Theodor Körner
(1791-1813)
Das
gestörte Glück
Ich hab'
ein heißes junges Blut,
Wie ihr wohl alle wißt,
Ich bin dem Küssen gar zu gut,
Und hab' noch nie geküßt;
Denn ist mir auch mein Liebchen hold,
's war doch, als wenn's nicht werden sollt':
Trotz aller Müh' und aller List
Hab' ich doch niemals noch geküßt.
Des
Nachbars Röschen ist mir gut;
Sie ging zur Wiese früh,
Ich lief ihr nach und faßte Mut
Und schlang den Arm um sie:
Da stach ich an dem Miederband
Mir eine Nadel in die Hand;
Das Blut lief stark, ich sprang nach Haus,
Und mit dem Küssen war es aus.
Jüngst
ging ich so zum Zeitvertreib
Und traf sie dort am Fluß;
Ich schlang den Arm um ihren Leib
Und bat um einen Kuß.
Sie spitzte schon den Rosenmund,
Da kam der alte Kettenhund
Und biß mich wütend in das Bein.
Da ließ ich wohl das Küssen sein.
Drauf
saß ich einst vor ihrer Tür
In stiller Freud' und Lust;
Sie gab ihr liebes Händchen mir,
Ich zog sie an die Brust.
Da sprang der Vater hinterm Tor,
Wo er uns längst belauscht', hervor;
Und wie gewöhnlich war der Schluß:
Ich kam auch um den dritten Kuß.
Erst
gestern traf ich sie am Haus;
Sie rief mich leis herein:
"Mein Fenster geht in'n Hof hinaus,
Heut abend wart' ich dein."
Da kam ich denn im Liebeswahn
Und legte meine Leiter an;
Doch unter mir brach sie entzwei,
Und mit dem Küssen war's vorbei.
Und
allemal geht mir's nun so;
O, daß ich's leiden muß!
Mein Lebtag werd' ich nimmer froh,
Krieg' ich nicht bald 'nen Kuß.
Das Glück sieht mich so finster an -
Was hab' ich armer Wicht getan?
Drum, wer es hört, erbarme sich
Und sei so gut und küsse mich!
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