Das Liebes-Poetische Manuskript N°
31
Alles
verjüngt sich im Lenz...
Altjapanische Frühlingslieder aus der Sammlung Kokinwakashu
(c) Grace Winter / Pixelio.de |
Noch ist das Jahr nicht dahin, und schon ist der Frühling erschienen, Sollen das nämliche Jahr nennen wir alt oder neu? Ariwara no Motokata
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(c) Manfred Reyelt / Pixelio.de |
Netzend den Ärmel mir nahm mit der Hand ich Wasser; zu Eise Ist es erstarret, nun schmilzt's heute vom laulichen Wind. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Foto-xxl / Pixelio.de |
Frühlingsdunst, wo stiegst du empor? Auf Yoshinos Bergen Fällt unaufhörlich noch Schnee. Ach, wie so fern ist der Lenz! Unbekannter Dichter
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(c) Trolljenta / Pixelio.de |
Siehe, der Lenz ist erschienen, weil Schnee noch die Erde verhüllet, Taut in der uguisu Aug' nun das gefrorene Nass? Takao Kaiserin des Palastes von Nijo (gest. 910) uguisu: japanische Nachtigall
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(c) Marcus Klaus / Pixelio.de |
Lieblich singet die uguis(u) schon auf den Zweigen der Pflaume, Doch in den Frühling hinein fällt unaufhörlich noch Schnee. Unbekannter Dichter |
(c) Ginover / Pixelio.de |
Da der Frühling gekommen, ertönen die Lieder der uguis(u) Auf den Zweigen voll Schnees; hält sie für Blumen ihn wohl? Priester Sosei (2. Hälfte des 9. Jh.s) |
(c) JPW. Peters / Pixelio.de |
Nur der Blumen des Lenzes gedenket mein sehnendes Herze; Blütenschmuck scheint mir der Schnee, Welcher die Zweige noch deckt. Unbekannter Dichter
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(c) Gabriele Planthaber / Pixelio.de |
Frühlingsdunst erhebt sich, es knospen die Bäume, doch schneit es Immer noch fort, er verwehn Blüten, wo Blüten nicht sind. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Frieda 2502 / Pixelio.de |
Kam zu früh uns der Lenz? verspäten sich heuer die Blüten? Wissen könnt' ichs, doch ach! auch noch die uguis(u) ist stumm. Fujiwara no Kotonao
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(c) Maren Beßler / Pixelio.de |
Mögen die andern auch sagen, der Lenz sei heuer erschienen. Wenn noch die uguis(u) nicht singt, glaub' ich noch nicht an den Lenz. Mibu no Tadamine (gest. 965)
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(c) Eva Kaliwoda / Pixelio.de |
Wogen brechen hervor vom Eis, so der Thalwind zerschmelzet, Blumen gleich, die zuerst sendet vor andern der Lenz. Masazumi aus dem Geschlechte Minamoto
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(c) Udo Baumgärtner / Pixelio.de |
Senden will ich den Wind mit Blumendüften hinüber, Dass sie, weisend den Weg, führen die uguis(u) daher. Ki no Tomonori (gest. 905)
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(c) Peter Röhl / Pixelio.de |
Tönte der uguis(u) Gesang nicht aus dem Thale herüber, Wer wohl würde gewahr, dass schon erschienen der Lenz? Chisato aus dem Geschlechte Oye (Ende des 9. Jh.s)
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(c) Ruth Rudolph / Pixelio.de |
Frühling ward's, doch die uguis(u) singt wehmütige Lieder Ferne im Dorf des Gebirgs, welches des Duftes entbehrt. Munehari aus dem Geschlechte Ariwara
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(c) Schmetterling01 / Pixelio.de |
Unfern wohn' ich vom Feld, auf welchem der uguis(u) Gesang tönt; Steiget die Sonne empor, hör' ich schon lieblichen Ton. Unbekannter Dichter
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(c) Selbst / Pixelio.de |
Tief im Gebirge bedeckt der Schnee noch die Zweige der Kiefern, Doch bei der Hauptstadt bereits pflücket man jugendlich Grün. Unbekannter Dichter
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(c) Sarah C. / Pixelio.de |
Aller Orten ist heut der Frühlingsregen gefallen; Pflücken wirst du das Grün, fällt es auch morgen so fort. Unbekannter Dichter
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(c) Ruth Rudolph / Pixelio.de |
