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Ida von Hahn-Hahn
(1805-1880)
Lebenssonne
Kann das Aug' dich nicht erspähen,
Wird es um mich Nacht und trübe,
Nebel um die Stirne wehen,
Es versinkt der Stern der Liebe;
Meine Sonne ist verdürstet,
Meine Rosen sind verblüht,
Und der Wind im Laube flüstert
Dumpf und hohl ein Trauerlied.
Kann die Hand dich nicht erreichen,
So verschweben die Gestalten,
Farb' und Form von ihnen weichen,
Seelenlose Schatten walten,
Grau in Grau verschwimmt das Leben!
Ohn' die Stralen meines Lichts,
Die das Weltenall durchbeben,
Ist mir Alles, Alles – Nichts.
Doch wenn mir die Gluten starben,
Senke ich den Blick nach innen;
Dort erblüht in tausend Farben
All mein Denken, all mein Sinnen;
Was in äußrer Welt verloren,
Giebt die inn're mir zurück,
Gleich dem Phönix neu geboren,
Grüßt mich ewig neu das Glück.
Denn dein Wunderbild entschwindet
Nimmer aus der tiefsten Seele,
Wenn mein Auge es nicht findet,
Wacht es auf in Zauberhöhle,
Giebt der Phantasie die Pracht; - -
Und ein Traum von deinem Wesen,
Er verklärt die tiefste Nacht.
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