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Helmina von Chézy
(1783-1856)
Abendlieder
Da ruhst Du, friedlich Abendgold,
Auf Berg und Thal so still und hold,
Und lächelst in die wunde Brust
Der Gottesliebe Himmelslust,
Und dämmernd, duftig, zart und fern,
Erblüht dem Busen Dein ein Stern.
Was sagst Du mir, Du Abendschein,
So wonniglich, so klar und rein?
Du sagst: Schon ist die Sonne fern,
Doch grüßt von ihrem Licht ein Stern,
Der Stern der Liebe, still erblüht,
Von Einer Sonne stets durchglüht.
Die Eine Sonne, hell und warm,
Ist doch ein Bild nur, kalt und arm,
Der Sonne, die, der Sonnen Quell,
Sie alle macht warm, süß und hell,
Des Lichts, das jede Nacht besiegt,
Der Liebe, der der Tod erliegt.
O wäre doch mein Herz ein Stern,
Stets nur erfüllt vom Licht des Herrn,
Bei Sonnenpracht, bei Winternacht,
Des süßen Glanzes nur bedacht,
Still wandelnd reinen Segens Pfad,
Und streuend reinen Lichtes Saat!
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