Das Liebes-Poetische Manuskript N° 3

Kuß-Gedichte

Gustav Klimt Der Kuss



Ludwig Tieck
(1773-1853)


O süßes Roth der Lippen, hold getheilet,
Ein liebend Paar, in ungetrennten Küssen,
Du Blumenlager, wo die Sorgen müssen
Im Spiel mit Liebesgöttern fliehn geheilet.

Wie über diesen Flammenweg hineilet
Der goldne Ton, geläutert von den süßen,
Sie küssend, und geküßt, um abzubüßen
Daß er entflieht, nicht auf den Rosen weilet!

Wenn Töne über diese Straße fliegen
Sind sie noch süßer als die Nachtigallen,
Sie wehen Blumenduft und Frühlingsklänge:

Darf sich mein Mund an ihre Röthe schmiegen,
So saug‘ ich trunken Frühling, Düfte, allen
Klang und den Geist der himmlischen Gesänge.


 

Gedicht aus: Ludwig Tieck. Gedichte. Teil I, II, III
Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1821-23.
Verlag Lambert Schneider Heidelberg 1967

zurück

zurück zur Startseite