft der starcken öle sprechen.

Schau / meine seele schmelzt in mir /
Und alle glieder folgen dir /
Gleich wie die blumen ihrer sonnen;
Bist du mir nun mein sonnen-schein /
So laß mich deine blume seyn /
Biß meine wurzel grund in deinem schooß gewonnen.



Gedicht aus: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen
auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte:
Benjamin Neukirchs Anthologie
Tübingen : Niemeyer, 1961 (Neudrucke deutscher Literaturwerke)
 

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