Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


George Frederic Watts (1817-1904)
 Violet Lindsay



Ernst Eckstein
(1845-1900)


Auf Capri

Horch! Wie zarb'risch klingen die Chorgesänge,
Die vom Bühl her über die Wasser zittern!
Lust der Wehmut atmet in jedem Tone, -
Cosima, schläfst Du?

Milder Nachttau rieselt durch Laub und Blüten,
Wie der Anmut Thräne von dunkler Wimper;
Holder Wohllaut träufelt in jeder Perle, -
Cosima schläfst Du?

Ach! Ein Glutstrom heiliger Liebeswogen
Schwellt das Herz mir, wonnige Maid von Capri!
Trunk'ne Sehnsucht lodert in jedem Pulsschlag, -
Cosima, schläfst Du?

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 157-158)
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Gieb Dich zufrieden!

Noch einmal dieses himmlisch süße Bild,
Du armes Herz, das Dir den Frieden raubte?
Und dieser Kampf, so hoffnungslos und wild,
Den stolz und Thorheit längst verwunden glaubte?
Vergiß den holden, heißgeliebten Traum
Und Gott der Herr wird Deinem Sturm gebieten;
Vergiß des Glückes goldgewob'nen Schaum:
Gieb Dich zufrieden!

Schau nicht empor; zu himmlisch ist das Licht;
Schau rings umher im weiten Lebensgarten,
Wo bleich der Tod die müden Kelche bricht; -
Sei still und gut, Du wirst nicht lange warten ...
Fromm bringt die Hand der Liebe Dich zur Ruh;
So wild, so trostlos ist kein Weh hienieden,
Der Kirchhof deckt's mit kühler Erde zu, -
Gieb Dich zufrieden!

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 158)
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Die Zweite

Ich liebe Dich; die Rosen blühen
Und fragen sanft, warum Du weinst ...
Die letzte Thräne fühl' ich glühen
Und alles, alles ist wie einst ...
Dein blaues Auge heißt mich leben,
Das Licht vergessen, was erblich!
Es bebt mein Herz, die Lippen beben ...
Mein holdes Weib, ich liebe Dich!

Sie werd' ich niemals wieder sehen,
Der einst mein Herz entgegenschlug.
In Asche mag der Kranz verwehen,
Den ihre Lilienstirne trug.
Sie schied, - die Schatten rauschten nieder
Und dunkle Nacht umwogte mich ...
Nun scheint die Frühlingssonne wieder, -
Mein holdes Weib, ich liebe Dich!

Es ruft der Sturm, es schweigt die Klage; -
Ihr Bild nur glänzt im milden Schein ...
Sie war das Glück der ersten Tage
Und wird der Traum der letzten sein! -
Im Tod wird mich ihr Geist umschweben
Und einst zum Himmel führt sie mich ...
Doch Dir gehört mein ganzes Leben ...
Mein holdes Weib, ich liebe Dich!

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 158-159)
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Sein Bild

Das ist sein Blick, so mild und weihevoll,
Das ist der Braue glanzumfloss'ner Bogen
Und ach, der Mund, von dem in gold'nen Wogen
Die Zauberflut der Rede quoll!

So neigte sich sein göttergleiches Haupt,
Als lächelnd er im Schattendom der Linde
Dem scheuen, bangen, sehnsuchtskranken Kinde
Der Liebe erstes Ja geraubt!

Im Westen glomm der lichte Abendschein
Und dämmernd lag das stille Thal gebettet ...
Und wie für ewig hielt er mich umkettet -
Und selig klang's: Nun bist Du mein!

O Liebeslust, du holde Märchenpracht,
Wie früh verlosch dein wonnesames Funkeln!
Wie jäh begann das Leben mir zu dunkeln,
Das ach, so rosig mir gelacht!

Kein Sehnen bringt den Frühling mir zurück:
O könnt' ich seinen Blütentraum vergessen!
Verschmerzen, was ich jauchzend einst besessen! ...
Es war ein namenloses Glück.

Wie bebt mein Herz, von bitt'rem Leide schwer!
Nur Thränen sind und Klagen mir beschieden.
Für mich hat rings die Erde keinen Frieden,
Das Leben keine Hoffnung mehr!

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
(S. 159-160)
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Liebeswunder

O kommt mit ernstem Schweigen,
Die ihr von Gott entfernt!
Ich will euch Wunder zeigen,
Auf daß ihr glauben lernt.
Laßt Thränen, Schmerz und Trauer
Und hofft auf Sonnenschein:
Mir zog der Liebe Schauer
Mit tausend Wundern ein.

Eh' mir auf dunklen Bahnen
Ihr Lächeln noch getagt,
Ward mir durch frommes Ahnen
Mein Glück vorausgesagt.
Im Herzen fühlt' ich's glimmen,
Die Seele wuchs zur That.
Es rief mit Engelsstimmen:
Wach' auf, dein Heiland naht!

