Das Liebes-Poetische Manuskript N° 3

Kuß-Gedichte

Gustav Klimt Der Kuss



Heinrich Mühlpfort
(1639-1681)

Er bittet um einen Kuß.

Nur einen Kuß / so hab ich schon /
Von dir mein Schatz! der Liebe Lohn /
Und bin gar wohl damit zufrieden /
Was deine Gunst mir itzt verspricht /
Drauf bleibt mein schwaches Herz beschieden /
Dein Mund betreugt mein Hoffen nicht /
Wann ich jetzt von dir bitten muß /
Nur einen Kuß /

Nur einen Kuß / so ist mir wohl /
Und wann ich den erlangen soll /
So ehr ich deine Lieblichkeiten /
Des holden Angesichtes Zier /
Erweckt durch sanfftes Seelenstreiten /
In mir die stete Liebs-Begier /
Wann mir vergönt dein Uberfluß /
Nur einen Kuß.

Nur einen Kuß / O schönstes Kind /
Denn deine Flamm hat mich entzündt /
Und meine Freyheit angebunden /
So einen angenehmen Brand /
Hab ich von deinem Strahl empfunden /
Daß ich begehr ein Liebes-Pfand /
Ein Pfand von deinem Lippenguß /
Nur einen Kuß.

Nur einen Kuß / der meine Brunst
Versichert deiner milden Gunst /
Und der die Seele recht vermenget /
Es werde meine heisse Glut /
Von diesem kühlem Thau besprenget /
Dann deiner Wangen Milch und Blut /
Gibt zu den treuem Liebes-Schluß /
Nur einen Kuß.

Nur einen Kuß / denn bin ich froh /
Weil mir mein Liebgen günstig so /
Und nicht das Flehen abgeschlagen /
Es solle nicht der blasse Tod
Die Lebens-Geister von mir jagen /
Es hemmt mich weder Angst und Noth /
Daß ich nicht von dir bitten muß /
Nur einen Kuß.

 

Gedicht aus: Heinrich Mühlpfort: Teutsche Gedichte Poetischer Gedichte Anderer Theil.
Neudruck der Ausgabe Breslau und Frankfurt am Main 1686/87.
Herausgegeben und eingeleitet von Heinz Entner. Keip Verlag Frankfurt am Main 1991
(Texte der Frühen Neuzeit. Neudrucke nach Beständen
und in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Wroclaw / Breslau)

 

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