Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


George Catlin (1796-1872)
Mrs. George Catlin (Clara Bartlet Gregory)



Alexis Adolphi
(1815-1874)


Die Liebe wacht

In dunkler Nacht
Bin ich der Jugend Pfade einst gegangen;
Irrlichter viel umhüpften und umschlangen
Mit wirrem Spiel des Thales glatten Steg,
Und keine Leuchte schien auf meinen Weg.
Da schlug in's Herz durch irre Einsamkeiten
Der Rettungsruf mir wie aus Himmelsweiten:
In dunkler Nacht
Die Liebe wacht!

In dunkler Nacht
Ist mir der Ernst des Mannes dann gekommen;
Doch zur Gefährtin hatt' ich sie genommen,
Die meinem Leben war der milde Stern.
Nun zog ich mutig auch in schwanke Fern',
Ich wußte ja, daß mir ein Trost beschieden,
Daß in der Heimat süßgeschloss'nem Frieden
In dunkler Nacht
Die Liebe wacht!

In dunkler Nacht
Hab' ich sie jetzt in's dunkle Grab gebettet.
Was hab' ich nun für's Leben mir gerettet?
Mein Stern erlosch - giebt's keine Leuchte mehr?
Aus Himmelsweiten wieder hoch und hehr
Ruft Trost und Rettung da die ew'ge Gnade:
Sind noch so einsam finster Deine Pfade,
In dunkler Nacht
Die Liebe wacht!
(S. 1-2)
_____

 


Meeresstille

Wie mich erfaßt mit heil'ger Macht
Meeresstille in dunkler Nacht!
Leiser und leiser gehen die Wellen,
Einzelne Sterne den Himmel erhellen;
Ungefährdet vom Felsenriff,
Ziehen wir sicher auf schwankem Schiff.

Woher die Stille? woher der Friede? -
Das Meer und das Herz sind sturmesmüde!
Sie haben beide gekämpft und gelitten,
Und Wogendrang und Schmerz erlitten;
Bis endlich die Hand voll Lieb' und Macht
Sie beide, beide zur Ruh' gebracht.
(S. 2)
_____
 


Liebeswünsche

Mein Lieb, bin ich ein See fürwahr,
Groß, tief und sturmgehügelt:
Sei Du die Sonne, die sich klar
Auf stiller Flut ihm spiegelt!

Bin ich die Muschel, die da ruht,
Vom Meerschlamm trüb umfeuchtet:
Sei Du der Perle reine Glut,
Die ihr im Herzen leuchtet!

Bin ich die dunkle Wetternacht,
Wo dumpfer Donner dröhnet:
Sei Du des Regensbogens Pracht,
Der friedlich sie versöhnet!

Bin ich ein Schifflein fern im Meer,
Fast in ein Nichts verschwommen:
Laß Du als Sternbild licht und hehr
Zum Hafen heim mich kommen!
(S. 2-3)
_____

Gedichte aus:
Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887


 

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