Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


William Merritt Chase (1848-1916)
 Das rote Kleid



Adolf Stern
(1835-1907)


Wie aus dürstender Blüthe dennoch dringt

Wie aus dürstender Blüthe dennoch dringt
Ein süßer erquickender Duft,
Aus verhallenden Saiten ein Ton sich schwingt
Und voll durchzittert die Luft

So ringt sich aus Zweifeln, ernst und kühl,
Dir eigen geworden schon,
Das alte volle Liebesgefühl,
Der heilige Herzenston.

Doch sieh: der Duft verhaucht ins All,
Die Blüthe stirbt in Gluth,
Weit tragen die Lüfte den flüchtigen Schall,
Die Saite verstummt und ruht.

Doch Herzenstöne, heilig, geweiht,
Sie wecken die Sehnsucht, das Glück,
Sie rufen die alte selige Zeit
Der ersten Jugend zurück!

Und heilige Gewißheit bricht
Durch aller Zweifel Noth,
Und wieder Herz zum Herzen spricht:
Mein bist Du über den Tod!
(S. 935)
_____


Die Abendglocken tönen am Rhein

Die Abendglocken tönen am Rhein,
Der wonnige, sonnige, goldne Schein,
Der in den Wellen verschieden,
Ersteht im Herzen als Frieden!

Die Thale liegen duftig umblaut,
Was pochst Du Herz so laut noch, so laut,
Als ob ein Sehnen Dir bliebe -
Was wähnst Du und träumst Du von Liebe?
(S. 935)
_____


Gegrüßt, gegrüßt ihr vollen Fluthen

Gegrüßt, gegrüßt ihr vollen Fluthen
Aus weitem, heilgen Liebesmeer,
Gegrüßt ihr Flammen und ihr Gluthen,
Ich laß euch nimmer, nimmermehr,
Wer einmal von der Fluth getrunken,
Wem von den Flammen nur ein Funken
Ins Herz gesunken, läßt euch nicht,
Strömt über, strahlt mit goldnem Licht!

Gegrüßt o blaue Lenzeswonne,
O Sommerhimmel, goldig licht,
Gebt unsrer Liebe Duft und Sonne,
Laßt euer ewiges Gedicht
In's hohe Lied der Gottheit rauschen,
Von Liebesgeben, Liebestauschen, -
Die Welt, die Zeit, dahin, dahin, -
Ein Sein, ein Herz, ein Kuß, ein Sinn!

Gegrüßt o Herz, du heißes, wildes,
Zu dem das meine drängend spricht,
Wirf ab die Wucht des spröden Schildes,
Das vor der Liebe doch zerbricht,
Du kannst Dich schützen nur im Geben,
Wir können nur im Sterben leben,
Mein Ich, Dein Ich - dahin, dahin, -
Ein Sein, ein Herz, ein Kuß, ein Sinn!
(S. 935-936)
_____


Ich schau in Dein Auge voll Glanz und Gluth

Ich schau in Dein Auge voll Glanz und Gluth
Und wie ich hinunterseh,
Inmitten des heiligen Lichtes ruht
Ein altes finstres Weh.

Von Schmerzen ein versenkter Hort
Viel Thränenperlen so schwer, -
Kein Kuß und kein flüsterndes Liebeswort!
Hebt sie zu Tage mehr.

So laß mein Lied ein Feuer sein,
Das dir im Herzen flammt,
So schmelzen die Perlen von dunklem Schein,
Aus Thränen und Schmerzen entstammt.

Sie lösen sich, sie drängen empor,
Sie fließen glühend warm,
Die heilige Thränenfluth quillt hervor,
Dich aber hält mein Arm.

Und jeder Tropfen, den Du geweint,
Ihn küßt hinweg mein Mund,
Bis Licht und Klarheit Dein Auge scheint
Zum tiefsten, tiefsten Grund!
(S. 936)
_____


Muth o Herz, verscheuche die Klage

Muth o Herz, verscheuche die Klage,
Nun uns schimmerndes Grün umlaubt,
Bringen werden die Sommertage,
Was die Stürme dem Lenz geraubt.

Müßten wir darum schon zagen und trauern,
Wenn die Veilchen im März nicht erstehn?
Wenn unter eisigen Regenschauern
Auch die Maientage vergehn?

Die Natur ist gerecht und sie waltet
Wie es Fluren und Herzen frommt,
Dreifach schimmernd und duftig entfaltet
Sich der Frühling, der spät erst kommt.

Aller Blüthen würzige Hauche
Löst ein Lächeln des Sonnenscheins,
Veilchen am Boden, Rosen am Strauche,
Lenz und Sommer fallen in eins.

Und das Herz, in lautem Entzücken,
Jubelt entgegen der wonnigen Zeit,
Wo uns die Blüthen der Liebe schmücken,
Während die Frucht des Lebens gedeiht!
(S. 936)
_____


Es fällt der Schnee so schwer und dicht

Es fällt der Schnee so schwer und dicht,
Es treibt der Strom das Eis, -
Der Frühling, Liebste, zeigt sich nicht,
So lang er fern Dich weiß!

Kein frisches Grün den Strom umsäumt,
Kein Knospen schmückt das Thal,
Und bis Du kommst, o Herz, verträumt
Die Zeit der Sonnenstrahl.

