Maria Grigorjewna Kühlstaedt
(1861-?)
Die Wölkchen
Wölkchen mit goldenen Säumen
ziehn hoch am Himmel zuhauf -
heiliges Sinnen und Träumen
lebt in dem Herzen mir auf.
Längst überwundenes Sehnen
kehrt in die Seele zurück;
wiederum beben mir Tränen
selig im alternden Blick.
Was mir das Herz einst erbittert -
dessen denkt nicht mehr die Brust;
hell in den Wölkchen erzittert
Abglanz erloschener Lust.
Nachts, wenn die Wölkchen zerfließen,
gehn auch die Träume zugrund …
Mögen die Augen sich schließen -
lächeln wird ihnen mein Mund!
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Die Schwalben
Heim im Glockenturme sind die Schwalben wieder,
in dem blauen Äther ziehn sie Kreis um Kreis,
heller stets und freier klingen ihre Lieder -
neuen Hoffnungsfrühling jubelt ihr Verheiß.
Auf der Kirche Kreuze, gleichwie höhre Weihe,
gleichwie Antwort, funkelt hell des Lenzes Licht …
Sonne … Aufflug … Lieder! … Schrankenlose Freie! …
Herz, du kannst nicht fliegen – drum so poche nicht!
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Biographie:
schwedischer Abstammung, wurde am 28. / 16. Oktober 1861 als Tochter des
Kronbeamten G. Wesselkow in Petersburg geboren. Sie beendete ihre
Bildung 1880 am Nikolaj-Waisenstift daselbst und heiratete 1884. Ihre
literarische Tätigkeit begann 1900; ihre lyrischen, epischen und
dramatischen Werke veröffentlichte sie unter dem Pseudonym "M. K." –
Lebt in Petersburg.
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Gedichte
und Biographie aus: Russische Dichterinnen. Ausgewählte Dichtungen übertragen und mit
biographischen Notizen versehen von Friedrich Fiedler.
Leipzig Verlag von Philipp Reclam jun. 1907
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