Orientalischer Liebesgarten
(Ausgewählte Gedichte)
 

(c) Dirk Schelpe pixelio.de
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Aus dem arabischen Volksheldenroman
Siret Antarat Ilbattal
d. i. Leben und Thaten Antara's des Kämpfers
(wahrscheinlich aus dem 12. Jh.)


Ich dachte dein ...

1.
Ich dachte dein, wo mancher Speer sich tränkt' in mir,
In meinem Blute sich wuschen indische Spitzen;
Die Schwerter wollt' ich küssen, weil sie leuchteten,
Als wie beim Lächeln deine Zähne blitzen.


2.
Dich lieb' ich, wie Edlere lieben, mit Schweigen,
Zufrieden, wenn dich nur ein Traum darf mir zeigen,

Du bist die Gebieterin über mein Blut,
Die Fürstin, zu der meine Hoffnungen steigen.

O Abla, die Zungen der Menschen bekennen,
Dass heute die Schönheit der Welt ist dein eigen.

Und spräch ich, dein Wuchs sei ein Zweig, so beschämte
Dein Wuchs ihn mit Gradheit und zierlichem Neigen.

Die Perlen nur gleichen den Zähnen von dir;
Wie dürft' ich die Zähne den Perlen vergleichen?

Die Nacht deines Haar's ist mein Irrungsgewinde,
Doch trägt deine Stirne mein leitendes Zeichen.

Die Brüste sind uns zur Versuchung erschaffen;
Gott lass' sie kein feindliches Auge bestreichen!

Dein Halsband, es schlägt alle Seelen in Bande,
Und zwingt sie dem Bande der Welt zu entweichen.

Dein Antlitz ist freilich die Sonne, ja wohl,
So nah zum Erglänzen, so fern zum Erreichen.


4.
Ich barg die Gluth der Sehnsucht tief in des Herzens Schacht,
Und wenn die Wächter schlafen, so wach' ich meine Nacht.

Was ich nie kann erreichen, erstreb' ich lebenslang,
Und fass' ein Glück am Saume, das nie mich nimmt in Acht.

Ich wünsch', o Tochter Malek's, zu dir die Näherung,
Doch trennend ist dazwischen Kriegsfeuer angefacht.

Wenn auf mein Blut einstürmen die Deinigen, sorge nicht!
Denn Fleisch und Blut nicht hab' ich, seitdem mich traf die Acht,

Vielmehr nur ein verwittert Gebein und eine Haut,
Auf deren Trümmern lagert des Kummers Heeresmacht.


10.
Ich schelte das Glück, bei dem kein Schelten verfangen;
Bei Zeitläufen such' ich Ruh, die ruhlos ergangen.

Die Tage, sie machen mir die Zusage, die mich täuscht;
Dass Lug ist ihr Wort, ich konnt' es wissen seit langen.

Gedient hab' ich Leuten, die mit mir der Verwandtschaft Band
Umschlang, und sie wurden mir zu Schlingen und Schlangen.

Sie nennen im Frieden mich der Sklavin Sebiba Sohn,
Und Sohn edler Väter, wann die Schwerter erklangen.

Wo nicht Liebe thät', ein solcher fröhnete solchen nicht,
Noch würde der Leu' im Forst vor Füchsen erbangen.

O hätte der Himmel, was ich liebe, so nahe mir
Gerückt als die Unglücksfälle, die mich umrangen!

O hätte dein Traumbild nur, o Tochter von Malek, je
Gesehn meiner Wimpern Fluth, den Strom meiner Wangen!

Die Höhen des Himmels sind die Standorte deines Werths,
Und kurz ist die Hand mir, um nach Sternen zu langen.

Jedoch wenn es Gott verhängt, der Höchste, nach seiner Huld,
So soll nichts hindern meinen Wunsch zu umfangen,

Zu löschen den Lebensdocht der Neider, und meinem Ziel
Zu nahn mit Gewalt durch Schwert und Speer ohne Bangen.


11.
Antara sendet seinen Bruder
Scheibub, o weh, mein Bruder, siehst du nicht, wie mir
Die Abla fehlt? o komm, und mich beklage!

Geplündert seh' ich mich von Herzen und betrübt,
Die laute Thräne strömt mir früh am Tage,

Um solches Leid, das mich befiel, und grosses Weh:
Es mehrt sich, was ich sinn' und was ich zage.

So zeuch nach jenen Siedlungen des Stammes, geh
Auf Kundschaft Abla's, meld' ihr meine Lage!

Ja eil' in's Land Jrak, vielleicht dass du sie triffst,
Und kehrest mir zurück mit Glücksertrage.

Kein gutes Leben soll mir munden fern von ihr,
Bis du von ihr mir meldest schöne Sage.


12.
Abla singt:
Meinen Leib ermattet Hauch des Abendwinds;
Wie ertragen soll ich Qualen immer neu?

Bringt mich zum Schutzgebiet des Antara!
Denn das Reh beschützt kein andrer als der Leu.

(übersetzt von Friedrich Rückert 1788-1866)


 

 

Gedicht aus: Der poetische Orient
in metrischen Übersetzungen deutscher Dichter
mit Einleitungen und Anmerkungen
herausgegeben von Heinrich Jolowicz [1816-1875]
Zweite veränderte Ausgabe Leipzig
Verlag von Otto Wigand 1856 (S. 432-435)

 

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