Deinetwegen ging ich aufs Feld und sammelte Sprossen, Aber noch rieselte Schnee mir auf die Ärmel herab. Kaiser der Periode Ninna (um 885-889)
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(c) M. Großmann / Pixelio.de |
Dünn sind die Fäden, die quer durch Lenzes dunstig Gewand ziehn, Leicht zerreist sie der Wind, so vom Gebirge erbraust. Yukihira aus dem Geschlechte Ariwara (um 834-897)
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(c) Birgit H. / Pixelio.de |
Unverändert und stät verbleibet die Farbe der Kiefer, Aber erscheinet der Lenz, färbt sich noch schöner ihr Grün. Muneyuki Ason aus dem Geschlechte Minamoto (gest. 940)
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(c) Jürgen Reitböck / Pixelio.de |
Strömet des Lenzes Regen zu öfteren Malen hernieder Färbet sich auf dem Gefild frischer und frischer das Grün. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Hagir 25 / Pixelio.de |
Drehet wie Fäden im Lenz die grüne Weide die Zweige, Siehe, an jeglichem Ort öffnen die Blumen die Naht. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Ruth Rudolph / Pixelio.de |
Prächtige Weide des Lenzes! auf hellgrün leuchtende Fäden Reihest blinkenden Taus Tropfen als Perlen du auf. Bischof Henjo (starb um 888-897)
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(c) JPW. Peters / Pixelio.de |
Alles verjüngt sich im Lenz, wenn tausendfacher Gesang tönt; Doch ich werde allein älter mit jeglichem Jahr. Unbekannter Dichter
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(c) Raggerdrobin / Pixelio.de |
Lenz ist erschienen; es ziehet die Gans am weissen Gewölk heim, Kunde sollt' ich durch sie senden dem Freunde so fern. Ochi Kochi no Mitsune
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(c) Gabi Schoenemann / Pixelio.de |
Heimwärts ziehet die Gans, ob Lenzes Dunst auch erhebt sich; Ach! auf der Heimat Gefild blühen die Blumen wohl nicht. Ise Hofdame der Gemahlin des Kaisers Uda (9. Jh.)
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(c) Zaubervogel / Pixelio.de |
Lieblich duften die Ärmel, da Blüten der Pflaume ich pflückte; Wähnend, dass Blumen hier blühn, singet die uguis(u) bei mir. Unbekannter Dichter
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(c) Thomas Max Müller / Pixelio.de |
Mehr noch lieb' ich den Duft als Farbenpracht meiner Pflaume, Wer verlieh ihr den Duft, streifend die Ärmel am Zweig. Unbekannter Dichter
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(c) Thomas Max Müller / Pixelio.de |
Nicht mehr pflanz' ich den Baum der Pflaume nahe dem Hause Duftet sie, denk ich, es ist Duft des erwarteten Freunds. Unbekannter Dichter
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(c) Sarah C. / Pixelio.de |
Seit ich kürzere Zeit nur unter der Pflaume gestanden Fragen die Leute erstaunt, wie so voll Duft das Gewand. Unbekannter Dichter
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(c) Echino / Pixelio.de |
Blüte der Pflaume, du heisst der uguis(u) bergendes Hütchen Dass du mein Alter verbirgst, will ich dich stecken ins Haar. Sadaijin Sohn des Kaisers Saga (um 810-823)
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(c) RediSu / Pixelio.de |
Pflaumenblüte, bisher bewundert ich nur aus der Fern' dich Seit ich dich pflückte, gefällt Farbe und Duft mir noch mehr. Priester Sosei (2. Hälfte des 9. Jh.s)
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(c) M. Großmann / Pixelio.de |
Wem wohl möchte ich zeigen die Blüte der Pflaume? Nur du bists! Denn wer Farbe und Duft kennet, der schätzt sie zumeist. Ki no Tomonori (gest. 905)
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(c) Hermann B. / Pixelio.de |
Gehst du in dunkeler Nacht auch über den Kurabuyama Sagt es der Duft dir allein, dass hier die Pflaume erblüht. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Hermann B. / Pixelio.de |
Schwer erkennst du im Glanze des Monds die Blüte der Pflaume, Aber du findest sie gleich, gehst du dem Dufte nur nach. Ochi Kochi no Mitsune