Da kam sie, hold und wonnig,
Und alles ward erhellt;
Wie Christus, zog sie sonnig
In meines Herzens Welt.
Sie rief die tote Leier
Zu neuem Lebensglück
Und nahm der Blindheit Schleier
Und gab das Licht zurück.

An ihren Blicken hangend
In trunk'ner Himmelslust,
Begrub ich liebebangend
Ihr Bild in meiner Brust.
Da klang es auf und nieder,
Wie fernes Frühlingsweh'n:
Im Sturme meiner Lieder
Kam sie zum Auferstehn.

Nun fühl' ich, was so mächtig
Das Herz zum Himmel weist:
Sie gab mir flammenprächtig
Des Friedens heil'gen Geist.
Sein Licht geht niemals unter;
Er bändigt alle Qual:
Er ist das höchste Wunder
In diesem Thränenthal.

Drum kommt mit ernstem Schweigen,
Die ihr von Gott entfernt!
Ich will euch Wunder zeigen,
Auf daß ihr glauben lernt.
Schmückt mit der Himmelsrose
In Demut euch das Haupt!
Ihr glaubt das Namenlose,
Wenn ihr die Liebe glaubt.

Aus: Heidenröslein Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'
Gesammelt von Dr. Karl Zettel
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart Druck und Verlag von Greiner & Pfeiffer 1887 (S. 131)
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Zum letztenmal

Verloschen war das Abendrot,
Rings schlief die Welt im bleichen Glanze;
Mir war's, als ging' ich in den Tod,
Dir war's, als schritten wir zum Tanze.

O welch ein Traum, als licht und weiß
Der Mond dein dunkles Haar umflossen!
Und aus den Augen bricht es heiß,
Was ich so lange dort verschlossen.

Vergieb mir, daß mit meiner Pein
Ich deine heitre Jugend kränke;
Es soll zum letztenmale sein,
Da ich mit Thränen dein gedenke!


Aus: Neuere Deutsche Lyrik
Ausgewählt und herausgegeben von Carl Busse
Mit einer litterar-historischen Einleitung
Halle a. d. S. Verlag von Otto Hendel 1895
(S. 369)

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Die Verlassene

Still und verborgen
Trage dein Weh:
Wonnen und Sorgen
Schmelzen wie Schnee;
Kummer und Reue,
Alles zerstiebt!
Es vergißt selbst die Treue,
Wie treu sie geliebt.

Die Tage schleichen
So öde dahin:
Dulden und Schweigen
Ist all mein Sinn.
Mich rührt kein Blühen
Auf grüner Au,
Kein Wolkenglühen,
Kein Himmelsblau.

Nehmt mein Geschmeide,
Es gleißt wie Licht;
Die Braut im Leide
Begehrt es nicht.
Die güldnen Bänder,
Des Glücks Gewinn,
Die Prachtgewänder -
Nehmt alles hin!

Die Träume verschweben,
Der Sommer flieht:
Das ist vom Leben
Das trübe Lied.
Die Blätter sinken
Im bleichen Wald;
Die Toten winken ...
Ich komme bald!

Aus: Neuere Deutsche Lyrik
Ausgewählt und herausgegeben von Carl Busse
Mit einer litterar-historischen Einleitung
Halle a. d. S. Verlag von Otto Hendel 1895
(S. 369-370)

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Gerda von Fühnen
(Nach dem Dänischen)

In dämmernden Nächten, auf stürmender Flut,
In trüber, entlegener Ferne
Gedenk' ich an Gerda, und alles ist gut,
Und freundlicher grüßen die Sterne. -
Es ziehn die Gedanken in seliger Ruh
Nach den sandigen dänischen Dünen;
Mein Hoffen, mein Himmel, mein alles bist du,
Du liebliche Gerda von Fühnen.

Du liebst mich, das sagte dein weinender Blick,
Drum laß nur das Grämen und Trauern! -
Je trüber die Trennung, je größer das Glück,
Und es kann ja nicht ewig mehr dauern.
Dann kehr' ich zum heimischen, blühenden Strand,
Den die wallenden Buchen umgrünen;
Und du kommst mir entgegen mit Herz und mit Hand,
Du herrliche Gerda von Fühnen.

Voran denn, mein Schiffchen, durch Wellengebrau
Zum indischen Palmengestade!
Einst führt uns der ewige Lenker nach Haus:
Er weist uns im Dunkeln die Pfade. -
Und ob mich die tosende Brandung umdroht,
Die Liebe beschützt ja den Kühnen!
Mein bist du, mein bleibst du, in Leben und Tod,
Du einzige Gerda von Fühnen.

Aus: Neuere Deutsche Lyrik
Ausgewählt und herausgegeben von Carl Busse
Mit einer litterar-historischen Einleitung
Halle a. d. S. Verlag von Otto Hendel 1895
(S. 370-371)

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