Eugenie de Blaas (1843-1932)
Perlenschmuck |
Heinrich von Kügelgen
(1836-1860)
In der Kirche
Ich kann von ihr nicht wenden
Den sehnsuchtsvollen Blick,
Er kehrt fast unwillkürlich
Wieder zu ihr zurück.
Es brummt die alte Orgel,
Es tönet der Gesang,
Und nun erschallt die Predigt
So rührend und so lang.
Wohl malt sich fromme Andacht
Auf manchem Angesicht;
Auch mancher sitzt und schlummert
Und hört die Predigt nicht.
Ich schau' nach jener Seite
Hinüber unverwandt:
Dort sitzt sie, wie ein Engel,
Ihr Büchlein in der Hand.
Wohl fleht sie um Vergebung
Und ist doch fromm und gut!
Mir wird dabei so eigen,
So andachtsvoll zu Muth.
Und unwillkürlich beuge
Auch ich das stolze Knie
Und fleh', daß Gott mich mache
So fromm und gut, wie sie!
(S. 274)
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Die Tabakspfeife des alten Junggesellen
O die Mädchen, o die bösen!
Billig sollte ich sie hassen!
Ob sie gleich so hold gewesen,
Haben sie mich doch verlassen.
Ihre Küsse, ihre Blicke
Und die Kurzweil, die sie trieben -
Alles war nur Trug und Tücke,
Einsam bin ich nachgeblieben.
Leicht ist aufgelöst ihr Lieben
Wie die bunte Busenschleife. -
Du nur bist mir treu geblieben,
Meine alte Tabakspfeife.
Ja, du hast mich nicht verlassen,
Ob daheim, ob auf der Reise;
Laß mich liebend dich umfassen,
Küsse mich nach alter Weise!
Ja, dein Kuß, der feurig milde,
Scheucht die Grillen, zähmt die Schmerzen,
Und die Leidenschaft, die wilde,
Ist verraucht in meinem Herzen.
Und die Welt, die mich betrogen,
Jene Welt voll Gram und Sorgen,
Hast du meinem Blick entzogen
Und im Wolkenmeer verborgen.
Leichte, liebliche, Gestalten
Scheinen durch den Rauch zu gleiten:
Bilder, ach, aus jenen alten,
Längst vergangne, schönen Zeiten!
(S. 275)
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Aus: Das Baltische Dichterbuch
Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895
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