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(c) Kurt F. Domnik / Pixelio.de |
Unverständlich fürwahr erscheint mir das Dunkel der Lenznacht; Hüllt es die Farbe auch ein, ist doch der Duft nicht versteckt. Ochi Kochi no Mitsune
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(c) Momo 111 / Pixelio.de |
Ach! in jeglichem Lenz versucht' ich die Blüten zu pflücken Die mir erschienen im Strom, netzend die Ärmel des Kleids; Immer doch wurd' ich getäuscht und niemals konnt' ich sie brechen, Aber auch heuer noch will netzen die Ärmel ich mir. Ise Hofdame der Gemahlin des Kaisers Uda (9. Jh.)
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(c) Schmetterling01 / Pixelio.de |
Wie vom Staube das Glas, so wird das Wasser getrübet Spiegelnd der Blüten Gestalt, fallen die Blüten hinein. Ise Hofdame der Gemahlin des Kaisers Uda (9. Jh.)
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(c) Steffi Pelz / Pixelio.de |
Nimmer wandt' ich das Aug' die Blüten der Pflaume bewundernd Abends und morgens, und doch sind sie so plötzlich verblüht. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Echino / Pixelio.de |
Wäre der Duft der Pflaume an meinem Ärmel verblieben, Wär's ein Vermächtnis vom Lenz, wenn er auch selbst schon dahin. Unbekannter Dichter
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(c) Zaubervogel / Pixelio.de |
Ach, es bestimmt das Geschick, dass welken die Blüten der Pflaume! Bleibet am Ärmel ihr Duft, nimmer vergess' ich sie wohl. Priester Sosei (2. Hälfte des 9. Jh.s)
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(c) Maren Beßler / Pixelio.de |
Fällst du, Blüte der Pflaume, auch ab, so lass mir den Duft doch! Trag' ich Verlangen nach dir, wird er mich mahnen an dich. Unbekannter Dichter
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(c) Thomas Max Müller / Pixelio.de |
Blüte der Kirsche, du kennst erst heuer des Lenzes Bedeutung Blühend wie andre, nur mach' ihnen das Welken nicht nach! Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Peter Röhl / Pixelio.de |
Da das Gebirge zu hoch, kommt keiner die Blüten zu loben; Traure, o Kirsche, nicht so! Ich ja bewundere dich stets. Unbekannter Dichter
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(c) Marcus Klaus / Pixelio.de |
Garstiger Schleier des Lenzes, du hülltest mir Gipfel und Fuss ein, Als ich zu schauen gedacht' Blüten der Kirschen des Bergs. Unbekannter Dichter
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(c) Eva Kaliwoda / Pixelio.de |
Sagte den andern ich nur, wie prächtige Blüten ich schaute, Nutzen hätte es nicht, bräch' ich sie nicht zum Geschenk. Priester Sosei (2. Hälfte des 9. Jh.s)
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(c) Selbst / Pixelio.de |
Seh ich vom Berge herab die wechselnden Weiden und Kirschen, Scheint mir der Hauptstadt Gefild Seidengewebe des Lenz. Priester Sosei (2. Hälfte des 9. Jh.s)
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(c) Hermann B. / Pixelio.de |
Farbe und Duft der Kirschen ist gleich in jeglichem Jahre; Immer wird anders der Mensch, so ihm die Jahre vergehn. Ki no Tomonori (gest. 905)
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(c) Thomas Max Müller / Pixelio.de |
Wer wohl suchte und brach des Berges herrliche Blüte? Steigender Frühlingsdunst hüllte verbergend sie ein. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Steffi Pelz / Pixelio.de |
Siehe, es scheinen zu blühn die Kirschen; denn zwischen den Bergen Leuchtet weisses Gewölk lieblicher Blüten hervor. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) M. Großmann / Pixelio.de |
Wenn ich auf Yoshinos Berg die Blüten der Kirschen erblicke, Täuscht mich ein lieblicher Trug, denn sie erscheinen wie Schnee. Ki no Tomonori (gest. 905)
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(c) Hermann B. / Pixelio.de |
Selbst nicht heuer einmal, wo mehr der Monde der Lenz zählt, Bleibest du länger am Zweig, stillend die Sehnsucht nach dir. Ise Hofdame der Gemahlin des Kaisers Uda (9. Jh.)
