Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Lovis Corinth (1858-1925)
Innocentia



Roman Freiherr von Budberg-Benninghausen
(1816-1858)


Offenes Geheimniß

Er saß am lustig raschen Quell.
Ihm war so fröhlich,
Ihm war so selig,
Und doch so weh' zu Sinn;
Er träumte vor sich hin.
"Du mürrischer Geselle
Nicht so betrübt,
Du bist verliebt!"
So ruft die munt're Welle;
"Nicht paßt zu süßer Minne Glück
Solch' trüber Blick!"

Er ging im grünen Buchenwald.
Doch wie er gehet,
Und wie er stehet,
So hört' er, als er lauschet,
Wie's in den Wipfeln rauschet:
"Ei, laß das stumme Klagen,
Du liebst sie sehr,
Du liebst sie mehr,
Als alle Worte sagen.
Doch Lieb' ist immer ohne Ruh'!
Nur zu, nur zu!"

Da sieht er eine Rose steh'n.
Er will sich bücken,
Sie schnell zu pflücken;
Doch wie er's Röslein bricht,
Es leise zu ihm spricht:
"Du lieber, lieber Knabe,
Ach bitte, bitt',
So nimm mich mit
Für sie zur Liebesgabe,
Der sich dein treues Herz geweiht
Schon lange Zeit.

Und wie er voll Verwunderung,
So ganz verdrossen,
Schamübergossen,
Noch auf die Rose schaut,
Wird's in den Zweigen laut:
"So bringst du deine Lieder
Und deinen Sang,
Der hell erklang
Im Wald, uns nimmer wieder?
Die Lieb' giebt Lieder, unbewußt
Aus trunk'ner Brust!"

Da wird das Treiben ihm zu arg.
"O dies Frohlocken!"
Ruft er erschrocken,
"Wie hat sie's angestellt,
Daß sie es weiß, die Welt?
Was ich nicht wagt' zu nennen,
Was still und tief
Im Herzen schlief,
Sie wird es rings bekennen,
Und hab' ich doch mit keinem Laut
Mein Herz vertraut!"
(S. 482-483)
_____


Die arme Marie

Der Mond blickt ernst hernieder,
Vom Himmel, rein und klar,
Und hüllt in Leichentücher
Der Gräber stille Schaar;
Doch all' die schwarzen Kreuze
Versilbert milder Glanz,
Und schmückt mit hellen Blättern
Manch' längst verdorrten Kranz.

Ja Frieden rings auf Erden
Und Frieden überall;
Nur drüben, an dem Bache
Klagt eine Nachtigall,
Und mahnt mit ihrem Liede
Uns bang' und ahnungsschwer,
Wie nah' die Welt der Schmerzen
Dem Ort des Friedens wär'!

Und horch! durch nächt'ge Stille
Knarrt jetzt des Friedhofs Thor,
Es tritt mit leisem Schritte
Ein bleiches Weib hervor,
Und naht, rings in die Runde
Den scheuen Blick gewandt,
Ein Rosenstock erzittert
In ihrer bangen Hand.

Fast bei des Friedhofs Mauer,
Im dunkelsten Gebüsch,
Da prangt ein Grabeshügel,
Mit Rasen, jung und frisch;
Und vor ihm kniet Maria,
Das Antlitz still und bleich,
Sie, die so reich an Liebe,
Doch auch an Schmerzen reich.

"Nur bei des Abends Stille,
Nur in der dunk'len Nacht,
Da darf ich zu dir schleichen,
Mein Wilhelm, bang' und sacht!
Da darf ich Worte geben
Der nie geahnten Qual,
Da darf ich Thränen weinen,
Ach, ohne Maaß und Zahl!

Sie haben mein gespottet,
Als dich der Tod mir nahm,
Und konnten ihn verhöhnen
Der Liebe heil'gen Gram!
Sie weisen mit den Fingern
Und fragen höhnisch laut:
Was weint die tolle Dirne?
War sie ihm Schwester, Braut?

O, wär' ich deine Schwester!
O, wär' ich deine Braut!
O, wär' ich dir vor Menschen
Als Gattin angetraut:
Man hätte mich verstanden,
Wer wagte, mich zu schmäh'n?
Und Keiner dürfte spotten,
Wer weinend mich geseh'n!

Ich aber, Wilhelm, habe,
Ich hab' dich - nur geliebt!
Das ist's, was mir zu Thränen
Kein gültig Recht noch giebt! -
Das ist's, warum sie spotten,
Was nie die Welt vergiebt,
Daß ich aus ganzer Seele
Dich, Wilhelm, nur geliebt!" -

Drauf pflanzt sie unter Thränen
Auf's Grab den Rosenstrauch,
Und spricht: "Bist du gestorben,
Dann bin ich's endlich auch,
Doch will ich deiner warten
Gar treulich bis dahin,
Mit Thränen dich begrüßen,
In Schmerzen dich erzieh'n.

Und wenn der jungen Blätter
Erfrischend Grün dich schmückt,
Dann ist's sein Gruß, den liebend
Der Freund mir zugeschickt;
Und wenn die schlanken Zweige
Im Schmuck der Rosen steh'n,
Sind's deiner Liebe Küsse,
Die heiß herüberweh'n!"
(S. 483-486)
_____


Roth und bleich

Das Mädchen kam von dem Geliebten,
Und ihre Hände waren roth;
Die Mutter sprach zu der Betrübten:
"Warum sind deine Hände roth?"

""Ich wollt' euch junge Rosen lesen
Dort an der grünen Gartenwand,
Und diese sind so bös' gewesen,
Und stachen tief mich in die Hand.""

Und wieder kommt sie heimgegangen,
Und ihre Wangen waren roth;
Die Mutter fragt sie voller Bangen:
"Warum sind deine Wangen roth?"

Da spricht sie leise mit Erröthen,
Das Köpfchen in die Hand gestützt:
""Ich half dem Gärtner draußen jäten,
Und hab' dabei mich so erhitzt.""

Und wieder kehret sie zurücke
Und ihre Lippen waren roth;
Die Mutter fragt mit strengem Blicke:
"Warum sind deine Lippen roth?"

Da läßt sie mehr das Köpfchen sinken,
Und flüstert, ohne aufzuseh'n:
""Fürwahr der süßen Kirschen Winken
Konnt' ich nicht länger widersteh'n.""

Doch einstmals kommt sie heimgeschlichen,
Die Hände kalt, das Auge naß,
Der Wange Gluth zu Schnee erblichen,
Die rothen Lippen todesblaß;

Da ruft die Mutter mit Erbeben:
"Mein Kind! mein Kind! du bist so bleich!"
""Ich will euch wahre Antwort geben:
Er brach mir Treu und Herz zugleich!""
(S. 491-492)
_____

Aus: Literarisches Taschenbuch der Deutschen in Rußland
Herausgegeben von Jegor von Sivers
Riga Verlag von N. Kymmel 1858



 

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