Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


 Frederick Child Hassam (1859-1935)
Kitty Hughes



Julius Bercht
(1811-1887)

Der goldne Mai

Gieße Deine Blütenschale,
Frühling, über Berg und Thal,
Lade uns zum Göttermahle!
Endlos war die Winterqual:
Da, mit flammendem Pokale
Tritt der Holde in den Saal.

Wie ein junger Zaubrer steht er
Aufgeschürzt und angethan:
Ihm zu Haupte klarer Äther,
Ihm zu Füßen Wiesenplan,
Und auf Blumensohlen geht er
Lächelnd seine goldne Bahn.

Winkend mit dem Rosenfinger
Schwebt er hin am Himmelszelt,
Überall wird er Bezwinger,
Und die Freudenthräne fällt;
Denn er wird der Wiederbringer
Der ersehnten Blütenwelt.

Löst den Westen ihren Zügel -
Über Hütten, Meer und Land
Schwärmen sie mit seidnem Flügel
Weiter bis zum fernsten Strand,
Und umweben alle Hügel
Neu mit Gras und Blumenrand.

Wilde Buben werden innig
Und es wogt in ihrer Brust,
Holde Mädchen werden sinnig,
Seufzer quellen unbewußt,
Die Natur ist reizend minnig,
Alt und Jung voll Glück und Lust!
(S. 56-57)
_____


Ein Allerweltskerl

Kennt Ihr den hochgebornen Junker,
Der in die höchsten Fenster schielt?
Den luft'gen leichten Flinkeflunker,
Der allen Mädchen Küsse stiehlt?

Er überrascht sie in den Betten
In allerfrühster Morgenstund',
Und sucht sich weiche Lagerstätten
Und küßt sie auf den Rosenmund.

Er läßt sich fast wie häuslich nieder
An ihrem blütenweißen Bett,
Beguckt die abgelösten Mieder
Und legt sich quer auf's Blumenbrett.

Sie fühlen's sonder Harm und Kummer,
Wenn sie der Flattergeist umstrickt:
Selbst wenn er sie im Morgenschlummer
Ein wenig in die Augen zwickt.

Erwachend schaun sie ohne Beben
Auf diesen feinen blanken Mann
Und kleiden ohne Widerstreben
In seiner Gegenwart sich an.

Oft schließen lieblich weiße Hände
Sogar das dunkle Rouleau
Und schlüpfen wonniglich behende
Ins warme Bettchen wieder froh.

Er aber legt sich breit in's Fenster,
Als wären alle Mädchen sein! ...
Doch glaubt nur ja nicht an Gespenster:
Es ist der Junker Sonnenschein.
(S. 57-58)
_____


Nachtstück

Das war denn in dem Birnenbaum
Ein nächtlich Musizieren.
Ein Schnäbeln durch den Gartenraum
Und schluchzendes Scharmieren!

Der Garten blütenüberdeckt,
Wie Silberschaum erglänzt er;
Im Rebenlaub lag ich versteckt
Bis Mitternacht im Fenster.

Der Mond schwamm in dem kalten Duft,
Es blitzten alle Sterne
Und warfen Schnuppen durch die Luft
Mit hellem Flammenkerne.

Verschwendrisch waren ausgestreut
Unzähl'ge feuchte Perlen,
Sie rollten funkelnd weit und breit
Von Weingezweig und Erlen.

Und fern und nahe zog herauf
Ein wetterleuchtend Flammen,
Und Blum' und Blätter rauschten auf
Und schauerten zusammen.

Es war ein wildes Feuerspiel,
Geheimnisvoll und düster,
Ein Flammen ohne Maß und Ziel
Und schauriges Geflüster.

Im Nachtwind macht' ein Geisterchor
Sich heimlich auf die Reise
Und murmelte von Ohr zu Ohr
Unheimlich ahnungsleise:

Was schürst Du ohne Rast und Ruh
Der Liebe Feuergluten?
Die Nixe winkt und nickt Dir zu
Und schlüpft in kalte Fluten.
(S. 58-59)
_____

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887



 

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