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Johann Christian Günther
(1695-1723)
Als er Lenchens Augen
küßte
Ihr
Bogen voller güldnen Pfeile,
Ihr schwarzen
Augen voller Glut,
Erlaubt mir, daß ich mich verweile,
Und führt den Kuß in Nerv und Blut,
Damit er Lenchens Herze lehre,
Wie nah ich ihm schon angehöre.
Ich schmeck auf euch, ihr warmen Lider,
Die Frucht, so dort in Eden stand;
Ihr wälzt euch brünstig hin und wieder
Und streift den aufgelegten Mund
Und wist mit euren weichen Sachen
Der Lippen Spielwerck nachzumachen.
Die Venus hat viel treue Seelen,
Der Zehnte kennt die Wollust nicht;
Mein Kind, wir wollen sie verheelen,
Und wenn ein andrer Rosen bricht,
So küß ich deine Sonnenlichter
Und mercke keinen Splitterrichter.
So zwinckert unter meiner Zunge,
So, schönen Augen, küzelt sie;
So geht die Regung halb zu Sprunge,
So kostet's mich nur halbe Müh,
Zu sehn, zu fühlen und zu glauben:
Ihr könt die Freyheit zwiefach rauben.
Doch fürchtet euch vor keinen Bißen
Und glaubt nur, daß ihr sichrer seyd,
Als wenn mein geil- und starckes Küßen
Den Mund mit Narden überstreut;
Ich will euch drücken und nicht schonen,
Ihr müst mir nur die Lust verlohnen.
Ihr müst euch nehmlich abwärts lencken,
Wenn Nebenbuhler prächtig gehn;
Will Lenchen einen Blick verschencken,
So sollt ihr mir zu Diensten stehn.
Verschliest euch Fremden, die ihr dienen,
Und öfnet euch vor meinen Mienen.
Bekommt sie ein Versuchungsschreiben,
In dem viel süße Worte sind,
So last den hellen Vorwiz bleiben
Und stellt euch wie mein Amor blind;
Hingegen, will sie meines lesen,
So thut, als wäret ihr genesen.
Und darum mach ich euch die Freude
Und darum küß ich euch so scharf,
Jezt dies, jezt das, jezt alle beide,
Damit nicht eines zürnen darf
Und, wenn ich mit dem rechten spiele,
Das linck' aus Rach aufs andre schiele.
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