Maulana Dschelaleddin

Rumi

(1207-1273)

(in der Übersetzung von Josef von Hammer-Purgstall 1818)


Aus dem Buchstaben Ja

Bas dschun gül sui gülschen mirewi

Die Rose wiederkehrt in's Rosenbeet, du gehst,
Ich bin bey dir und wenn auch ohne mich du gehst.

Mit hundert Zungen sprechen Lilien dein Lob;
Schön ist's, mein Rosenflor, dass du zu Lilien gehst,

Du theilest aus den Weinrubin an Trunk'ne,
Schön ist es, dass du Wein zu spenden fröhlich gehst.

Wie Sterne sind versammelt in dem Haus die Schönen,
Indeß du wie der Mond in ihrer Mitte gehst.

Weil du gesonnen bist Palläste zu verbrennen,
Mit einem Herzen hart wie Stein und Stahl du gehst.

O meine Sonn'! ich tanz' vor dir wie Sonnenstäubchen,
So oft du meinethalben an das Fenster gehst.

Damit dich Schemseddin als Augenschminke nehme,
Du gern, o Herz, hin zu des Mörsers Keule gehst.
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Ëi behar sebs u ter schad amedi


O Lenz bist grün und frisch und froh gekommen!
O Silberbusigter bist froh gekommen!

Hast Aufruhr in den Seelen angefacht,
O Seelenleben du bist froh gekommen!

Du wirfst in das Gehirn von Mann und Weib
Viel tausend Schelmerey'n, bist froh gekommen!

Des Busens Silber machte mich goldgelb,
Als Gold- und Silberunheil bist gekommen!

O setz' den Fuß im Finst'ren auf die Sonne,
Als Mond und Sonne bist du froh gekommen!

Es sagt' nun der Rubin: Aus deinem Schacht
Bist du zu Berg und Flur nun froh gekommen!

Von deinem Antlitz ist, o Schems Tebrisi,
Berauscht die Welt, weil du so froh gekommen!
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Tu nakschi nakschbendanra tschi dani

Was weißt vom Mahler du, Gemähld',
Und von der Seele Form?
Was weißt du?

Du hörest von Wahrsagerey,
Doch vom Geheimnisse,
Was weißt du?

Du kennest den Unglauben nicht,
Von wahrer Glaubenslehr',
Was weißt du?

Sitz, nicht mit Dornen in dem Fuß,
Von grünem Gartenflor,
Was weißt du?

Den Regen schätzt der grüne Baum,
Vom Regen, Trockener,
Was weißt du?

Du sprachest zwar von Dem und Dem,
Doch vom Vergangenen,
Was weißt du?

Welch wunderseltene Gestalt!
Von ihrer Eigenschaft,
Was weißt du?

Versenkt in Seelengruben schweig,
Vom Grübchen jenes Kinns,
Was weißt du?

Wie Raben fliegst du auf dem Markt,
Vom Zelte des Sultan's,
Was weißt du?

Das Daseyn gab ein Tropfe dir,
Vom Weltenmond, o Tropf!
Was weißt du?

Ein Wächter ist gesetzt dem Thier,
Von deinem Wächter, Thier!
Was weißt du?
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Bidscheh si dschihan ta schehi dschihan baschi

Verzichte auf die Welt, daß Herr der Welt du seyest,
Gib auf das Zuckerwerk, daß Zuckerwerk du seyest.

Spring' wie ein Sternenfunke, der vom Himmel fällt,
Spring über Sterne weg, daß Weltenpol du seyest.

Geht Noe in die Arch', so sey die Arche du
Bey Jesus Himmelfahrt, daß du die Leiter seyest.

Daß du, wie Jesus, bald der Arzt der Seelen seyest,
Daß du wie Moses bald der Hirt der Seelen seyest.

Um dich zu kochen, ist das Feuer tief versteckt,
Wenn du es fliehst, gib Acht, daß dann du roh nicht seyest.

Du fliehst vom Feuer zwar und wirst dennoch gekocht,
Daß du alsdann wie Brot der Herr des Tisches seyest.

Es suchen dich alsdann die Brüder all' wie Brot,
Daß du wie Brot der Seelen Hülf' und Mittel seyest.

