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Annette von
Droste-Hülshoff
(1797-1848)
Adventslied
Auf keinen Andern wart ich mehr,
Wer soll noch Lieb'res kommen mir?
Wer soll so mild und doch so hehr
Mir treten an des Herzens Thür?
Wer durch des Fiebers Qual und Brennen
So liebreich meinen Namen nennen,
Ein Balsamträufeln für und für?
Du wußtest es von Ewigkeit,
Daß der Gedanken Uebermaß
Dem Sinn entzog'ner Herrlichkeit
Zersprengen müßt' des Hirnes Maß;
So kommst Du niedrig unsers Gleichen,
Wie zu der Armuth Fromme schleichen
Sich setzen wo der Bettler saß.
Wenn fast zum Wahnsinn mich gebracht
Der schwindelnden Betrachtung Kreis:
Dann trittst Du aus der Dünste Nacht
Und Deine Stimme flüstert leis:
"Hier bin ich, kannst Du mich erfassen,
So magst Du alles Zagen lassen;
Auf meinem Kreuze liegt der Preis!"
O Stimme, immer mir bekannt,
O Wort, das stets verständlich mir,
Du ziehst mich an der Liebe Band
Und meine Schritte folgen Dir!
In Liebe glaub' ich, Liebesglauben
Fürwahr soll keine Macht mir rauben,
Geschlossen ist des Sinnens Thür.
Von wilder Jagd, die über Stein
Und Dorn gehetzt hat meinen Fuß,
Ich ruh' in Deinem kühlen Hain
Und lausche Deinem sanften Gruß.
Die Blinden seh'n, die Kalten glühen
Und aus des Irren Haupte ziehen
Der finst're Hauf' der Schatten muß.
Ich folge Dir zu Bergeshöh'n,
Wo Leben von den Lippen fließt,
Und Deine Thränen darf ich seh'n,
Oft tausendmal mit Heil gegrüßt,
Muß in Gethsemane erzittern,
Daß Schrecken Gottes Leib erschüttern,
Blutschweiße Gottes Stirn vergießt.
Du hast gehorsam bis zum Tod,
Ja zu des Todes finsterm Graus,
Gekostet jede Menschennoth
Und trankst den vollen Becher aus.
So richte Dich aus Dorn und Höhle,
Du meine angstgeknickte Seele,
Auch Du nur trägst ein irdisch Haus.
Laß wanken denn den Kerkerbau
Und mische Deine Thräne nur
Mit Deines Heilands blut'gem Thau,
Gequälter Sklave der Natur!
Er, dessen Schweiß den Grund geröthet,
Er weiß es, wie ein Seufzer betet,
Mein Jesus, meine Hoffnungsau!
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