Das Liebes-Poetische Manuskript N° 6

Amor persönlich
Gedichte über Amor

Denis-Antoine Chaudet (1763-1810) - Cupido

 


Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
(1616-1679)

Cupidinis testament.

1.

Cupido lag im krancken bette /
Und stellte sich recht kläglich an /
Als wenn er lust zu sterben hätte /
Es war um alle krafft gethan;
Drum wünscht er wegen seiner sachen /
Ein richtig testament zu machen.

2.

Er schickte nach dem advocaten /
Alsbald kam ein notarius /
Der halff in allen sachen rathen /
Und also fiel indeß ein schluß:
Verlaß ich was nach meinem sterben /
So soll das frauenzimmer erben.

3.

Die lieben jungfern sollen haben
Den überaus verliebten geist /
Auch alle andre leibes-gaben /
Und alles was sonst männlich heist;
Und zwar wie alles steht und liget /
Ich weiß sie sind damit vergnüget.

4.

Den weibern will ich gleichfalls dienen /
Vor die sind meine flügel gut /
Dieweil dergleichen haußrath ihnen
Am allermeisten nöthig thut /
Sie brauchen sie zu flederwischen /
Und zu der männer federpüschen.

5.

Was aber mach ich mit den alten?
Mein letzter stulgang ist zu schlecht:
Gelt! wenn der podex wird erkalten /
Der ist vor alte weiber recht.
Ja ja es soll darbey verbleiben /
Der herr beliebe nur zu schreiben.

6.

Crumpisicus war wohl zu frieden /
Er sprach: der herr thut wohl daran /
Denn so bleibt aller streit vermieden;
Doch ehe diß geschehen kan /
So muß ich sieben zeugen sehen /
Sonst kan kein testament geschehen.

7.

Cupido lag in letzten zügen /
Die zunge ward almählich schwer /
Er sprach aus lauter unvergnügen:
Holt sieben reine jungfern her /
Die noch von keinen männern wissen /
Die sollen dieses werck beschliessen.

8.

Er lieff als wenn er flügel hätte /
Cupiden fiel indeß ein fluß /
Und also starb er auff dem bette /
Zugleich kam auch Crumpisicus;
Und hatt' in vier- und zwanzig stunden
Nicht eine reine jungfer funden.

 

 

Gedicht aus: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen
auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte:
Benjamin Neukirchs Anthologie
Tübingen : Niemeyer, 1961 (Neudrucke deutscher Literaturwerke)

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