|
Johanne Juliane
Schubert
(1776-1864)
Das Anschau'n Gottes
Den Herrn, den herrlichen, zu schauen,
Ging ich hinaus und fragte die Natur,
Und fragt' auf Wiesen und auf Auen:
"Wo find' ich ihn und seiner Güte Spur?"
Und Wies' und Au mir hold entgegenlacht,
Geschmückt durch ihn mit Herrlichkeit und Pracht.
In tausendfält'ger Schönheit standen
Die Bäum' umher, von seiner Kraft belebt,
Und frische Blumenkränze wanden
Sich Berg und Thal, von seinem Hauch umschwebt,
Und jubelnd stieg in's große Weltenchor
Der Freude Lied aus Wald und Hain empor.
Sanft rieselte die Wiesenquelle
Durch Blumen hin, die seiner Hand entblüh'n,
Und in des Kornfelds grauen Wellen
Sah ich vorüber seinen Odem ziehn,
Und tief anbetend neigte sich der Hain,
Dem Herrn der Welt zum Tempel sich zu weih'n.
Nun hab' ich ihn geseh'n, den Großen,
Unendlichen, der mir sein Bild vertraut;
Von seinem Segenshauch umflossen
Hat ihn mein Geist in seiner Welt geschaut,
Wie er, durch den sich Erd' und Himmel freut,
Vorüber ging in seiner Herrlichkeit.
Auch mich, auch mich hat er erlesen
Zum Kind' und Erb', umstrahlt von seinem Licht.
In seinem Reich, ein selig Wesen,
Bet' ich ihn an voll Lieb' und Zuversicht
Und sink', entzückt von Freud' und hoher Lust,
Ihm ewig nah', an seine Vaterbrust.
Und ob verblüh'n der Erde Freuden,
Und ob verwelkt des Frühlings Blumenkranz,
Es wird mein Geist sich ewig weiden
In seiner Näh' an seines Lichtes Glanz:
Die Dämm'rung schon kann Aug' und Herz erfreu'n,
Doch schöner wird die volle Klarheit sein.
|