Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Stanislaw Ignacy Witkiewicz (1885-1939)
 Porträt von Czeslawa Okninska



Theodor Althaus
(1822-1852)

Erinnerungsklang

Nur einmal ließest du mich hören
Die süße Stimme im Gesang,
Doch in des Lebens schönsten Chören
Blieb mir seitdem von dir ein Klang.

Als wir an jenem Abend gingen
Im Garten, fern von Tanz und Chor,
Da wagt' ein himmlisch leises Singen
Sich scheu aus deiner Brust hervor,

Wortlos, wie Lerchen nur ergießen
Aus Lust den Liederstrom so hell,
In dem wir ewig doch genießen
Des Frühlings ganzen Geistesquell!

Ach allzurasch, wie Abendwehen,
Verhallte der geliebte Ton;
Der Morgen sah mich von dir gehen -
Nun sind wir fern seit Jahren schon.

Doch wenn des Frühlings Lerchen singen:
Dann fühl' ich selig, neubelebt,
Durch alle Lebenssaiten schwingen
Den Ton, dem einst mein Herz erbebt.
(S. 442)
_____


Du bist das Leben, das ich liebe

Du bist das Leben, das ich liebe,
Des Athem schon die Brust erquickt,
Wenn sie im öden Weltgetriebe,
Wie in versengter Luft, erstickt.

Du bist die Seele, deren Sehnen
In ächten Schmerzensflammen brennt,
In der Erfüllung süße Thränen,
Und selig stille Ruhe kennt.

Du bist die Braut, die hold erglühend
Den Liebeskuß des Geist's empfängt,
Die stets wie neuvermählt und blühend
Den Hochgeliebten träumt und denkt.

Wohl küßt er dir die Stirn im Traume
Du rührst den Saum von seinem Kleid,
Doch ach, im dämmernd fernen Raume,
Entschwebt sein theures Bild so weit.

Du willst ihn fassen, willst ihn schauen,
Voll, gegenwärtig, groß und klar,
Palast und Tempel soll er bauen
Und glorreich werden offenbar;

Nicht wirst du sehn den holden Frieden,
Die schöne Zeit, das Siegesfest -
Uns ist der herbe Kampf beschieden,
Der keine Schönheit reifen läßt.

Du Kind der Freiheit, Kind der Liebe,
Das sich nach Schönheit bräutlich sehnt,
Nicht wünsch' ich dir im Weltgetriebe
Den Lebenspfad noch weit gedehnt.

Nur einen Tag, wo es sich lichtet,
Wo Geistesstrahl die Welt erhellt,
Und wo, von Geistesglück vernichtet
Ein Sterbliches zu Asche fällt.
(S. 442-443)
_____


Aus: Fünfzig Jahre Deutscher Dichtung
Mit biographisch-kritischen Einleitungen
herausgegeben von Adolf Stern
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ed. Wartig 1877



 

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