Franz Marc - Mädchen mit Katze (Ausschnitt) |
(Aus Kap. 3)
Erste Zusammenkunft mit
Leila
(...)
Bald war er, zu Leila's Wohnung gekommen,
Freundlich von Dienern aufgenommen.
Auf den Ehrenplatz nach Gebühr
Führten sie ihn durch des Zeltes Thür.
Aber vergebens war sein Späh'n,
Zu gewahren die heiß Ersehnte;
Und schon, da er betrogen sich wähnte,
Wollt' er getäuscht von dannen geh'n.
Doch plötzlich schwanden die trüben Gedanken;
Denn einer Jungfrau, einer schlanken,
Ward er gewahr: hold, anmutreich
War sie, dem Rebhuhn der Berge gleich.
Schüchtern schien sie und fast voll Bangen;
Und wie sie eintrat, an ihren Wangen
Hing ihm der Blick, die wie Rosenblüten,
Erst eben der Knospe entstieg'ne, glühten.
Die Brauen, die ihre Augen umzogen,
Glichen aus Ambra gebildeten Bogen.
Durchwallt ward im Gezelte die Luft
Von ihrer Lippen würzigem Duft.
Schönlockig war sie und schöngeaugt,
Das Lächeln, das ihren Mund umgaukelt,
Glich der Biene, die, sanft geschaukelt,
Den Blüten ihren Honig entsaugt.
So weiß nicht wie ihre Zähne waren
Die Perlen des Meer's, die krystall'nen, klaren.
Der Rose glich ihr Angesicht,
D'rauf Thau noch zittert im Morgenlicht.
Keis, seitdem er Leila erblickt,
War ganz von ihren Reizen umstrickt.
Und die zwei Glücklichen entfachten,
Indeß sie Stunden beisammen verbrachten,
Die Glut des Feuers, die immer sich mehrte,
Bis es die Liebenden endlich verzehrte.
Sie ließ ihre Locken niederwallen
Und in Verlangen entbrannte Keis;
Den Schleier, ihn lüftend, ließ halb sie fallen,
Und Jener erglühte von Sehnsucht heiß.
Von nun an blieben in Wonne wie Leiden
So enge verbunden die Herzen der Beiden,
Wie es die Blätter der Rose sind,
Eh' sie sich öffnet dem Morgenwind.
Als sie mit gesättigten Blicken
Einander betrachteten voll Entzücken,
Bahnten zu trautem Liebesgespräch
Sich ihre zitternden Lippen den Weg.
Ihrer Liebe nur denkend, nicht mehr
Achteten sie der Welt umher.
Doch, obgleich sie so hochbeglückt,
Trübt' ihnen Eines den Vollgenuß:
Daß nah und näher die Nacht schon rückt,
Wo Eines vom Andern scheiden muß.
Wie konnten - sie dachten's mit bangem Beben -
Sie, von einander getrennt, nur leben?
"Sonne, du Tageskönigin,
Die du mit deinem Szepter von Feuer
Die Schatten der Nacht, die Ungeheuer,
Verscheuchst - o möchtest du fürderhin
Nimmer dein Angesicht verhüllen
Und ewig mit Glanz die Nacht uns erfüllen!"
So riefen sie aus. Indessen rollte,
Als es im Westen sinken wollte,
Das Tagesgestirn den Schleier zusammen,
Den es am Morgen am Himmelszelt
Ausgebreitet, so daß in Flammen
Zu leuchten schien und zu lodern die Welt.
In seelenzernagende Trauer versanken
Die Beiden bei dem Trennungsgedanken.
Heim ritt langsam auf seinem Kameele
Der Jüngling mit tiefbetrübter Seele;
Und seufzend um das verloren Glück
Blieb Leila in ihrem Zelte zurück.
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Franz Marc - Grünes und weißes Pferd |
(Aus Kap. 5)
Begegnung an Leila's Zelt
(...)
Leise mit bangem Herzenspochen
Hatte Keis die Worte gesprochen.
Aber in ihrem Zelte hörte
Dennoch sie Leila, die gramverstörte.
Gerührt von des Liebenden Klagen bezwang
Sie nicht länger der Seele Drang.
