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Kaspar Stieler
(1632-1707)
Barbillchen, die Zukker-dokke.
Du süßbeliebtes Honig-kind,
Barbillchen, Labnüß meiner Seelen,
der Indiens süsse Zukker-hölen
an Anmuht nicht zugleichen sind.
Ich wil es, daß es alle wissen,
warum ich dich so offt muß küssen.
Der Zukker-trozz, der Nektar-Wein,
der in den göldnen Demant-schaalen
springt bey der Götter Feyermahlen
macht, daß sie ewig trunken sein,
weil deß Geschmakks, des Zukker-süssen
sie nimmer mögen satt geniessen.
Dein unverglichner Labsal-Mund
ist solch' ein Nektar meinem Herzen,
für meiner Liebe Wermuht Schmerzen.
Was auß Hymettens bunten Grund'
am Morgen die bemühte Biene
äzzt ab, ist deiner Jugend grüne.
Süß ist der göldnen Haare Band,
süß deiner Stirne rund umfangen,
süß die Zinober-rote Wangen,
süß deiner Augen heller Brand.
Dem Lippen-tau, dem Zukker-reichen
muß süsser Alakant auch weichen.
Dein Atem süsser, denn Kaneel,
süß deines Halses schmale Länge,
süß deiner Brüste Perl-gepränge,
süß ihr' Inwohnerinn, die Seel.
Süß deine Rede, süß dein Lachen,
dein Schlaffen, süsser, ach! dein wachen.
Süß deine Kleider, süß dein Rokk
das Fuppchen drein ist süß darneben,
da weist, was du mir drauß gegeben.
Barillchen, süsse Zukker-dokk'
Ich schmekke dünkt mich, noch die Gaben,
die auch die Todten können laben.
Das süsseste, so an dir ist,
muß ich, ungerne zwar, verschweigen,
doch kan es über alles steigen,
was je die Sterblichen versüßt.
Die Süsse, so es von sich giebet
macht Leib und Geist zugleich verliebet.
Man sagt wol, daß was süssers nicht
sey, als der sanffte Schlaaff zufinden?
das kan ich leicht daher entgründen:
als neulich uns verschwand das Licht,
war mir das wachen also süsse,
daß ich den Schlaaff drum fahren liesse.
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