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Johann
Georg Scheffner
(1736-1820)
Die Sehnsucht
O Röschen, Röschen, welch ein Glück
Von Dir geliebt zu sein!
Wem flößt ein himmlisch Meisterstück
Nicht tausend Wünsche ein?
Wenn sanft der schwarze Atlas wallt,
Dein blaues Auge lacht,
Wer bleibt bei solchem Anblick kalt
Und fühlt nicht Amors Macht?
Ein Kuß auf Röschens Marmorarm,
Ihr Handdruck, noch so schwach,
Macht selbst den Winter sommerwarm
Und alle Geister wach.
Wie Schnee zerschmilzt, wenn ihn der Strahl
Der Frühlingssonn' erreicht,
Wie froh das Herz beim Freundschaftsmahl
Ins offne Antlitz steigt:
So sanft freut sich, so schmilzt das Herz
Wenn es den Himmel sieht,
Der da ist, wo der feinste Scherz
Auf Rosenwangen glüht.
Heil dem, den Röschens Seele liebt,
Dem sie, entzückt geküßt,
Den Kuß freiwillig wiedergibt,
Der, auch geraubt, schön ist.
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