Den Vorhang erhob sie, und ihre Wangen
Leuchteten in der Jugend Flor
Anemonen gleich, wenn hervor
Aus der Knospe sie brechen mit Prangen.
Frisch wie die Morgenröte lachte
Sie den Freund, den betrübten, an
Und sprach: "Wie tief es in dir auch nachte,
Wirf, Einziger, von dir ab den Bann!
Nicht bloß in deinem Busen, o glaube,
Nistet die klagende Turteltaube.
Schwerer als deine noch, nicht zu heilen,
Freund, sind die Schmerzen, welche ich trage:
Weh', und ich kann nicht zu dir eilen,
Daß ich dir meine Trübsal klage!
Dein Geheimniß zu offenbaren
Ist dir verstattet - aber ach!
Meines muß tief ich im Herzen bewahren.
Denn verrieth' ich's, träfe mich Schmach."
Ganz gab Keis mit berauschtem Sinn
Bei Leila's Worten der Liebe sich hin,
Auf das Knie, seine Kleider zerreißend,
Sie den Stern seiner Augen heißend,
Sank er nieder, in glühenden Bildern
Die Qual der verflossenen Nacht ihr zu schildern.
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Franz Marc - Die Tränke am Rubinenberge |
(Aus Kap. 7)
Der Eidschwur
Leila, die liebliche Gazelle,
Die durch des Auges leuchtende Helle
Vermochte, den wildesten Löwen zu zähmen,
Beschloß, wenn sie wieder zusammenkämen,
Sich durch Zeit und durch Ewigkeit
Mit Keis zu verbinden durch einen Eid.
Bald, sie zu grüßen, in's Zelt trat er;
Und sie begann: "O du, meiner Güter
Höchstes, mein Meister bist du und Herr.
Und du, erhabener Weltbehüter,
Auf dessen Gebot die himmlischen Heere
Droben kreisen, Sphäre an Sphäre,
Der du, Schöpfer der ganzen Natur,
Des Himmels Wölbung droben geründet,
Und im schimmernden tiefen Azur
Die Fackel des Monds und die Sterne gezündet:
Dich und den Strom des Lichts, der in Klarheit
Bis in der Geheimnisse Abgrund rinnt,
Ruf' ich zum Zeugen an, daß Wahrheit
Die Eide, die ich hier schwöre, sind!
So lange meine Augen auf Erden
Am Lichte des Himmels sich laben werden,
Soll meine Seele, hör' es mich schwören,
Einzig dem theuren Keis gehören!"
Seit Leila diesen Eidschwur gethan,
Liebe war sie, ganz Liebe nur
Für ihren Holden, ihn einzig sah'n
Ihre Blicke in der Natur.
Solches glühende Herzensbekenntniß
Trank mit Entzücken des Jünglings Ohr;
Höher als Leila's Liebesgeständniß
Flammte die Glut in ihm empor.
Von der Wonne ward der Beglückte
Berauscht, daß Vernunft und Besinnung ihm schwand,
Und hinfort Medschnun, der Verrückte,
Ward er von den Männern und Frauen genannt.
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Franz Marc - Zwei blaue Fohlen |
(Aus Kap. 9)
Keis's Vater versucht seinen Sohn zu überreden, auf Leila
zu verzichten.
Keis (Medschnun) antwortet:
Zur Antwort gab ihm Keis: "O Vater,
Die Worte, die als ernster Rater
Du zu mir sprachst, behüt' ich treu:
An meine Seele sollen die Klänge
Geheftet sein wie gold'ne Gehänge;
Dir zu mißfallen trag' ich Scheu.
Doch siegreich vermag ich zu erwidern:
Die Blässe, die auf den Wangen mir liegt,
Die Mattigkeit in meinen Gliedern
Verkündet, wie ganz mich die Liebe besiegt.
Das Köstlichste, was wir besitzen im Leben,
Hat uns in ihr der Himmel gegeben.
Sie ist die Quelle, draus Alles fließt,
Was uns're Seele der Wonne erschließt.
Nur einem Mädchen vom gleichen Stande
Dürft' ich mich einen im Ehebande,
Sagst du? Doch fragt denn des Herzens Drang,
Ob niedrig, ob hoch ein Wesen an Rang?