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(c) Gabi Schoenemann / Pixelio.de |
Herzlos nennt man die Blüten, doch zeigen sie tiefes Gefühl mir, Denn sie harreten dein, der du so selten nur kommst. Unbekannter Dichter
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(c) Ruth Rudolph / Pixelio.de |
Sind erst die Blüten dahin, die Sehnsucht bringt sie nicht wieder, Willst du sie brechen, so brich heute, sonst ist es zu spät. Unbekannter Dichter
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(c) Kurt F. Domnik / Pixelio.de |
Ach, nur die Blumen zu schaun bei meinem Hause erblühet, Kommt er, doch wenn sie dahin, werd' ich mich sehnen nach ihm. Ochi Kochi no Mitsune
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(c) Echino / Pixelio.de |
Kirsche im fernen Gebirg, wo keiner dein Blühen bewundert, Blühen solltest du erst, wenn schon die andern verweht! Ise Hofdame der Gemahlin des Kaisers Uda (9. Jh.)
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(c) Sarah C. / Pixelio.de |
Sprächest zur Blüte du: bleib und falle noch nicht von dem Baume! Gäb es wohl schöneres je, thäte sie, was du erflehst? Unbekannter Dichter
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(c) Udo Baumgärtner / Pixelio.de |
Ach, wie gleichet doch sehr dem irdischen Leben die Blüte, Während ich blühen sie sah, war sie schon wieder dahin. Unbekannter Dichter
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(c) Birgit H. / Pixelio.de |
Nicht so flüchtig fürwahr erscheint mir die Blüte der Kirsche, Schneller sich ändert das Herz, eh' noch ein Wind sich erhebt. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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(c) Peter Röhl / Pixelio.de |
Fielen die Blüten nicht ab, wann würde mein Herz sich trennen? Tausend der Jahre vermöcht' stehn ich auf diesem Gefild. Priester Sosei (2. Hälfte des 9. Jh.s)
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(c) JPW. Peters / Pixelio.de |
Tausende blühen der Blumen im Lenz und welken bald wieder, Aber wer grollte dem Lenz, der sie uns sandte, darob! Okikaze aus dem Geschlechte Fujiwara
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(c) Ruth Rudolph / Pixelio.de |
Blieben die Blüten am Baum erhörend die flehenden Klagen, Klagen wollt' ich noch mehr, als es die uguis(u) vermag. Hofdame Amaneiko no ason
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(c) Ginover / Pixelio.de |
Ach, wie die Farbe der Blüten verblich! denn während mein Herze War um den Gatten besorgt, bleichte sie längerer Guss. Dichterin Ono no Komachi (Mitte des 9. Jh.s)
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(c) Thomas Max Müller / Pixelio.de |
Leg' ich zur Frühlingszeit auf Bergeshöhe mich nieder, Seh ich im Traume sogar fallende Blüten allein. Ki no Tsurayuki (gest. 946)
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Alle Gedichte übersetzt von Rudolf Lange (1850-1933)
Aus: Altjapanische Frühlingslieder aus der Sammlung Kokinwakashu
übersetzt und erläutert von Dr. R. Lange
Berlin 1884
zu der Sammlung Kokinwakashu siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kokin-wakashuAlle Bilder von www.pixelio.de