Die frühste Lerche hält sich still,
Bis Dich entzückt ihr Gruß, -
Die Blume schläft, die blühen will,
Erst unter Deinem Kuß.

Der Himmel wird nicht blau allhier,
Bis Dir sein Blauen frommt:
Drum kehr, o Liebste, heim zu mir,
Daß auch der Frühling kommt!
(S. 936)
_____


Am Meere

1.
Da steh ich am grünen Waldessaum,
Zu Häupten wiegt sich ein Blüthenbaum,
Doch vor mir rauscht und grollt das Meer,
Sturmwolken und Wetter drüber her.

Damit mich selige Ruh umfängt:
Ein Schritt in die Büsche, dichtgedrängt,
Damit mich fasse des Todes Graus:
Ein Schritt nach den zürnenden Wogen hinaus.

Ans eigne Leben gemahnt michs fast -
Todbringender Sturz, friedselige Rast,
Sie liegen, wie hier, beisammen nun,
Und den Schritt nur muß ich im Dunkel thun!


2.
Wie das Meer, vom grünen Strande gesäumt,
In blauer schimmernder Weite träumt,
Wie der Himmel herabglänzt auf die Fluth,
Als hätt' er nur Sonnenlicht und Gluth:

So zieht in die Seele, sonst wild und erregt,
Ein träumender Frieden, und leis bewegt
Der Hauch der Liebe das Herz allein,
Wie die Woge zittert im Sonnenschein.

Viel wilde Stürme drohen der See,
Dem Herzen Kämpfe, unendliches Weh,
Doch die Meerfluth spiegelt Himmel und Hag,
Und das Herz träumt ewigen sonnigen Tag!
(S. 936-937)
_____


Räthsel

Dein Reiz, der thränend manchen Blick verhüllt,
Dein Reiz, der sehnend manches Herz erfüllt:

Der uns beglückt wie Licht, wie Blüthenhauch,
Wie holder Klang, löst mir ein Räthsel auch:

Ich weiß, warum ich grüße noch den Tag,
Warum ich ringen, dulden, leben mag.

Weiß ich doch nicht, ob durch der Welten Zahl
Ein Strahl erglänzt wie Deines Auges Strahl.

Ein Ton erklingt, wie Deiner Seele Klang -
Und bin darum vor andern Welten bang!
(S. 937)
_____


Gehst du an goldnem Sommertage

Gehst du an goldnem Sommertage
Durch Thäler frisch und sonnenhell,
So klingt ein Rauschen aus dem Hage
Ein Lied vom fernen Waldesquell.

Und welcher Traum Dich auch umfliege
Auf solchem grünumhegten Gang
Du würdest, wenn die Quelle schwiege,
Vermissen doch den fernen Klang.

So hab' ich Dir ein Lied zu bringen
Das ganz dem Sang des Quelles gleicht,
Der kaum vernommen wird im Klingen
Und nur vermißt wird, wenn er schweigt.

Auch sollst Du seinem Sinn nicht lauschen
An Deiner Jugend goldnem Thor,
Nimm heut dies Lied wie Wellenrauschen
Nur leis berührend Herz und Ohr.

Doch wie vom Waldgang heimgekommen
Dich eine Ahnung wohl bewegt,
Als hättest Du vom Quell vernommen
Den reinsten Ton, den er gehegt.

So rufe auch in fernen Tagen
Dies Blatt erinnernd Dir zurück,
Wie heiße Wünsche ich getragen
Für Dich o Holde und Dein Glück!
(S. 937)
_____


Nun legt die scheidende Sommernacht

Nun legt die scheidende Sommernacht
Thauperlen Dir zu Füßen,
Mit tausend Rosenaugen erwacht
Der Tag um Dich zu grüßen.

Nun such' ich ein Lied vom Lenz beschwingt
O Holde zu Deinem Preise,
Doch siehe durch all meine Seele klingt
Die alte, die ewige Weise:

Du wandelst im Grün, so segn' ich das Thal,
Das schimmernd Dich umkränzet,
Du wandelst im Licht, so segn' ich den Strahl,
Der Dir zu Häupten erglänzet.

Mein Lied hat einen Klang nur und Hauch,
Den einen: der Himmel behüte
Den Thau des Morgens, die Rosen am Strauch,
Und Dich, Du duftige Blüthe!
(S. 937)
_____


Seit ich Dich liebe ward das Leben leer

Seit ich Dich liebe ward das Leben leer
Und starrt gleich einer Wüste um mich her.

Des Nachts den Schlaf mir scheucht, Dein Angesicht,
Verhüllt mir Tages Gottes Sonnenlicht.

Am Brunnen sitz ich tiefer stummer Qual
Und trinke stündlich von dem bittern Strahl.

In einen Abgrund schaue ich hinein,
So hohl, so lichtlos: niemals wirst Du mein!

Doch ob ich Raum und Zeit und Ziel verlor
Durch Dich allein, ich seh' zu Dir empor.

So schaut der Pilger, der im Sand versinkt
Zum letzten Stern, der ob der Wüste blinkt!
(S. 937)
_____

Aus: Fünfzig Jahre Deutscher Dichtung
Mit biographisch-kritischen Einleitungen
herausgegeben von Adolf Stern
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ed. Wartig 1877



 

zurück zur Übersicht

zurück zur Startseite