Nein, Alle, glaub' mir, die ihre Flamme
Durchlodert, sind nur von Einem Stamme!
Und du begehrst: ich soll die Versprechen,
Die ich Leila geleistet, brechen?
Mich von ihr trennen, ja, sie vergessen? - -
Nein! ein Opfer, so unermessen,
Bring ich nicht! Den Tod eher tragen
Will ich, als meiner Liebe entsagen.
Neben der Rose, die ich erwählt,
Was sind mir alle andern Frauen?
Ihrer keine begehr' ich zu schauen,
Da Liebe für Leila mich einzig beseelt.
Sie lebt nur für mich, wie ich nur für sie,
Und trennen werden wir Zwei uns nie.
Du sagst, daß Haß und Zwietracht die beiden
Stämme, die sich befehden, trennt;
Doch sollte nun uns auch Haß drum scheiden,
In deren Herzen die Liebe brennt?
Mögen mich hassen ihre Verwandten:
Ich denke an meine Leila nur;
Eh' sie mir rauben die Wutentbrannten,
Zum Schwerte greif' ich - hör' meinen Schwur!"
Sein Vater, da er erkannte die Kraft
Der in ihm tobenden Leidenschaft,
Flehte zu Gott mit bangem Gemüte:
"Herr, meines Sohnes Leben behüte!"
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Franz Marc - Getötetes Reh |
(Aus Kap. 11)
Keis wird bei Leila verleumdet, der Untreue angeklagt,
und von ihr nicht mehr empfangen.
Voller Verzweiflung spricht er vor ihrem Zelt:
Indeß er dem Schicksal bitter grollte,
Fort schritt er, den Tod im Herzen tragend.
Und seine gepreßte Brust brach klagend
In diese Seufzer aus: "O ich Armer!
Hat denn nicht Mitleid mit mir der Erbarmer?
Zwischen Hoffen und Bangen beständig
Schwebend bin ich mehr todt als lebendig.
Wie sich doch Alles zum Unheil mir wandelt!
Stets als Verbrecher werd' ich behandelt;
Wiewohl ich mich nicht mit Frevel belade,
Immer doch muß ich flehen um Gnade.
Die Liebe, die Liebe - sonst nichts verschuldet
Hab' ich: und solche Strafe nun duldet
Ein armer Verliebter? Gott mag verhüten,
Daß, weil meine Feinde mit blindem Hasse
So gegen mich Unseligen wüten,
Ich meine Freunde feig verlasse!
Nein, meiner Liebe ganze Fülle
Wird, Leila, meine kalte Hülle
Überdauern. Wenn wir uns zum Leben
Neu aus dem Schlaf der Vernichtung erheben
Und die Erlösten von Zeit und Tod
Umleuchtet ein ewiges Morgenrot,
Wird meine Seele, von Liebe durchglüht,
Dir sich, Theure, entgegenschwingen,
Werden wir uns auf ewig umschlingen,
Dort, wo himmlisches Glück uns blüht."
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Franz Marc - Paradies |
(Aus Kap. 12)
Die Wallfahrt
Keis schöpft wieder
Hoffnung, daß Leila ihn freundlich empfangen wird.
Er schwört sich, wenn dies geschähe, will er
eine Wallfahrt nach Mekka unternehmen.
Leila empfing den Wiedergekehrten
Mit zärtlichem Gruße; Beide erklärten
Einander in feurigen Worten ihr Lieben,
Und wie sie wandellos treu sich geblieben.
Kein Geheimniß blieb unenthüllt,
Keine Knospe, die reich gefüllt
Als Rosenkelch sich erschlossen nicht hätte.
Einander liebkosend um die Wette
Verlebten sie so glückselige Stunden.
Aber als Keis ihr kund nun gab,
Wozu er durch einen Schwur sich verbunden,
Ward finster Leila's Herz wie ein Grab,
Verworren vor Schmerz wie des Haares Flechten,
Die sie umwallten gleich bunten Nächten.
Während ein Thränenstrom ihr entquoll,
Dachte sie, zitternd, schreckensvoll
Der Entfernung, der ungeheuren,
Die trennen sie sollte von dem Theuren.
(...)