Wiewohl ein Schacht des Grams sey Mittel der Geduld,
Daß du, wie wohl gebrechlich, auserwählet seyest.

Ich sagte dieß, da kam vom Himmel mir ein Ruf:
Wenn du ein solcher bist, daß du ein And'rer seyest.

Der Mund ward dir gegeben um das Lob zu singen,
Nicht daß du leichten Sinns ein Weiberredner seyest.
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Ger schems u kamer chuahi inek schems u kamer bari

Wenn du Mond und Sonne willst,
Sieh da Mond und Sonne.

Wenn du Früh und Abend willst,
Sieh da Früh und Abend.

O du Jussuf Kanaans!
Seele Salomonis!

Wenn du Kron' und Gürtel willst,
Sieh da Kron' und Gürtel.

O du Hamsa
* jedes Kampfs!
O Rustem der Schlachten!

Wenn du Schild und Degen willst,
Sieh da Schild und Degen.

Nachtigall, die umherstreift,
Papagey, der koset.

Wenn du Zuckerkandel willst,
Sieh da Zuckerkandel.

Feind der Weisheit und Vernunft,
der Verliebte tödtet,

Willst du Alles umgekehrt,
Sieh da Alles umgekehrt.

Seele, die Verklärung sucht
Wie am Berge Moses.

Wenn du Ohr und Auge willst,
Sieh da Ohr und Auge.

O du ränkevoller Diw,
O du alter Haßer!

Wenn du böse Unruh willst,
Sieh da böse Unruh.

Schweig und rede nicht so viel,
Gehe auf die Reise!

Willst du einen Reisefreund,
Sieh' ihn da der reiset.

Sohn der Wahrheit, Schemseddin,
Wenn für deine Schönheit

Eine kranke Seel' du willst,
Sieh' da kranke Seele.

* Hamsa ist der Held des Islams, wie Rustem der Held der alten
persischen Geschichte vor dem Islam.

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Hemrengi dschemaat schew ta leseti dschan bini

O halt dich zur Gemein'
*, daß Seelenlust du schauest,
In Schenken komm, daß du der Trunk'nen Zustand schauest,

Leer aus das Glas, daß du dich rein von Schmähung waschest
Und mit verbundnem Auge das Geheimste schauest.

Thu' deine Hände auf, die Schminke zu empfangen,
Zerbrich das Bild aus Staub, daß du die Götter schauest.

Was mühst du dich so sehr ein altes Weib zu freyen,
Wozu die Waffen, daß ein wenig Brot du schauest.

Den Schenken sieh' im Kreis, von dem du fern dich haltest,
O setz' dich in den Kreis, daß du den Reigen schauest.

Ein guter Tausch! Gib zehen Seelen und nimm hundert,
Acht' nicht des Wolfs, des Hunds, daß du den Hirten schauest.

Iß nicht in dieser Nacht, wo dich der Freund gescholten,
Verschließ den Mund, daß du die Gier des Mundes schauest.

Gedenke nur auf Gott, den Schöpfer aller Dinge,
Weit besser ist's, als daß du Brotgedanken schauest.

Klag' nicht es sey die weite Erde ein Gefängniß,
Denk' nicht so viel daran, daß du einst Eden schauest.

* Wörtlich: Nimm die Farbe der Gemeinde an.

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Egeret murad ki nemiri we bimani

Wenn du nicht sterben, sondern bleiben willst,
So mache von der Welt dich los mit Müh'.

Verzicht auf Leib' und Seel' und Herz und bau' nicht,
Alsdann gelangst zu Gottes Eigenschaften.

Verzicht' auf Glaub', Unglauben, Lieb' und Haß,
Verzichte auf die Zeit, du bist die Zeit.

Verzicht' auf Liebe selbst und auf das Daseyn,
Weil du nur so gelangst zum ew'gen Daseyn.

Der Rose Saame wenn er stirbt im Grund,
Steht tausendfältig wieder auf von Nichts.

Es sprosst das Korn empor in Halm und Frucht
Und steigt vom Abgrund zu dem Himmel auf.

Bist du Fakir, des Greises wahrer Jünger,
Und herrschest du im Land, bist spurlos doch.
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