Charles Amable Lenoir
(1860-1926)
Die Mandoline |
Peter Nikolai von Wilm
(1834-1911)
Der weißen Rose gleichen -
Der weißen Rose gleichen meine Lieder,
Erblüht an fremden, einsam stillem Ort;
Oft schlägt der Sturm ihr Haupt zur Erde nieder,
Doch blüht sie jetzt im Dunkeln fort und fort.
Dem Mond, dem sanften, gleichen meine Lieder,
Der nächtlich wandelt durch den Sternenkranz;
Oft von der Wolken schattigem Gefieder
Verdunkelt, bleibt ihm doch sein alter Glanz.
Der Meereswoge gleichen meine Lieder,
Die brausend sich am steilen Felsen bricht;
Stets abgestoßen kehrt sie immer wieder,
Und rauscht - und schweigt selbst im Tode nicht!
(S. 275)
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Gleich wie die Epheuranke -
Gleich wie die Epheuranke
Sich schlängelt um den Baum,
Durchzittert ein Gedanke
Mich wachend und im Traum.
Sanft wie der Engelspsalter
Den Seligen erklingt,
So leis' als sich der Falter
Von Ros' zu Rose schwingt,
Empfind' ich seiner Nähe
Beglückende Gewalt
Und alles Leid und Wehe
Im Wonnetraum verhallt!
O räthelhaftes Weben!
O freundlich hehre Macht!
Welch' armes Menschenleben
Hat Deinen Sinn durchdacht?
Du klingst durch alle Zeiten
Durch alle Herzen fort
Durch alle Himmelsweiten
Ein kleines, tiefes Wort!
(S. 275-276)
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Aus: Literarisches Taschenbuch der Deutschen in Rußland
Herausgegeben von Jegor von Sivers
Riga Verlag von N. Kymmel 1858
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