Von der anderen Pilger Munde
Floß stets Gebet, wenn sie in der Runde
Die Kaba umschritten. Doch ihm entfuhr
Immer der Name Leila's nur.
Indes seine strömenden Zähren in vollem
Erguß auf den Teppich des Tempels rollen,
Schickt er zu Muhammed solch' Gebet:
"O du von Gott geliebter Prophet,
Erhab'ner, vor dem der Hochmutstolz
Der Araber und der Perser zerschmolz,
Du, dessen Odem sanft und mild
Noch diese heiligen Stätten umquillt,
Laß dir das unschuldsvolle Lallen
Eines reinen Herzens gefallen!
Lege mir auf der Opfer schwerstes,
Und mir als der Gebote erstes,
Glaub, soll gelten seine Vollbringung.
Keine Entsagung, keine Bezwingung
And'rer Triebe sei mir zu schwer:
Nur Leila entsag' ich nimmermehr,
Ihr, die dem in Nacht Erstarrten
Sanftes Licht in die Seele gießt,
Der einz'gen Blume, welche im Garten
Der Hoffnung mir entgegensprießt.
Wollte der ganze Stamm der Meinen
Sich zu dem Einen Ziel auch vereinen,
Mich von der Theuren abzuwenden:
Nie würd' ich mich so durch Treubruch schänden."
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Franz Marc - Blaues Lamm (Ausschnitt) |
(Aus Kap. 13)
Leila erhält den Befehl, Medschnun's Umgang zu meiden
Bei dieser Trauerkunde vergaß
Medschnun sich völlig und ermaß
Einzig, wie Leila so unglückselig
Durch ihn geworden, nachdem ihn schmählich
Verraten seine hämischen Neider.
Indem er starrend in's Leere blickte
Und Schluchzen ihm fast die Stimme erstickte,
Sprach er in schwerer Seelenspannung:
"Dulde schweigend, o Keis, die Verbannung,
Die das Wesen dir auferlegt,
Für welches das Herz hochklopfend dir schlägt.
Wendet von dir sie ihr Angesicht,
So ist, daß du willig dich fügst, dir Pflicht.
Gehorsam schuldest du ihr, wie zur Zeit,
Da sie die Brust dir zur Freistatt geweiht
Selbst wenn er verfolgt ist, der Hoffnung beraubt,
Ist dem Liebenden nicht erlaubt,
Sich den Geboten, die über ihn
Die Geliebte verhängt, zu entzieh'n."
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Franz Marc - Mädchen mit Katze |
(aus Kap. 20)
Keis in der Wüste
Der Sandeswirbel
(...)
Wie so er um sich blickte als Späher,
Kam etwas Schwarzes ihm nah und näher.
Aber zu bald nur ward ihm klar,
Daß es ein Sandeswirbel war,
Den ein heftiger Wind vor ihm
Herjagte mit wildem Ungestüm.
"O riesenhaftes Wüstenkind,"
Sprach er, "schreckliches Ungestüm,
Entsetzlicher du, als Drachen sind,
Dessen gewundener Leib geringelt
Der höchsten Palmen Wipfel umzingelt,
Und auf den Boden zerschellt, zerschmettert
Dessen Schritte mit allen Halmen
Und Gräsern die grünenden Felder zermalmen -
Wenn mein Auge dich erschaut,
Der aus dem Staube du bist erbaut,
Welcher berührt ward von meiner süßen,
Lieblichen Leila zarten Füßen:
O dann nicht mehr erschreckst du mich, glaub' es;
Komm, wenige Körner nur deines Staubes
Auf meine feuchten Augen zu streuen,
Daß sie sich d'ran erlaben, erfreuen!
Verkündige mir: hat mitleidsvoll
Ein Geist der Wüste dich hergeschickt,
Damit, von deinem Hauch erquickt
Und neugeboren ich werden soll?
Welche Botschaft bringst du mir, sage,
Von der himmlischen Einzigen, Einen,
Derenthalb mir die Lebenstage
Nur wert gelebt zu werden scheinen?
Du siehst, wie getrennt von ihr vor Kummer
Ich nicht Ruhe finde, noch Schlummer.
Keinen Augenblick meinen Gedanken
Ist sie ferne, des Seelenkranken.
