Henry Inman (1801-1846)
Frauen-Porträt |
Johann August Mettlerkamp
(1810-1859)
Ständchen
Tönet leise, süße Lieder,
Die mein Liebchen ihr begrüßt,
Wie der Abendthau hernieder
Auf erblühte Rosen fließt.
Zitternd auf melod'scher Welle
Säuselt durch die stille Luft;
Webt um Liebchens Schlummerstelle
Wie mit zartem Blütenduft.
Schwebt gleich gold'nen Kindesträumen
Lieblich gaukelnd ihr um's Haupt,
Daß sie unter Lebensbäumen
Sich im Himmelsgarten glaubt.
Und, wie Weste kosend fächeln
Um der Blumen Königin,
Haucht ihr dann ein huldreich Lächeln
Auf der Wangen Rosen hin!
Doch, o Lieder, sagt ihr nimmer,
Wer sie einsam trauernd liebt,
Daß kein Weh den Friedensschimmer
Ihrer heitern Seele trübt!
Zu verherrlichen die Schöne,
Tönet, Hafis Liedern gleich,
Und verhallt, wenn eure Töne
Schweifen in der Schwermuth Reich!
Aus: Das Baltische Dichterbuch
Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895 (S. 287)
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Entsagung
Einsam zog ich meines Weges
Mit ergeb'nem, stillem Sinn
Durch des Lebens ewig reges
Wechselvolles Treiben hin.
Meine Jugend war geschieden,
Meine Liebe hin und todt;
Und ich nahm, in Gott zufrieden,
Was die Welt mir kärglich bot.
Sieh'! da kam auf dunklen Wegen
Eine freundliche Gestalt,
Mir ein Mädchen fromm entgegen,
Fesselnd mich mit Allgewalt.
Wie im Herbst oft neue Blüthe
Dringt hervor an rauhem Zweig,
Sproß empor mir im Gemüthe
Neue Liebe, zaubergleich.
Herbstesblüthe! hoff'st vergebens!
Nimmer reifest Du zur Frucht!
Ach, nicht zweimal ruht des Lebens
Kahn in sel'ger Liebe Bucht!
Nicht zu meinem düstern Wesen
Paßt des Mädchens heller Blick,
D'rin so leuchtend ist zu lesen
Jugend, Freud' und Hoffnungsglück!
Freundlich, Mädchen, ziehe weiter,
Und auch ich folg' dem Geschick,
Stille Trauer mein Begleiter,
Und der Deine Liebesglück!
Uns're Wege sind geschieden,
Meiner dunkel, Deiner licht! ...
Herz, mein Herz, gieb dich zufrieden,
Bis im Sturm der Tod dich bricht!
Aus: Literarisches Taschenbuch der Deutschen in Rußland
Herausgegeben von Jegor von Sivers
Riga Verlag von N. Kymmel 1858 (S. 158-159)
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Minnegruß
Durch des Waldes Dämmerräume
Blinkt des Feuerkäfers Glüh'n,
Hell, wie durch des Dichters Träume
Leuchtende Gebilde zieh'n.
Tief im weichen Ufermoose
Pflegt das Veilchen süßer Ruh';
Flüsternd raunt des Quells Gekose
Ihm manch heimlich Wörtchen zu.
Und, umhüpft von Wellenschäumen,
Schwankt das Veilchen hin und her,
Wie ein Mägdlein, dem vom Träumen
Wonn'ger Lieb' das Köpfchen schwer.
Du mein Liebchen, hold und minnig,
Mir so nah und doch so weit!
Dein gedenk' ich sehnsuchtinnig
In der tiefen Einsamkeit.
Wenn auch träum'risch schon zum süßen
Schlummer sich dein Auge schließt;
Soll mein Lied im Traum dich grüßen,
Wie der Quell das Veilchen grüßt.
Aus: Deutsche Dichter in Rußland
Studien zur Literaturgeschichte
Von Jegor von Sivers
Berlin Verlag von E. H. Schroeder 1855 (S. 430-431)
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Ghasel
Sie liebet mich! läßt sich's in Worte bringen? sie liebet mich!
Es wiegt das Leben mich auf gold'nen Schwingen; sie liebet mich!
Hell ist mein Blick, zerronnen sind wie Nebel am Morgenstrahl
Die feuchten Schleier, die um's Aug' mir hingen; sie liebet mich!
Des Hains melodisch Säuseln flüstern heimlich das süße Wort,
Die Ros' erzählt's den bunten Schmetterlingen: sie liebet mich!
Es schreibt's der Thau mit hellen Silberlettern auf jedes Blatt,
Von dem's die Vögel laut und freudig singen: sie liebet mich!
O könnt' ich doch den funkelnd gold'nen Reigen des Sternenheers,
In meinen Jubel einzustimmen, zwingen: sie liebet mich!
Wär' ich ein Dichter, um der Sprache Farbe und Melodie
Für meiner Seele Ausdruck abzuringen: sie liebet mich!
Doch fruchtlos bleibt mein Mühen und mein Trachten! es will mir nichts,
Als nur das eine arme Wort gelingen: sie liebet mich!
Aus: Deutsche Dichter in Rußland
Studien zur Literaturgeschichte
Von Jegor von Sivers
Berlin Verlag von E. H. Schroeder 1855 (S. 431-432)
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Frühlingstrauer
Frühling regt die sonn'gen Schwingen -
Winter bleibt's in meiner Brust!
Ach, in meine Seele dringen
Nicht die Klänge froher Lust!
Stand ein Stern am Himmelsbogen
Ueber meines Hauses Dach.
Doch nun ist er fortgezogen
Und ich seufz' ihm ewig nach.
Meiner Liebe Stern! verglommen
Ist dein stillbeglückend Licht,
Und des Frühlings Blumen frommen
Ohne deinen Glanz mir nicht!
Vöglein in den Blüthenhecken,
Sag', was singst so laut denn du?
Kannst ja doch mein Lieb nicht wecken,
Aus der tiefen Grabesruh'!
Schwing' dich über Thal und Hügel
Hin zu ihrer moos'gen Gruft,
Trag' ihr auf dem weichen Flügel
Meine Klage durch die Luft.
Sag' ihr, daß im weiten Raume
Der erwachten Frühlingswelt
Meines Lebens jungem Baume
Bald das letzte Blatt entfällt.
Aus: Deutsche Dichter in Rußland
Studien zur Literaturgeschichte
Von Jegor von Sivers
Berlin Verlag von E. H. Schroeder 1855 (S. 432-433)
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