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Friedrich
Wilhelm Gotter
(1746-1797)
Amor, ein Kind
Gott Amor
wollt ihr Treue lehren?
Ihr wollt den Schmetterling bekehren,
Der nur auf Wechsel sinnt?
Und fängt ihr, mit Amphions Feuer,
Erhabne Weisheit in die Leyer,
Ihr sänget in den Wind!
Wegflatternd wird er euch verlachen -
Was könnt ihr mit dem Leichtsinn machen?
Er ist ein Kind!
Gefesselt
habt ihr ihn durch Schätze;
Ach, er zerreißt auch goldne Netze,
Wann sie ihm lästig sind.
Unsteter ist er, als die Welle;
Seht, wie schon dort mit einer Schelle
Ein Andrer ihn gewinnt!
Weg wirft er eure schönen Sachen -
Was könnt ihr mit dem Schalke machen?
Er ist ein Kind!
Ihr
zürnt, an ihm ist Zorn verloren;
Ihr scheltet, er verstopft die Ohren;
Ihr grinzet, er ist blind;
Ihr wähnt, daß euer Dräun ihn schrecke?
Seht, wie er schelmisch in der Ecke
Dort neue Ränke spinnt!
Er spottet Löwen, spielt mit Drachen -
Was könnt ihr mit dem Trotzkopf machen?
Er ist ein Kind!
Und
greift ihr endlich nach der Ruthe,
Schnell läßt er ab vom Uebermuthe;
Sanft, wie ein Frühlingswind,
Schlingt er den Arm euch um den Nacken;
Seht, wie ihm von den rothen Backen
Die falsche Thräne rinnt!
Seht ihn mit nassem Auge lachen -
Was könnt ihr mit dem Schmeichler machen?
Er ist ein Kind!
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