Und darf ich hoffen, bisweilen noch
Werde an mich, den vom Leidensjoch
Gebeugten, Erinn'rung in ihr sich regen,
Und das Herz ihr treiben zu höhern Schlägen?
Ach! wohl fühl' ich es, bethört von leerer,
Eitler Hoffnung ist mein Sinn;
Wie kann ich meinen, daß einer hehren,
In Herrlichkeit thronenden Königin
Auf mich Armen, in Gram Versenkten
Sich jemals die Gedanken lenkten?
Was kümmert sich das Gestirn der Nacht,
Umgeben von anderer Sterne Pracht,
Um's leuchtende Würmchen, welches verirrt
Die kleine Blume der Wüste umschwirrt?
Sprich, welches Glücklichen Blicke schweifen,
Wenn am Morgen der Ostwind weht,
Über sie hin, die vom Lager ersteht
Um ihres Haares lange Streifen
Benetzt mit köstlicher Essenz,
So daß sie duftet gleich dem Lenz?
Wem erquickt, o sag' es, die Schöne
Das Ohr durch der Stimme melodische Töne?
Weh! hören, sehen können sie Alle!
Mich nur hat das Schicksal erwählt,
Daß immer tiefer in Elend ich falle,
Daß immer neues Leiden mich quält.
Könntest du wie ein Hälmchen Stroh
Dahin mich tragen in ihre Nähe,
Daß ich noch ein Mal, beglückt und froh,
Die Reizende, Wundervolle sähe!
Trag' meine Klagen ihr mindestens vor,
Und flüstere murmelnd ihr also in's Ohr:
"O du, nach welcher das Herz mir schmachtet
Und all mein Sinnen und Denken trachtet -
Du, vor dem Blicke, dem thränennassen,
Immerdar mir leuchtendes Bild,
Seit ich einsam irre, verlassen,
Und kein Trost mir den Jammer stillt,
Glaube, tief im Herzen brennt
Das Verlangen, das heiße, mir,
Gleich der Seele, vom Körper getrennt,
Mich emporzuschwingen zu dir.
Aber vergebens! Ohne Frucht
Alles, was möglich, hab' ich versucht.
Die Klugheit des Greises, des Jünglings Kraft
Haben nichts wider das Schicksal vermocht.
Matt, so daß kaum mein Herz noch pocht,
Sink' ich zu Boden, hingerafft
In den Öden, die schwanken Fußes
Ich durchirre. Wenn freundlichen Grußes
Die Morgenröte die Welt erweckt,
Spring' ich empor, verstört, erschreckt:
Nichts vermöchte mich mehr mit dem Dasein
Zu versöhnen, als nur dein Nahsein!
Von Gram zerrissen ist dir, ich weiß,
Die Seele, wie die des armen Keis,
Daß dir nicht die Nacht gegeben,
Die Bürde von mir hinwegzuheben.
Indessen der Eine Gedanke mindert
Meine Qualen, mein Schmerz wird gelindert,
Wenn ich mir sage: ob auch in Staub
Mein Leib zerfällt und, der Winde Raub,
In den Lüften verweht - ein Angedenken,
Ein treues, wirst du mir, Geliebte, schenken."
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Franz Marc - Vögel |
(Aus Kap. 22)
Zusammenkunft mit dem Hirten der Leila
und Begegnung mit Leila
(...)
"Im Namen des Himmels," rief er [Keis:] beklommen,
"Was ist geschehen? Laß auf Bericht
Von der Schönen mich warten nicht."
"Allein weilt sie in ihrem Zelte,"
Gab Antwort der Hirt.
"Als der Tag sich erhellte,
Haben die Männer des Stammes sich heut
Insgesamt in die Wüste zerstreut.
Gewaffnet sind Alle, und ich ahne,
Sie lauern auf eine Karawane,
Welche mit Schätzen befrachtet sie glauben.
Auf Plündern steht ihr Sinn und auf Rauben."
Bei diesen Worten warf sich Medschnun
Zu seinen Füßen. "Den Willen mir thun
Mußt du. Den schwarzen Mantel da leih' mir!
Zur Bekleidung behülflich sei mir
Diese Umhüllung, damit ich erreiche,
Daß zu Leila in's Zelt ich schleiche."
