Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Julius LeBlanc Stewart (1855-1919)
Das Blumenmädchen
 



Titus Ulrich
(1813-1891)


Zwei Ständchen

I.  Zur Nacht

Die Erde hing am flammenden Munde,
Da rot die Glut erlosch am Himmelszelt:
Zum stillen Garten wird die weite Welt
In dieser heiligen, heiligen Stunde!

Die Lenznacht sinkt zum blühenden Grunde
Und legt mir ihre volle, warme Brust
Ans Herze lind - und träufelt Balsamlust
Auch in der Rose brennende Wunde.

Die ernsten Bäume all' in der Runde,
Sie haben schwarz verhüllt ihr Angesicht
Und daß die Blumen uns verraten nicht,
Wir brechen keine zum Liebesbunde!

Vernimmst Du des Lenzes wonnigste Kunde?
Die Nachtigall tönt lautre Seligkeit!
O säume nicht in dieser goldnen Zeit:
Komm bald! Jetzt, jetzt ist die rechte Stunde!
(S. 795-796)
_____


II. Zur Frühe

Du schlummerst noch immer!
Und schon in Dein Zimmer
Durch wehende Ranken
Kommt goldener Schimmer
Und gaukelt auf Deiner weißen Brust -
Ein flatternder Falter
In neckischer Lust.

O selig! Es tauchet um diese Stund'
Die Frühe in nackter Schönheit wieder
Ins Bad der Maiendüfte nieder!
Wie aus perlenfunkelndem Meeresgrund
Lockt es aus Thalen und Tiefen rund
Und Märchenschlösser
Sind alle Höh'n -
Kaum kannst Du träumen
So schön, so schön!

Wach' auf! Laß ziehn uns über die Matten,
Eh' herauf die dämmernde Wolke weht,
Eh' wieder ein alter, böser Schatten
Trüb' über meine Seele geht!
(S. 796)
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Die Fensterscheibe

Die Fenster klär' ich zum Feiertag,
Daß sich die Sonne drin spiegeln mag
Und klär' und denke gar mancherlei:
Da geht er stolz vorbei!

So sehr muß ich da erschrocken sein,
Daß ich gleich in die Scheiben brach hinein
Und gleich kam auch das Blut gerannt
Rot über meine Hand.

Und mag sie auch bluten, meine Hand
Und mag mich auch schmerzen der böse Brand -
Hast einen Blick doch heraufgeschickt,
Als laut das Glas geknickt.

Und in die Augen Dir hab' ich gesehn,
Ach Gott, wie lang' ist's nicht geschehn!
Hast mich ja nicht einmal angeblickt,
Als leis' mein Herz geknickt!
(S. 797)
_____


Liebesstationen

Am kühlen Brunnen, -
Wie springt und blinkt der Wasserstrahl!
Da sah ich ihn zum ersten Mal,
Er trank erschöpft vom Wanderzuge
Aus meinem Kruge.

Unter der Linde, -
Just singt ein Vöglein drauf, so recht,
So lustig, daß ich weinen möcht', -
Da haben wir wie oft gesessen
Und viel vergessen!

Auf stillem Wege, -
Er führt hinaus ins grüne Feld
Und ach, hinaus in alle Welt -
Da gingen wir so manche Stunden
Wie längst verbunden!

Und bis zur Brücke, -
Da gab ich das Geleit ihm noch,
Geschieden sein ja mußt' es doch:
Die Brücke trieb im Strome nieder -
Wann kommt er wieder?
(S. 797-798)
_____

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887



 

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