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Georg Rudolf Weckherlin
(1584-1653)
Kuß.
Einig
süßes mündelein
Röhter dan ein röselein
So Phaebus durch sein ansehen
Macht aufgehen:
Lefzen übertreffend weit
Den taw so die erden nötzet,
Und mit fruchtbarkeit ergötzet
In der süßen Frülings zeit.
Holdseeliges
schätzelein,
Gib mir so vil schmätzelein,
Sovil du gibst meinem hertzen
Pein und schmertzen;
Sovil pfeil der fliegend Got
Wider mein hertz abgeschossen;
Sovil ich leid unverdrossen
Jamer, trübsal, angst und noht.
Sovil man
wol körnlein sands
Am ufer des Mohren-lands,
Sovil graß in dem feld stehen
Man kan sehen;
Sovil tropfen in dem Möhr,
Sovil fisch alle flüß bringen,
Vögel durch den luft sich schwingen,
Und sovil der hörbst weinböhr.
Sovil
schöne lieblichkeit,
Schmollende holdseeligkeit,
Sovil höflichkeit und lachen
Lieblich machen
Deinen thewren purpur-mund;
Wievil rosen deine wangen,
Wievil lilgen machen prangen
Deinen busen steif und rund.
So oft
küß mich Nymfelein,
So oft schmätz mich Schimpfelein;
Laß uns mit einander schertzen,
Und uns hertzen,
Biß ich sag, mein frid, mein fraid,
Ich kan nicht mehr, laß mich gehen,
So solt du ein weil abstehen,
Das ich seufzend halb verschaid.
Darnach
küß mich widerumb,
Das noch größer werd die sum,
Stüpf mich auch mit deiner zungen
Ungezwungen,
Die süßer dan honig ist:
Also laß uns kurtzweil führen,
Damit wir ja nicht verlieren
Der Jugent einige frist.
Laß uns
nach Amors willkhur
Wandlen auf der Jugent spuhr,
Biß das alter krum gebogen
Kom gezogen,
Mit zittern, kält, forcht und grauß,
Welches mit sich auf dem rucken
Vil laids bringet uns zu drucken,
Biß es uns macht den gar-auß.
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