Der Hirt that mit Freude den Willen,
Und Keis, um seine Sehnsucht zu stillen,
Eilte unaufhaltsam getrieben
Zum Stamme seiner Einzig-Lieben.
Höher bei jedem Schritte schlug
Sein Herz, wie er vorwärts stürmte im Flug.
Der Anblick von Leila's Zelte schuf
Ihm Jubel, er grüßt' es mit Freudenruf.
Bei seiner theuren Stimme Laute
Trat Leila aus ihrem Zelt und schaute
Ihm in's Antlitz mit hohem Entzücken.
Einander feurig an's Herz zu drücken,
Von ihrer Liebe und ihren Leiden
Zu reden, wurden nicht müde die Beiden.
Der Eine erzählte, wie trostlos es sei,
Wie einsam in seiner Wüstenei;
Die And're mit schluchzender Stimme klagte,
Wie das Verlassensein an ihr nagte,
Wie die Freiheit, das beste der Güter,
Ihr raubten die unerbittlichen Hüter.
Die Sonne ließ auf der Berge Spitzen
Schon ihre letzten Strahlen blitzen,
Geschwunden war schnell wie ein Pulsesschlag
Beim Zusammensein ihnen der Tag.
Doch Leila, für Medschnun die Wiederkehr
Der grausamen Männer fürchtend, rief:
"O glaube, die Trennung schmerzt mich tief;
Doch halten darf ich dich länger nicht mehr.
Ach, daß die Nacht zum Aufbruch das Zeichen
Uns giebt! Doch müssen dem Schicksal wir weichen.
Wie sehr auch des Scheidens Wunden brennen,
Wir müssen trotz uns'rer Thränen uns trennen,
Sonst trifft uns mit blitzendem Dolch der Tod,
Der lang uns schon über den Häuptern droht."
Dann, das Herz von Jammer zerschnitten,
Floh Medschnun zur Wüste mit schwanken Schritten,
Und wie von tödtlichem Schlage getroffen
Blieb Leila im Zelte ohne Hoffen.
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Franz Marc - Rotes Reh |
(Aus Kap. 23)
Erzählung des Dichters Kotheir
über die Gazellen
Ein Sohn Arabiens, war Kotheir
Am Himmel der Dichtkunst die schönste Zier.
Wie die Sonne am Firmament
Mit welterleuchtenden Strahlen brennt;
Wie, wenn tief die Mitternacht dunkelt,
Der Stern Soheil am Himmel funkelt:
Also glänzte sein mächt'ges Talent.
Für Ghorra war er, die reizende Maid,
Welche die Huris an Lieblichkeit
Besiegte, von glühender Leidenschaft
Wie Medschnun für Leila hingerafft.
Höher erschloß sich sein Herz, wenn der Hauch
Ihres Mundes ihn lieblich umwehte.
So lockt der Ost auf dem Gartenbeete
Aus der Knospe den Blütenrauch.
Daß kein Reiz seinen Liedern fehlte
Verdankten der Liebe sie, die ihn beseelte:
Welch and'res Gefühl auch gäbe Schwung
Dem Dichter, gleich ihr, und Begeisterung?
(...)
"Unglücklicher Jüngling," sprach der Khalif,
"War unter den Opfern der Liebe, sage,
Die du gekannt hast, in gleicher Lage
Je eines wie du? Und litt es so tief?"
"Erhabener, ja!" gab der Dichter Bescheid,
"Vor kurzem, niedergedrückt von Leid,
Begab ich mich, Sehnsucht nach Ghorra hegend,
In ihres Landes glückselige Gegend.
Da, mich verirrend auf meinem Gang,
In eine Wüste, sonnenverbrannt,
Kam ich und durchpflügte tagelang
Mit meinem Fuße den brennenden Sand.
Dem Verschmachten schon war ich nah,
Als ich einen Unglücklichen sah,
Der, wie ein zum Bogen gekrümmter Ast,
Gebeugt schien unter des Elends Last.
Zu seinen Füßen lag eine Schlinge,
Um die wilden Thiere zu fangen.
Ich sprach zu ihm: 'Hilf - daß mir's gelinge -
Zu stillen nach Speise und Trank mein Verlangen.'
