Thomas Couture (1815-1879)
Frauen-Kopf |
Alexander Wilhelm von Reding
(gest. 1853)
Der Lauschende am Fenster
Auf und ab geht sie im Garten
In des Sturmes lautem Schmettern,
Bald in Nähe, bald in Ferne,
Mit dem Schwarm von gold'nen Blättern,
Die der Herbst wildjauchzend sendet,
Ihr mit rauher Huld'gung spendet.
Sinnend kommt sie jetzt gegangen,
Mit den Füßchen vor sich wühlend
In dem rings verstreuten Laube,
Das nun schmeichelnd, scherzend, spielend.
Sturmesspielzeug, hochgetrieben
Flattert um das Haupt der Lieben.
Doch das Mädchen, tief in Träumen,
Achtet nicht des Herbstes Schauer.
Tief gesenkt das blonde Köpfchen,
Und im Antlitz stille Trauer
Geht sie sinnend auf und nieder
Wie verloren hin und wieder.
Ach, mit ihrem Geh'n und Kommen
Hält mein Herz die gleichen Schritte:
Steht sie, möcht' es pochend springen,
Leid' ich, was ich nie erlitte;
Geht sie, legen sich die Gluten,
Gleich des Meeres Wechselfluten.
Was bekümmert nur die Kleine,
Möcht' es gar zu gerne wissen;
Möchte ihr die bleiche Wange,
Die umwölkte Stirne küssen;
Was sie immerhin betrübe,
Wüßte sie, wie ich sie liebe!
Wieder naht sie, wieder, wieder,
Hat den Gang hinauf beendet,
Und ihr stilles bleiches Antlitz
Unbewußt mir zugewendet -
Espenblatt in Sturmesschlägen
Zittert ihr mein Herz entgegen.
(S. 636-638)
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Huldigung
So wie der Blitz die Nacht erhellet
Mit gold'ner Glut, du Wunderbild!
Hat deine blendende Erscheinung
Mein dunkles Leben lichterfüllt.
Wie wenn zur Nacht durch Wetterwolken
Der Stern der Liebe Bahn sich bricht,
So bist du mir in Huld erschienen,
Ein mild, versöhnend Hoffnungslicht.
So hold geschaffen schon erschienst du,
Ein liebverklärter Frühlingstag -
Daß all' mein Dichten stummbetroffen
Vor deiner Lieblichkeit erlag.
Ja, du an Anmuth unnachahmlich,
An Schönheit nur dir selber gleich:
Die Sonne leih' von deinen Blicken!
Durch dich fühl' sich die Schöpfung reich!
Du bist kein Erdenkind, dem Himmel
Entwand dich dieser Erde Schmerz;
Du kamst, den Himmel selbst umschließend,
Ein Liebessegen erdenwärts.
(S. 638-639)
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Weh
Stern meiner Lust, seit du nicht mehr,
Ist Alles mir so öd', so leer,
Bin ich jedweder Freude blos,
Irr' ich auf Erden heimathlos.
In meiner trüben Seelennacht
Ist nichts, was mir entgegenlacht;
Dünkt Alles mich ohn' Seel und Sinn,
Was ihm Bedeutung gab, ging hin.
So oft mich's trauervoll umzieht,
So oft wird draus ein traurig Lied,
Das sing' ich denn voll Herzensweh,
Wie ich so trüb, so düster steh':
Das sing' ich denn voll Weh, voll Gram,
Wie's mich so wehvoll überkam -
Doch, was ich sing', - es singt sich nicht
Der Schmerz, der unaussprechbar spricht.
(S. 639)
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Aus: Deutsche Dichter in Rußland
Studien zur Literaturgeschichte
Von Jegor von Sivers
Berlin Verlag von E. H. Schroeder 1855
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