Charles Amable Lenoir
(1860-1926)
Portrait eines Mädchens mit Kirschen |
Richard Pohl
(1826-1896)
Jugendglück
O süßer Zauber im
Jugendmuth
Du goldner Becher voll
Lebensgluth!
Kein Schmuck so köstlich, so
Zauberreich,
Kein Glück auf Erden, das
Deinem gleich!
Wo Jugend und Freude im
Herzens-Verein,
Soll glückliche Liebe die
Königin sein.
Die Blüthen lockt alle der
Lenz hervor.
Die Lerche steigt jubelnd zum
Licht empor:
O Sonne der Liebe, im
Frühlingsschein,
Mich laß deine Blume, die
Lerche sein!
Aus: Fünfzig Jahre Deutscher Dichtung
Mit biographisch-kritischen Einleitungen
herausgegeben von Adolf Stern
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ed. Wartig 1877 (S. 994)
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Nachtgesang
Die Nacht ist wieder gekommen
Und lockt mich in ihren Schooß,
Dahin, wo im Nebel verschwommen
Der Mond seinen Zauber ergoß.
Die Sehnsucht beginnt sich zu regen,
Mein schlummerndes Herz erwacht
Und lauscht, mit zitternden Schlägen,
Dem süßen Märchen der Nacht.
Da faßt mich ein heißes Verlangen,
Da regt sich begrabene Lust:
Das fliehende Glück zu umfangen,
Zu fesseln an einsamer Brust!
Was lockst du den Träumenden wieder
Mit deinem Liebesgesang?
Mir tönen die alten Lieder
Mit ihrem heiligen Klang!
Der Mond küßt die zitternde Welle
Die scheu seinen Blicken entflieht,
Sie glänzt in zaubrischer Helle,
Wie weiter und weiter sie zieht:
So zog mir die Liebe vorüber,
So rauschte vorbei das Glück!
Es glänzt aus der Ferne herüber
Und kehrt doch nie mir zurück!
Aus: Fünfzig Jahre Deutscher Dichtung
Mit biographisch-kritischen Einleitungen
herausgegeben von Adolf Stern
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ed. Wartig 1877 (S. 994)
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Brautgesang der Blumen
Sie saß alleine, der Liebste war weit,
Sie träumte von ihrer seligsten Zeit,
Wenn endlich erfüllt das heiße Verlangen,
An ihm mit ganzer Seele zu hangen.
Da schmettert die Lerche im Sonnenstrahl,
Da schallt es jubelnd von Berg und Thal,
Und die Blumen flüstern, so heimlich, so mild
Am klopfenden Herzen, von Liebe erfüllt:
"Wenn wir wiederkommen und wieder blüh'n,
Soll die Myrte mit uns zum Feste ziehn;
Sie soll die Krone aufs Haupt dir drücken,
Wir wollen den Busen dir bräutlich schmücken!
Wenn wir wiederkommen im Frühlingsschein
Und wieder duften im bunten Verein,
Da küssen wir dich, du holde Braut,
Die uns mit Thränen der Wonne betaut."
Aus: Heidenröslein
Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'
Gesammelt von Dr. Karl Zettel
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart Druck und Verlag von Greiner & Pfeiffer 1887 (S. 129)
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