'Ach!' gab er zur Antwort, 'den Meinen fern,
Gefloh'n vor den Feinden, welche mir gern
Den Tod bereiteten, hab' ich nicht Trank,
Noch Speise. Wie oft schon zu Boden sank
Ich halb verschmachtet, und nur die Dünste,
Auf denen mit ihrem Strahlengespinnste
Die Sonne hinzaubert des Wassers Bild,
Haben den zehrenden Durst mir gestillt.
Nur einige Früchte ohne Saft
Genoß ich, doch gaben sie mir nicht Kraft. -
Aber setze dich hier; vielleicht,
Daß irgend ein Thier die Wildniß durchschleicht
Und in der Schlinge sich fängt. Dann haben
Wir Nahrung, um uns an ihr zu laben!'
"Ich setzte mich ihm zur Seite nieder,
Indem ich nach dem Netze blickte.
Da in seine Fäden verstrickte
Sich eine Gazelle; fein waren die Glieder
Des Thierchens. Aus seinem Auge thaute
Ein schmachtender Liebreiz, wie aufwärts es schaute.
Gleich einer Huri Locken entquoll
Duft von Moschus ihm wonnevoll.
Kaum daß der Jäger die liebliche, zarte
Gazelle, die sich gefangen, gewahrte,
So eilt' er zu ihr. Er hielt sie fest
Lange an seine Brust gepreßt.
Die Augen ihr küssend drauf anhob
Ein Lied er zu singen zu ihrem Lob.
Und als er die zierlichen Füße der Kleinen
Befreit von den Banden, sprach so er zu ihr:
'Auf deine Triften zurück zu den Deinen
Kehre nun, du liebliches Thier!
Du, dessen Auge so sanft, so mild
Meiner geliebten Leila Bild
Vor Augen mir führt - o, möchtest geborgen
Du leben vor allen Leiden und Sorgen!'
Also rief er. Da fing eine zweite
Gazelle sich in des Netzes Fäden,
Und eine dritte noch, die er befreite.
Ich aber sagte: 'Einer jeden
Schenkst du die Freiheit. Und meines herben
Schicksals nicht denkst du? Vor Hunger sterben
Muß ich. Sage mir, was es frommt,
Wenn jede Rettung, sobald sie uns kommt,
Du von dir weisest?'
'Nicht zu erfüllen,'
Sprach Jener, 'vermag ich deinen Willen.
Wenn ein and'res Thier in den Netzen
Sich finge, du dürftest an ihm dich letzen.
Doch diese reizenden Bergesrehe,
Diese Gazellen jag' ich allein,
Damit einen Augenblick in der Nähe
Meiner Leila ich glaube zu sein,
In ihren Augen den Widerschein
Von meiner Geliebten Blicken sehe.
Nachdem ich das flüchtige Glück genossen,
In ihnen zu schauen der Herrlichen Bildniß,
Send' ich zurück sie in die Wildniß,
Welcher die holden Geschöpfe entsprossen.
Glaube! des grimmen Hungers Nagen
Hab' ich so sehr, wie du, zu ertragen.
Nur von wilden Beeren mich nähr' ich,
Die Wurzeln des Bodens einzig verzehr' ich.
Aber wie könnt' ich ein Thierchen morden,
Durch das mir so süße Tröstung geworden?'
Er redete noch, als in dem Geschling
Eine vierte Gazelle sich fing.
Diese, dacht' ich, soll nicht mir entrinnen
Und hatte den Dolch schon gezückt zum Stoß.
Doch schon aus des Netzes Verstrickung los
Hatt' er sie gemacht. Er drückte, in Sinnen
Vertieft, den Mund auf die Flüchtige, Scheue,
Herzte und küßte sie auf's Neue.
Und trieb sie dann in die Freiheit von hinnen.
Weil ich von einer solchen Jagd
Nichts hoffen durfte, verließ ich vor Nacht
Noch jene Wildniß und dachte: als sicher
Gilt mir, daß Keis das sein nur kann;
Gleich diesem ist er ein jugendlicher
Schöner und schlankgebauter Mann:
Aber durch Liebe, Wahnsinn bethört -
Wie ich oftmals sagen gehört."
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