Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Josef von Hammer-Purgstall 1818)


 

2. Bahr Reml mossemen

Ischk ender fasl u ilm u defter u evrak nist

Lieb' ist nicht in Schrift und Buchkram, Lieb' ist nicht im Tugendschatz;
Was das Volk auch fabeln mag, dieß Alles ist doch Liebe nicht.

Nur im ew'gen Grün gedeiht Fruchtast der Lieb' mit Segnungen.
Dieser Baum stützt sich auf Pleias, Himmel und Milchstraßen nicht.

Abgesetzt bleibt uns Vernunft, und nur Begier gibt uns Gesetz.
Solche Höh' ziemt nicht Vernunft, dir solche Eigenschaften nicht.

So lang' du bist Liebender, so lange wohnt dir Sehnsucht bey.
Umgekehrt wenn du geliebt bist, ist auch Sehnsucht weiter nicht.

Schiffer flehn voll Sorgen, so lang' Bretter Zuflucht ihnen sind.
Aber wenn Schiffmann nicht ist, ist Untergang weiter nicht.

Schems Tebrisi ha! Das Meer bist du, die Perle auch bist du.
Durchaus daher blos Geheimniß ist in dir und Andres nicht.
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Chuischra tschun chari didem sui gül bi girichtem

Als ich Dorn mich sah, zum Rosenbusch ich Zuflucht nahm in Eile,
Als ich sauer mich sah, mit Kandelzucker schnell ich mich vermischt'.

Als ich Topf voll Gift mich sah, schnell zum Teriak daher ich kam.
Als ich Weinschenk Hefen sah, Unsterblichkeitsquell darein ich goß.

Als ich blind am Aug' mich sah, an Jesus Hand anlegt' ich schnell.
Als ich ganz unreif mich sah, an reife Frucht hielt ich mich fest.

Liebesstaub ward Augenschminke mir für Geist und Seele gleich.
Haare riß ich aus, es that
Surme* das Haar ausreißend Dienst':

Wind bin ich, du Feuer; Wind hat Feuer lichtloh angefacht.

* Surme heißt die Augenschminke sowohl, als das Mittel,
dessen man sich in Bädern bedient, die Haare wegzubeitzen.

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Newbehara dschani maji dschihanra tase kun

Frühling bist du Seele mein, du erneu' nun diese Welt,
Wiesen frisch' nun wieder auf, Lufthaine mach' mit Rosen neu.

Rosen sind voll Schönheit und der Vogel weiß nun Lieder schön.
Ohne Ostwind ist die Luft todt, mach' den Ostwind wieder neu.

Die Cypreß und Lilie streckt nun voll von Freyheit aus die Zunge.
Hyacinth mit Tulpen kos't nun, Treue mach' du wieder neu.

Die Platan' schlägt Paucken und die Pinie schlägt mit Händen Takt.
Turteltaub' girrt süßes Lied, mach' Attar's  Gedicht mir wieder neu.

Sieh wie Rosensträuche aufstehn und wie Veilchenbusch sich neigt.
Rebenlaub fällt ganz zur Erde, mach' Gebeth nun wieder neu.
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Rose wünscht sich Nichts als Ruhstand; schlecht gesinnt wünscht Dorn nur Krieg.
Stehe auf, Amik! Und Asra's Zeiten mach' du wieder neu.

Donnerwort schallt, Wolken gießen Moschus auf die Erde aus.
Rosenhain wasch' dirs Gesicht, wasch' Fuß und Kopf, mach' Alles neu.

Heimlich kommt Narziß zum Bülbül, sendet heimlich süßen Blick.
Mastix mach' durch ausgepichte Flöten Lieb' und Tonkunst neu!

Grüne Flur, Chisers Kleid, sie spricht laut: Stehe früh im Frühling auf!
Blumen gleich mach' jetzt der Heiligen Geheimniß wieder neu.

Dieses Dreyblatt, diese Lilie, und Jasmin sie sprechen all:
Sieh im Stillseyn Alchymie, mach' Alchymie nun wieder neu.

* Die Rosen machen Kiam, die Veilchen Ru kaat, die Weinblätter Sudschud;
das sind die drey Akte des Stehens, Verbeugens und
Niederwerferns bey jedesmahligem Gebethe.
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