Romantischer Garten

unbekannte bzw. vergessene
deutsche Dichter und Dichterinnen des 19. Jh.s
 


Virginia Richmond Reynolds (1866-1903)
 Bessie Moore



M. Solitaire
(Ps. von Woldemar Nürnberger)
(1818-1869)

Vom Berg am Abend

Daß Dir stille Sehnsucht folge, wie die Schleier Dich umwehen,
Geisterartig, unbeachtet, Lockenmädchen, laß geschehen.
Ferne Du im Abendlichte, meine süße Augenweide,
Solchen milden Hang der Seele von dem Sohn der Wüste leide.
Die Cypresse zu der Quelle senket nieder ihre Zweige:
Also, Du Gebenedeite, dem bescheid'nen Wunsch Dich neige.
An den Quellen Deiner Augen, an den Bächen Deines Traumes
Laß mich still gebeuget stehen, gleich dem Stamm des Trauerbaumes.
(S. 755)

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O laß doch alles gehen wie es mag

O laß doch alles gehen wie es mag
Und laß doch alles geh'n zu jeder Stunde,
Wenn nur erst die, die Dir im Herzen lag,
Auch liebespendend hangt an Deinem Munde.

Wenn nur erst die, die Dir Dein Traum gebar,
Sich sinnlich, körperlich vor Dir gestaltet
Und das, was Dir bis jetzt ein Wunder war,
Zur schönen Wirklichkeit sich hold entfaltet.
(S. 756)
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Ich küßte Dich, Du hattest nichts dawider

Ich küßte Dich, Du hattest nichts dawider,
Dein süßer Mund sah mich so lieblich an,
Am Rosenstamm sankst neben mir Du nieder,
Ich denk' so oft, so oft daran.
Wie seh' ich Dich und wann Dich wieder?
Ich wandle einsam meine ferne Bahn,
Das öde Leben macht mich müd' und müder,
Sag'! Blüht's am holden Rosenstamm schon wieder?
Da küßt' ich Dich, o, ich denk' oft daran!
Die Zeit verfliegt, bald drückt das Alter nieder,
Dann schäumt nicht Glut des Weins mehr, nicht der Lieder,
Dann zieht's nicht mehr am Rosenstamm uns nieder!
Ich küßte Dich, Du hattest nichts dawider.
(S. 756)
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Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887



 

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