James Carroll Beckwith
(1852-1917)
Eine amerikanische Königin |
Otto Banck
(1824-1916)
Marienlieder
Mädchenlust
Frei bin ich, frei bleib' ich
Und lieben thu' ich nie,
Sie nennen mich Alle
Die schöne Marie.
Schöne Marie! süße Marie!
Mariechen jung dort und hier,
Und bieten Blumen
Und Küsse mir.
Und dank' ich, und sprech' ich:
Küssen thu' ich nie!
Da seufzen die Bursche
"Du spröde Marie!"
Spröde Marie! stolze Marie!
Mariechen jung hier und dort,
Ich aber lache
Und laufe fort!
O wär' ich ein Knabe!
Ich fragte nicht: Wie?
Und wüßte zu kosen
Mit jeder Marie.
Braune Marie! blonde Marie!
Mariechen jung dort und hier,
Und kehrte niemals
Wieder zu ihr! -
(S. 780)
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Die Verwandelte
Wie schlief dir hinter Berg und Thal,
In deines Lebens Morgen,
Noch all die tiefste Wonn' und Qual
Verborgen!
Du stand'st so keck und lose,
Du knospende Gestalt,
Wie eine wilde Rose
Im Wald.
Warst ja die lust'ge Jägersmaid,
Abends wie Morgens früh!
Nun aber schlich das süße Leid
Sich auch zu dir, Marie.
Du lachtest, nun ist still Dein Sinn;
Wo sind die jauchzenden Stunden
Des übermüthigen Lachens hin
Geschwunden?
Wie war dein Mund zum Plaudern,
Dein Schelmenmund geneigt!
Nun spricht er nur mit Zaudern
Und schweigt.
Und dennoch bist voll Seligkeit,
Seliger warst du nie,
Denn ach! des Herzens süßes Leid
Durchbebt auch Dich, Marie.
(S. 781)
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Der Gang zum Tanze
Kein Hauch ging über die Haide
Im Abendsonnenglanz;
Du wolltest im weißen Kleide
Ins Dorf mit mir zum Tanz, Marie!
Du mochtest tanzen gar so gern
Und hingst an meinem Arm.
Schon lag die Linde nicht mehr fern,
Doch war's so schwül und warm, Marie!
Wir standen und gingen wieder,
Und kamen doch nicht fort;
Das Auge senkte sich nieder,
Die Lippe sprach kein Wort, Marie!
Schon wehten bunte Fahnen her,
Und dennoch schwand der Tag,
Denn fesselnd lockte noch viel mehr
Ein süßverstohlnes Ach, Marie!
Die Freude scholl aus der Ferne
Viel schöner als beim Tanz,
Viel holder blinkten die Sterne
Als Licht- und Lampenglanz, Marie!
Vom Heugeruch, vom Fliederstrauch
Durchzog's die feuchte Luft,
Und unsre tiefste Seele auch
Durchschwebte all der Duft, Marie!
Es tönte die Geige von drüben,
Die Sehnsucht wuchs so groß;
Am Haidehügel hier hüben
Wie war so weich das Moos, Marie!
Du sprachst: "O küß mich nicht so sehr!"
Darüber kam die Nacht, -
Wir aber haben nimmermehr
An Spiel und Tanz gedacht, Marie!
(S. 781)
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Trennung
Wie hat in Lenz und Liebesschein
Die Flur uns sonst gelacht!
Wie schmetterte die Lerche drein!
Nun aber kam die Nacht,
Marie!
Nun aber kam die Nacht.
Des Scheidens Nacht voll Sturm und Schnee,
Kein Sternlein leuchtet drin.
Ich weiß nicht mehr, wohin ich geh',
Weiß kaum noch wer ich bin,
Marie!
Weiß kaum noch wer ich bin.
Ade! ade! nun, lieb lieb Herz!
Ich lass' dir nichts zurück,
Als deiner Seele Gram und Schmerz
Und Thränen deinem Blick,
Marie!
Und Thränen deinem Blick.
Ein Kuß, ein Schluchzen krampferfüllt,
Zum Herzen zuckt's hinan, -
O drück' mich nicht so stumm, so wild!
O sieh mich nicht so an,
Marie!
O sieh mich nicht so an!
Halt' ein! halt ein! ich bitte dich,
Den Sturm der jungen Brust!
Bedenk', du mußt vergessen mich,
Das Schicksal will! du mußt,
Marie!
Marie, Marie, du mußt!
(S. 781)
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Aus: Fünfzig Jahre Deutscher Dichtung
Mit biographisch-kritischen Einleitungen
herausgegeben von Adolf Stern
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ed. Wartig 1877
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