Emile Eisman-Semenowsky
(1857-1911)
Junge Frau mit Blumen im Haar |
Eugen Obermayer
(1820-1897)
Beschwörung
Tochter der Sonne,
Schwester des Mondes,
Schönheitstrahlendes Kind,
O geh', o gehe
Mit mir nicht in's Gericht!
Dämpfe die Gluten,
Lindre die Wonnen,
Schönheitstrahlendes Kind,
O tödt', o tödte
In Uebermuth mich nicht!
Schwurst ja ich müsse
Ewig dich lieben,
Schönheitstrahlendes Kind;
Nun denn so lass'
Treu mich erfüllen die Pflicht.
Muß dich in tausend
Hymnen noch preisen,
Tochter der Sonne,
Schwester des Mondes,
Schönheitstrahlendes Kind!
(S. 293)
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Die Knospe
Golden fast im Mondenscheine
Glänzt die schlanke Silberpappel,
Unter der mit leiser Stimme
Er ein kurzes Ständchen brachte.
Kaum verklingt es in den Lüften
Steht sie schon auf dem Balkone,
Schwebt bereits aus ihrem Busen
Nieder eine rothe Knospe.
Hastig will der Majo bergen
Ihrer Gunst das zarte Zeichen,
Das erscheinet die Duenna,
Fliehen muß er wie ein Fesger.
Und die Knospe lag im Sande;
Nachts doch pflückt er, die er hoffte -
An derselben, selben Stelle
Eine wunderbare Rose.
(S. 294)
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Donna Juana
I.
Donna Juana, Donna Juana,
Allzu stolz ist deine Seele;
Donna Juana, Donna Juana,
Traurig ist es einsam leben.
Eine Königin am Throne,
Eine junge, perlenreiche,
Schöner nicht als Donna Juana
Ist sie, ihr nicht zu vergleichen,
Wie sie auf dem müden Maulthier,
Müde selbst, bestaubt und träumend,
Stolz hin reitet in der Schwüle
Unter den Orangenbäumen.
Ihr gefolgt, ohn' daß sie's achtet,
War seit Wochen schon ein Ritter;
Plötzlich sprengt er ihr zur Seite,
Hält sie an, spricht liebezitternd:
O, geruht Euch auszuruhen,
Gönnt mir eines Lächelns Segen!
Euch gehören meine Dienste,
Euch mein Ring, mein ganzes Leben!
Reitet ein als stolze Herrin
In das jubelnde Grenada,
Schöner Ihr, als einst die schönsten
Sultaninnen der Alhambra!
Aber sie: "Hinweg ihr Frecher!
Euer Blick mich nie mehr treffe,
Schwört mir's!" rief sie übermüthig,
Und er schwur's im tiefsten Herzen.
II.
Auf den Straßen, selbst im Dome,
Donna Juana sucht ihn immer
Den Verschmähten, Tiefgekränkten,
Der sie anhielt liebezitternd.
Aber dort nicht war der Ritter,
Weilte unweit auf dem Schlosse
Seiner Väter, nimmer, nimmer
Sie zu schauen fest entschlossen.
Da erfaßt sie's übermächtig,
Zieht hinaus sie nach den Schluchten,
Wo der abgewies'ne Freier
Barg sein Elend stolzen Muthes.
Sie erblickt ihn, und sie winkt ihm,
Hand will sie und Herz ihm bringen;
Doch er wendet sich mit Schauder
Und sie sieht ihn niedersinken.
Als vom Sattel sie gesprungen,
Als auf ihn sie sich geworfen,
Tritt ihr Fuß schon blutgetränkten,
Mannesblut getränkten Boden.
Und er stöhnt gebroch'nen Auges:
Daß mein Blick Euch nie mehr treffe,
Schwur ich. Geht nun, Donna Juana,
Geht, Euch wird mein Geist umschweben!
Donna Juana, Donna Juana,
Allzustolz ist deine Seele;
Donna Juana, Donna Juana,
Traurig ist es einsam leben!
(S. 295-298)
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Aus: Dichterbuch aus Oestreich
herausgegeben von Emil Kuh
Wien Carl Gerold's Sohn 1863
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